Aus der Zeitung


Fingerhut

Ein Höhepunkt im Leben der versorgten Buben (ca. 1962): das weihnächtliche Theaterspiel. Der junger Lehrer HP. H. engagierte sich in zahlreichen Überstunden und verwandelte sie für einen kurzen Moment in zarte Elfen, links mit Stock der bucklige „Fingerhütchen“ , …

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Meertruebeli

Dieses JOHANNisbeer-Foto zum Beitrag ist nur scheinbar unpassend (aus meinem Garten)

Ginge es nach den Jungspunden, würde die Frauenorganisation in meiner Partei aufgelöst. Sie sei nicht mehr zeitgemäss, denn schliesslich hätten wir, argumentieren die jungen Genossen, abgesehen von einigen Kinkerlitzchen, die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Allenfalls könne man ja eine Art Geschlechterbüro einrichten.
Wieder typisch, denke ich. Eine super funktionierende selbsttragende Organisation, die sich – weil für Frauenanliegen – für die ganze Gesellschaft einsetzt, wird demontiert und irgendjemand soll irgendwie irgendwo irgendwann ein neues, „auch den Männern zugängliches“ Büro aufmachen.

Dass Männer nicht vernächlässigt, gar ausgeschlossen werden, dafür setzt sich neuerdings auch eine SVP-Stadträtin ein. (Ich mag gerade nicht verlinken.)
Wie bitter sei es z.B. beim Schweizer Frauenlauf Bern für die Männer, nur Zuschauer am Strassenrand sein zu dürfen, obwohl sie doch täglich joggen (während ihre Frauen einkaufenkochenwaschenkindervonderkitaabholenputzen?) und sie mit ihren kräftigen Waden den Lauf problemlos bestreiten könnten, wenn man sie nur liesse. Ein reiner Männerlauf muss her! Die rechte Stadträtin wird ihn für ihre unterdrückten Brüder organisieren. Das ist sie ihnen schuldig, denn zusammen mit zehn SVP-Männern darf sie schliesslich als einzige SVP-Frau im Stadtrat sitzen.

Eigentlich wollte ich einen Beitrag über die Frauen schreiben, denen ich in der vergangenen Woche begegnete.
Ein paar Notizen auf meinem Zettel:
Suzanne: „Manchmal liege ich in den Bohnen, schaue in den Sternenhimmel und merke, wie klein ich bin.“
Lotti: „Als ich jung war, machten mich Wörter wie ‚Ewigkeit‘, ‚unendlich‘ und ‚Universum‘ fast wahnsinnig.“
Therese: „Nachdem ich den ganzen Vormittag anspruchsvolle Kundinnen und Kundinnen beim Kauf von Vorhängen und anderen Dekostoffen beraten habe, lege ich mich in der Mittagspause im Sousol des Geschäfts auf eine Liege zwischen die neuesten LED-Vorhangkollektionen. Da kann ich super abschalten.“
Marie-Luise: „Mit dem Literaturpreisgeld will ich einen Hühnerhof bauen mit einem starken in die Erde gesetzten Zaun gegen den Fuchs. Dann reichts vielleicht noch für einen Wintergarten.“
Leni: „Als Politikerin ist es schwierig, Freundschaften zu schliessen, die das Amt überdauern.“
Louise: „Nächsten Monat werde ich anfangen, jungen Kriegswitwen in Sri Lanka Englischunterricht zu geben, damit sie die Aufnahmeprüfung in eine Schule bestehen. Diese Frauen gehören zu der alleruntersten Kaste und haben sonst null Chancen.“
Franziska: „Ich bin daran, intensiv Italienisch zu lernen, weil ich mich im ‚Movimento AvaEva‚ engagiere. Als Biologin biete ich den ‚Grossmüttern‘ u.a. Wanderungen zum Thema ‚Pflanzen‘ an. Die Frauen helfen mir mit der Sprache, so dass mir das Italienische immer leichter fällt.“
Kea: „Dass es dem Kalifornische Mohn in deinem Garten nicht zu gefallen scheint, ist nicht deine Schuld. Ich habe ihn in meinem Garten in Kalifornien ausgesät und nichts ist passiert.“
Madeleine: „Als Grossmutter brauche ich ein grosses Auto und eine grosse Kuchenform.“

In diesem Jahr gibts Johannisbeeren in reichen Mengen – es ist ein Geben und Nehmen in Form von leckeren Kuchen und Konfitüren. Gelee für die Spitzbuben wird auch noch eingekocht.

Eulenziehen

Bern Touristik hat das „Eulenziehen“ oder „Uhuläuten“ ins Frühjahrsprogramm aufgenommen!

Eigentlich wollte ich in den vergangenen kalten Tagen über die erste Primmelpracht, den Rhabarber, die Lilien und Rosen (Pfingst und Kletter) berichten, über den aus dem Unrat geretteten Winterjasmin und die warme Sonne auf Vorhang und Balkon. Auch über meinen Optimismus, dass die zarten Salatstüdeli im zugedeckten Frühbeet, bei uns „Couche“ genannt, auch bei -10° nicht schlapp machen würden. Passende Bilder lagen schon parat. Ich hätte das gemacht mehr für mich, als für die Blogkleserinnen und -leser, weil ich mich jeden Frühling wundere, dass die Vögel singen und alles wieder spriesst und ausschlägt, trotz Abgasen und anderen Malträtierungen.
Daraus wurde nichts, denn neben allen schrecklichen Nachrichten aus der restlichen Welt, wurde wieder einmal über ein bis anhin ungelöstes Bernerproblem berichtet: Die Saatkrähen – laut, respektlos jedem Autodach und Velosattel gegenüber, unordentlich und leider schlau und unerschrocken. Aber diesmal wirds besser, denn Hilfe kommt aus Deutschland in Gestalt lebensgrosser Plastik-Uhus mit beweglichen Flügeln!

Zu beneiden ist das Quartier, welches nun durch Handantrieb, d.h., durch Ziehen (bitte alle mitmachen!) an der Schnur, die Uhuflügel flattern lässt und so die Krähen in die Flucht treibt „an den Ort, an welchem sie niemanden stören“, wie unser Stadtvater meint. Da es diesen Ort in der Schweiz nicht gibt, wird in den umliegenden EU-Ländern eine Masseneinwanderung durch die Luft befürchtet. Daran glaube ich nicht, denn es gibt schon einige Krähen, die das „Eulenläuten“ cool finden.

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„Wir sind ein Spital, eine gewisse Grundruhe ist nötig,“

meint Bernhard Leu, Direktor Infrastruktur von Inselspital und Spitalnetz Bern, der seit vielen, vielen Jahren von Bushaltestellen auf dem Insel-Areal träumt.
Ein bisschen wird unsere Geduld aber noch auf die Probe gestellt, denn auf einer „Flüster-Baustelle“ dauert alles etwas länger, dafür ist aber die Grundruhe gewährleistet. Merci vielmal!

(siehe Der Bund, 12.03.14, S. 21)

… Voll sparen will der Bundesrat erst bei künftigen Witwen, die heute noch jung sind.

Aus: „Der Bund“ zu den
Sparplänen des Sozialministers Alain Berset, 23.12.13, S. 1

Vielmehr als das Schweizer Wort des Jahres 2013 beeindruckt mich das Wort „Tischarchitektur“, welchem ich in diesem Monat auf weihnächtlichen Lifestyleseiten begegne.
Als ich vor einigen Wochen Freunde besuchte, sie waren eben umgezogen, hatten wir meiner Meinung nach eine „Tischarchitektur“-Diskussion. Mit ihnen zügelte nämlich auch ihr ovaler Nussbaumholztisch. Nun waren sie überzeugt, dass das antike Möbelstück nicht mehr auf den modernen teppichfreien Betonboden zwischen die unverputzten Betonwände passe. Da meine Freunde schon einen Esstisch aus Beton bestellt hatten, konnte ich sie nicht mehr umstimmen – leider, leider.
Erst vor Kurzem realisierte ich, dass zur „Tischarchitektur“ mehr gehört als blutte Tische. Da ich nutzlosem Wissen nicht abgeneigt bin, befasste ich mich kurz mit diesem Architekturzweig, den man pflegen solle – z.B. für Feste und wenn der Chef zum Essen komme.
Hoffentlich bringen wir bis Weihnachten diese Architektur ein bisschen hin: naturverbunden, archaisch, taktil, elegant, stylisch, funktional, futuristisch, amorph (?), anspruchsvoll komplex, sinnlich inspirierend, expressiv, dynamisch mit choreographierter Schönheit (Werbung Rosenthal und Ritzenhoff).

Einen besinnlichen 3. Adventsabend wünsche ich!

Kommentare wie der heutige Es ist unsere Schande auf der Bund-Titelseite von Stephan Israel regen mich weniger auf als früher (als ich über unsere Schande 9/11 gelesen habe, hat mir das noch den Schlaf geraubt). Aber sie bereiten mir nach wie vor Mühe, vor allem, wenn im Zusammenhang mit dem Schock um so viele Tote noch das Wort „scheinheilig“ fällt, was häufig dazugehört.

Es ist richtig, wir haben uns als Schweiz immer wieder mit falschen Entscheidungen auseinanderzusetzen: Mit Abgewiesenen, im Nationalsozialismus Verfolgten. Mit Abstimmungsergebnissen, die Mitbürger und Mitbürgerinnen ungleich machen.

Aber ich verstehe es nicht, wenn in Kommentaren unser Verhalten und das unserer Politik (und der Deutschlands, ebenfalls verurteilt, da ohne Aussengrenze) so mir nichts dir nichts zur Schuld wird. Und damit nicht genug: Ob menschliches Entsetzen über die Katastrophe oder christliche Nächstenliebe mit hilflosen Helfern und Spenden als Tropfen auf den heissen Stein: Alles scheinheilig!

So selten, dass ich mich gar nicht mehr erinnern kann, lese ich über die Verantwortung der Regierungen in all den Ländern Afrikas, aus denen diese Menschen flüchten. Häufig Länder mit natürlichen Ressourcen von globalem Interesse, die weit über die unsrigen hinausgehen. Oft solche, von denen wir abhängig sind, nur schon für die Innereien unserer Smartphones. Regierungen, die ihre Bevölkerung weder schulen noch an irgend einem Geschäft teilhaben lassen. Regierungen der Südhalbkugel, die die Schuldgefühle der Nordhalbkugel gut einzusetzen wissen.

Der Kommentar bringt am Ende einige Stichworte auf, die ganz sicher in unsere politische Agenda gehörten, leider viel zu kurz. Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern sind nicht so einfach, die Schweiz ist in dieser Debatte von der Nachwuchsfinanzierung bis zu Good Governance seit Jahren vorne dabei und riskiert, sich auch hier schuldig zu machen.

Orte für den Aufenthalt von Flüchtlingen zu finden, ist auch nicht leicht – unsere alleinige Schande? Afrikanische Zugewanderte haben es hier schwer, das ist unbestritten. Seit langem versuche ich mich in Unterstützung eines Jungen aus Kenya. Und ich sehe selbst, wie vielen Vorurteilen afrikanische Menschen ausgesetzt sind. Leider sind diese nicht einfach zu widerlegen; die jedem Fortschritt zuwiderlaufende Herrschaft der Clans und die Anzahl Delinquenter in der Schweiz ist schwer wegzudiskutieren. Wir können nur differenzieren.

Die nächste Asylgesetzrevision kommt bestimmt. Und leider wird sich kaum ein Journalist mit der Umsetzung herumschlagen. Man wird in den Medien der Verschärfung und Repression einmal Verständnis und ein anderes Mal Kritik entgegenbringen. Die Integrationsartikel aus dem neuen Gesetz wird die Berichterstattung unter den Tisch fallen lassen, wie bei den beiden vergangenen Revisionen auch. Denn Integration gibt vielleicht ab und zu eine nette Basketball-mit-Kopftuch-Geschichte, alles andere ist zum Gähnen.

Ich bedaure das sehr und es reut mich auch. Ich habe ständig das Gefühl, wir verlören so viel Zeit und Menschen. Integration ist eine komplizierte, von der ganzen Gesellschaft zu gestaltende, demokratische und zukunftsweisende Aufgabe. Und was dabei herauskommt, ist immer Veränderung für alle Seiten, deshalb ist es ja so eine Zumutung. Es wäre gut, wir würden das einfach wieder mehr diskutieren, uns austauschen. In den Städten ist in jedem kleinsten Kreis in jeder Gesellschaftsschicht mindestens einer Migrant, beim Stammtisch auf dem Land serviert er mindestens das Bier. Wir sollten besser mit den Widersprüchen der Zuwanderung umgehen lernen, indem wir noch mehr nachdenken und unser Urteil abwägen. Ob Migration oder Integration: Ein jeder hat hier persönliche Herausforderungen, da müssen wir anfangen. Es ist selten eine Frage der Schuld, sondern eine Frage von Mut und Geduld.

Schlot

Die Meinungen sind geteilt. Einige finden, dieser mit Segeltuch umhüllte Kamin sei wieder einmal ein typisches Beispiel für hinaus geworfenes Geld. Die HKB hätte damit Gescheiteres anfangen können. Mit zwei Kränen dem Schlot dieses Kondom überzuziehen sei nun wirklich keine Kunst, erst noch in dieser abscheulichen Farbe. Andere finden, in Anbetracht der steigenden Zahlen der HIV-Diagnosen, ein solches Werk passend. Ein paar graue Hasen und Häsinnen erinnern sich daran, dass in Bern schon vor 45 Jahren verhüllt wurde. An einem trüben Regentag wie heute, soll mir dieser Blick auf das Kunstwerk nur recht sein. Von mir aus kann, ausser Frauen- und Mädchenköpfe, alles verhüllt werden.

Es war einmal
(Foto: Teze Gaya)

Trotz den modernen Errungenschaften, welche Papier überflüssig machen, stapeln sich auf meinem Tisch, in Mäppchen oder mit bunten Klammern zusammengehalten, die Blätter und Fötzel. Ab und zu mache ich Ordnung so wie heute, denn irgendwie habe ich auch immer mein Ableben vor Augen.

Vor mir liegen einige Seiten aus dem „Bund“ vom 11. Mai. Es geht um die Quote für Schweizer Schüler, d. h. darum, wie Schulklassen so gemischt werden können, dass mindestens 30 % der Schülerinnen und Schüler deutschsprachig sind und die selbe Fremdsprache nicht von über 30 % gesprochen wird. Was in Basel gerade mehr oder weniger hitzig diskutiert wird, ist in Bern zum grossen Glück weder „Thema“ noch „Problem“, sondern laut der Leiterin des städtischen Schulamtes Frau Hänsenberger bloss eine „grosse Herausforderung“.
Da die Schulen in meinem Quartier die am höchsten belasteten, also die absolut schlechtesten der Stadt sind – Entschuldigung Frau Hänsenberger – habe ich ein Problem, das mir schwer auf dem Magen liegt.
Bald müssen meine Enkelkinder eines dieser „Heissen Schulhäuser“ (Patrick Feuz, Bund 11.05.13) besuchen. Ausser einer Privatschule oder einem Umzug in ein anderes Quartier gibt es null Ausweichmöglichkeiten:

«Wir arbeiten nach dem Prinzip der kurzen Wege», sagt Frau Hänsenberger. «Die Kinder sollen dort zur Schule gehen, wo sie wohnen. Und das Umfeld in der Schule soll dasselbe sein wie in der Freizeit.»

So ist wenigstens von Amtes her dafür gesorgt, dass die Bern-West-Kinder unter sich bleiben und möglichst keine Anregung von aussen erhalten. Unterdessen wird hauptsächlich mit dem Sozialindex gewerkelt, d.h. werden Lektionen für besondere Massnahmen und Sozialarbeit errechnet, was im besten Falle mehr als nichts ist. Da jedes Jahr zahlreiche neue Kinder ohne oder mit nur mangelhaften deutschen Sprachkenntnissen eingeschult werden, darf die soziale Durchmischung, vorgeschrieben im städtischen Schulreglement, bis zum Sankt Nimmerleinstag „angestrebt“ werden.

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