Februar 2005


Seitdem meine vornehme Vorgesetzte, Frauenrechtlerin der ersten Stunde, eine Mitarbeiterin fristlos entlassen hat, gibt es am Nachmittag wieder Tee aus dem alten geblümten Service. In den vergangenen Monaten war Madame äusserst schlechter Laune, fühlte sich von den Linken und den Studierten bedroht und konnte keine jüngere Mitarbeiterin neben sich dulden. Aber nun ist diese weg, darf erwerbslos ausschlafen und ihren grossen Kindern richtige Menues kochen. Hier, im herrschaftlichen Haus, geht endlich alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Hunde haben übers Wochenende, aus Langeweile, die Tischsets gefressen, deshalb wird heute auf rosa Leinen gedeckt. Die Verdauungsstörungen dieser treusten Freunde des Menschen sind ein unerschöpfliches Thema beim Tee. Ich vernehme u.a., dass der Tierarzt 10 Franken verrechnet, wenn er ein Pulver gegen Durchfall versenden muss. Aber was tut frau nicht alles für die vierbeinigen Lieblinge, die jeden Tag ein frisches Landei mit extra Hackfleisch schlabbern. Ich trinke meine Tasse aus und tape damit zwischen Hundeschwänzen und -beinen in die Küche, von dort an meinen Schreibtisch.
(Nein, wir sind kein Tierheim, sondern eine Bibliothek für Frauengeschichte!)

Die Martinskirche brauche eine neue Orgel. Weshalb es die alte nicht noch „tue“, wisse man nicht. Jetzt, wo doch immer weniger georgelt und aus Spargründen nur noch an jedem zweiten Sonntag gepredigt werde. Die Kollekte des Konzerts mit dem russischen Männerchor sei für die Orgel bestimmt gewesen, aber diese eben nur ein winziger Tropfen auf einen heissen Stein. Bis die 30-40 Tausend Franken zusammen kämen, müsse noch für viele auf der Alten „z’Grebt“ georgelt werden.
Man könne ja froh sein, dass das Pfarrhaus „entschtwyle“ noch nicht verkauft werden müsse. Sparen habe auch sein Gutes, würde der Kirchenchor doch morgen mit demjenigen von Belp zusammen singen und der Pfarrer müsse nun regelmässig auch in der Nachbargemeinde predigen.

Fondue

Gurken

Randen

Die Lehrperson hat die Aufgabe eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände zu führen und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.

[Auszug aus einem Gespräch über 11 Busstationen. Ich sass neben einer Russin, 64 Jahre alt, vor 25 Jahren von Moskau in die Schweiz migriert, schon ewige Zeiten im Block.]

Meine Liebe wie geeht es? Ich war in Ferien mit ganze Famiilie, nein, so kann man nicht sagen, mit meine Schwestärr, meine Cusín und seine Frau und viele von ihren Brüder und Schwestärr, eine von Ohio und eine von Berlin, einfach viele Läute, sie kennen sich aus Moskau, aus den 50 und 60 Jahren. Es waren die schönste Ferie, die ich gelebt habe und glaube mir, ich hatte viele Ferien! Ich bin pensioniärt! Es war ein Schiff in diese Karibik, mit alles. Mit eine Berg und Glofplatz und jeden Tag Konzert und jeden Tag Tanzen und jeden Tag schöne Schminke, mit Jakuzi und Suuschi und mit Essen, wie du nie gesehen hast. Eine Melone, gemacht wie ein Kopf! Und Krevetten! So gut oarganisiert. So gut oarganisiert.

– Habt ihr auch Ausflüge gema……?

Aber sicher waren wir in Porrto Ricco wun-der-schöän, aber andere Inseln nicht so gut, viele arme Läute, viel arme Häuser, nein, nein, das war nicht so gut. Aber die Amerikaner, sie sind lustige Läute, sähr lustig. Sie tanzen sähr gut und kümmern sich nicht. Meine Tochtär – du kennst meine Tochtär? Sie ist 33 Jahr geworden und hat immer noch diese Stefan, seit zwälf Jahre. Ich mach mir grosse Sorgen, ooohne Kinder… Ihr Doktorr sagt, alles in Ordnung mit meine Tochtär, aber diese Stefan, er will zu keinem Doktorr – aber mein Tochtär, sie hat angerufen von Florida, sie macht ihre Ferien, sie sagt, grosse Schiff ist für aalte Läute, aber ich sage, alle waren da, auch junnge Läute und Kinder, es hat alles für sie. 2’500 Perrsonen und 1’500 Perrssonnal! Aber du kannst sie nicht sehen, sie sind verteilt. Und so gut oarganisiert. Meine Tochtär ist nicht wie Muttär, sie ist Pessimist. Am Telefon klagt sie von Florida. Aber hier ist Schnee, dort ist Sonne, Amerikaner sind lustige Läute, was will sie? Diese Stefan, diese Stefan, er ist schon über vvierzig Jahre aalt, er macht mir grosse Sorge, er muss zu einem Doktorr. Oh, wie geht es deinär Muttär? Ist sie endlich pensioniärt? Sie muss auf diese Schiff, es gibt viele viele davon. Wir gehen nächste Jahrr wieder, alles ist oarganisiert. Und versprich, dein Sohn bekommt eine kleine Schwestärr, jeder Junnge braucht eine Schwestärr, eine Schwestärr ist sähr wichtig.

Ich war gerade im Hotel Beatus zwischen Solbad, Sauna und fünf-Gänge-Menu, als mich die Somalierin anrief und mir verzweifelt von einem Unfall berichtete. Die Türkin habe sie beleidigt, woraufhin sie diese geohrfeigt hätte, was aber das Problem nicht löste, sonden verschlimmerte: die Türkin beschimpfte nun sogar die somalische Mutter. Gott weiss wie, hat die 16-jährige Somalierin ihrer Feindin den Arm gebrochen. Nun wollte sie meinen Rat. Wie solle sie ihren Vater ins Bild setzen und sie könne doch nicht mehr in die Schule gehen, bestimmt passe ihr der grosse türkische Bruder ab.

Wo verbirgt sich nun die Perle an diesem ersten Schultag meines Stellvertreters? Die verflixte Siebte ist erst am Entstehen. Denn durch den schrecklichen Vorfall sind die Probleme unserer Kleinklasse öffentlich geworden. Erziehungsberatung, Schulleitung, LehrerInnen und Eltern können nicht mehr wegschauen und sind gezwungen an einen Tisch zu sitzen.

Ich persönlich kann mich nicht solbadisieren und bin sehr traurig, dass wir gebrochene Arme brauchen, um Lösungswege anzustreben. Anstatt dass wir präventiver arbeiten können, lassen wir es zu, dass sich Fehlverhalten verhärtet.

Wegen emotionaler Disregulation, nervösen Störungen u.a. bin ich auf weiteres krankgeschrieben. Nein, ich solle nicht sagen, ich hätte aufgegeben. Mir fehle bloss mein Instrumentarium, d.h., bevor ich wieder die Verantwortung für eine Kleinklassen-Oberstufe übernehme, will ich endlich meine heilpädagogische Ausbildung beenden.

Der Abschied war kurz und schmerzvoll. Die Jugendlichen konnten kaum glauben, dass ich, die immer treue und alles-ertragende Lehrerin nun tatsächlich das Feld räume. Die Spanierin erkundigte sich: „Was können wir tun, dass sie bei uns bleiben?“ Die Kosovarin kam mir zuvor: „Jetzt ist es zu spät Leute. Ihr seid selber Schuld.“ Die Türkin weinte und schenkte mir am letzten Schultag eine viel zu süsse türkische Spezialität. Die Somalierin lud mich zum Essen ein und versicherte mir, dass sie mich immer gemocht habe und ihre „Ausfälle“ nie so gemeint habe. Der Junge aus Sri Lanka vermied es, sich zu verabschieden und schwänzte die Schule.

Bevor ich die Schulzimmertür zum letzten Mal abschloss, bat mich mein Stellenpartner: „Bleib doch da, jetzt haben wir alles so gut aufgegleist.“

Gesund ist viel besser als geburn-outet Mann.

Heute sind die langen Eiszapfen einer nach dem anderen von meinem Dach gefallen – klirr. Dazu rieselte der Schnee in kleinen weissen Kügelchen – Styropor auf dem Balkon.
Der Frühling kommt aus dem Briefkasten: Das Modejournal der Firma Loeb unter dem Motto: Alpaufzug. Die neue Mode wird uns vorgeführt vom NLA-Volleyballteam Zeiler Köniz. S. 1: Mit neckischen Zöpfchen, Schwänzchen, und Schneckenfrisuren posieren die Spielerinnen zusammen mit zwei Plastikkühen vor der Eigernordwand. Die Kühe tragen schwere Treicheln um den Hals und Blumen zwischen den Hörnern und die Frauen sind glücklich – sie lächeln doof, versuchen so zu tun, als wären sie die sprichwörtliche Unschuld von der Alm. S. 2-3 heisst: Gemschi, lächle, Sunneschiin … Der Trainer hat sich zu drei barfüssigen Schönen gesellt. Er trägt einen „Genuine Panama Strohhut“ für Fr. 149.- und klammert sich an eine hölzerne Heugabel. Peinlich finde ich die Seite mit der Unterwäsche. Zwischen Strohballen, vor einem „Lattenzaun um durchzuschaun“ räkeln sich die Sportlerinnen ein bisschen verkrampft in „Calida Just Feel Pyjama-Shorty“, String aus Single Jersey, „Calida Just Feel BH“. Es steht da noch eine mit Edelweiss, Alpenrosen und Enzian bekränzte leere Badewanne – und wieder die Heugabel. Diese Seite heisst: Früehligsgfüeuh erwache … Die Kuckucksuhr gibts ab Fr. 75.- Das „Pillivuyt Müslischüsselchen“ kostet Fr. 17.- und die Seidenkravatte des Trainers, diesmal zwischen den Deichseln eines Milchkarrens, Hände vor dem Hosenlatz gekreuzt, gibts für Fr. 69.- Um das Ganze noch ein bisschen folkloristischer zu gestalten, musste auch ein Scherenschnitt her. Dieser wiederholt sich auf jeder zweiten Seite. Die Wettbewerbsfrage dazu lautet: Welches Tier passt nicht in den Alpaufzug? Es ist das Kamel!!
Die Zeiten sind halt auch bei Loeb vorbei, wo Tinguely seine Geschirrzerschmettermaschine im Schaufenster installierte und das gewöhnliche Volk so „en passant“ Kunst vorgesetzt bekam. Von dort bis zu diesem Modejournal in Anlehnung an einen Lederhosenporno wars ein weiter Weg, aber die neuen dynamischen Jungen haben ihn geschafft. He nu.
Den Zeiler-Frauen wünsche ich eine Super-Saison, denn von Volleyball verstehen sie etwas.

2nd, 2nd ist offline und schriebt SMS:

Z.G. bin ich weg [von der Schule, Anm. der Schwester]. A. hat Y. den Arm gebrochen. Bin am Lernen: „Ein Kind ohne Grenzen ist wie ein Fass ohne Boden.“ Äuää!?

Wen sie zitiert schreibt sie nicht.

Heute haben die Feinde 3rds Glücksbringer geklaut. Seit er ein Fall geworden ist und diverse Ticks entwickelt hat, geht er nur noch mit Glücksbringer (einer silbernen Muräne, von einem befreundeten Golschmied gemacht) um den Hals zur Vorhölle Schule. Den Glücksbringer hat er während des Sportunterrichts der Lehrerin anvertraut und – schwuppsdiwups! – weg war er.

Im November haben wir geschrieben und telefoniert. Im Januar haben wir geschrieben und Sitzung gemacht. Und noch eine. Und noch eine mit 3rd. Und noch eine mit den Feinden. Und noch und nöcher. Und wir haben mündlich und schriftlich gegeben, dass wir Diebstahl und Übergriffe mit sichtbaren Folgen anzeigen würden.

Aber wenn ein Quartier einmal eine bestimmte Verlotterung erreicht hat, nimmt einen kein Schwein mehr ernst. Die denken einfach, wir wollen reden, wie Unterschichtige ohne Stuckdecke oder Corbusiersessel das halt so nötig haben. Sie hören zu und nicken nett und reden von Taten, die sich schon als Worte in Luft auflösen. Vielleicht ist es, weil tausend schwierigere Fälle warten und das Kopftuchproblem ungelöst ist. Vielleicht weil alle ausgebrannt sind. Und vielleicht auch nur, weil man keinen Bock hat, der Gettoisierung beizukommen. Aber sagen tut man es wenigstens, sonst kriegen die (teils extremen) Rechten noch rechter.

Aber ich bleibe links und atme tief. Denn auf den „längeren Schnuuf“ kommt es an. Vielleicht hat irgendwer ein Erziehungshandbuch, wie man das einem Neunjährigen erklärt, der seit November (über den Daumen gepeilt) siebzig Mal verprügelt und wohl ein Dutzend Mal bestohlen worden ist. Erbitte ISBN.

Nach zehn Jahren der Trennung schauen sich der erfolgreiche Hotelbesitzer Leo und die verwaiste blonde Caroline, Alleinerbin ihrer Brauerei besitzenden Onkel Georges und Paul, wieder in die Augen. Die leidenschaftlichen Gefühle von damals sind nicht erloschen. Bevor Harry, Geschäftsführer der Onkel und Verlobter Carolines diese weg führt, können sich die beiden in aller Eile auf den weissen Klippen, ihrem Treffpunkt aus Kindertagen, verabreden. Gefährlich nahe dem Abgrund beschreibt Caroline, in braun geblumter Bluse, durch welche Hölle sie gegangen sei in den vergangenen Jahren ohne ihren Geliebten. Zwar ist sie inzwischen eine erfolgreiche Kinderbuchautorin geworden (Page, Caroline: Brian), macht Lesungen in Schulklassen mit begeisterten, sauber gekämmten Kindern und hilft ihrer mütterlichen Freundin Anne, die den Blumen umrankten „Minster Books“-Buchladen im Städtchen besitzt, aber das Verschwinden Leos in die USA hat ihr das Vertrauen zu den Menschen genommen. Leo, ein workaholischer Langweiler, versucht seiner Jugendgespielin zu erklären, wie er sich davor gefürchtet habe, im ihm zu eng gewordenen England eine feste Bindung einzugehen. Auch Onkel Paul (70) fürchtet sich vor festen Beziehungen. Er wohnt in einem Schloss, lässt sich jeden Tag von Bruder Georges (68) bekochen, kauft für Anne vom Buchladen kostbaren Schmuck, den er im flotten Schlitten bei „Minster-Books“ vorbei bringt. Manchmal parken schon Harry, Carolines Verlobter, und Leo vor dem Laden. Anne radelt, in eine altrosa Laura-Ashley-Strickjacke gehüllt, mit dem Fahrrad nach Hause auf ihren imposanten Sitz. Aus der Vogelschau sehen wir Leo auf einem Schecken und Caroline auf einem Fuchs, wieder nahe am Abgrund über die Klippen, zufällig auf einander zu reiten, unter sich das weite blaue Meer. Kurz darauf ein leidenschaftlicher Kuss mit Absturzgefahr. Leo trägt sich mit dem Gedanken, nicht mehr in die USA zurück zu kehren. Er kauft, als Liebesbeweis für Caroline, ein wunderbares Schloss mit Park: Carrington Castle, wo die beiden als Kinder oft „Prinz und Prinzessin“ gespielt hatten.
Nun werden wir nicht länger im Zweifel gelassen: alles wird gut.
Mitnichten! Leo ist allein erziehender Vater von William. Dieser tierliebende hübsche Junge, seine Mutter ist gestorben, wird von Tante Pam völlig in Besitz genommen, denn Pamela ist nie über den Tod ihres Sohnes Vincent hinweg gekommen.

Ich hoffe, dass ich euch auf diese pilchersche Literaturverfilmung neugierig gemacht habe und verrate den Schluss deshalb nicht, gibt es doch noch viel Spannendes zu erfahren:

Geht Anne tatsächlich nach Edinborough, um die kranke Freundin in der dortigen Buchhandlung zu vertreten oder
kann sich Paul eventuell doch noch vor seinem 71. Geburtstag entschliessen, ihr einen Antrag zu machen?
Nimmt Caroline das Provençe-Stipendium an, um in Südfrankreich den 2. Band von „Brian“ zu schreiben?
Verzeiht Leo seiner Schwester Pam die schändlichen Intrigen, und
kann diese in Frieden mit sich selbst ihren weit herum beliebten Rosenkohl züchten?
Übernimmt Georges wieder das Szepter in der Schlossküche, nachdem Paul ihm in der 2. Hälfte des Films nur Pizza aus der Kartonschachtel vorsetzte?
Was wird aus Harry??

Was zeigt uns dieser Film, in dem die üppigen Blumenarrangements in den Vasen immer frisch und die makellosen Äpfel in den Fruchtschalen stets auf Hochglanz poliert sind?
Es gibt sie auch im 21. Jahrhundert, die unsagbar glücklichen Bücherfrauen in weissen Blusen und handgestrickten Jacken in schmeichelden Erdfarben.

Neben Migros rückt auch Coop, der andere orange Riese, rasant von der genossenschaftlichen Gründungsidee ab, die gewesen wäre, „Fabrikarbeitern und -arbeiterinnen, die ihr Geld in den Läden ihrer Arbeitgeber ausgeben mussten, eine Befreiung aus dieser Abhängigkeit zu ermöglichen“

Vor lauter lazy days ist mir das Communiqué zum erfreulichen Wachstum „vo üsere Migros“ entgangen. Kein Wunder, dass die das nur mit McKs bewältigen. Für mich bleiben eine persönliche und eine historische Frage offen:

  • Wird 2nd2nds Freund innerhalb der Migros von Nacht- auf Tagarbeit wechseln können, wenn er (treu wie er ist, innerhalb der Migros) eine Weiterbildung macht?
  • Ist die Budget-Linie eine preiszerstörerische Reaktion auf Aldi oder ist es eine Rückkehr zu den Wurzeln (alltägliche Produkte, einfache Verpackung)?
  • Aber das Kulturprozent ist einmalig wie PR-genial. Thank Godi.

    tut die Swisscom schon seit einer Woche! Im Schneckentempo dreht sich die Weltkugel, ab und zu zuckt ein Fenster auf: Fehler 678: Keine Verbindung zum Server – Klick – ich putze wieder einmal gründlich den Backofen- Klick- ein junger Mann möchte mir einen Super-Türspion einbauen, mit dem ich um die Ecke sehen könnte – Klick – ich bündle endlich die alten Zeitungen – Klick- Frau Wannner aus Burgdorf verkauft am Telefon Tiefkühlkost im Abonnement, macht mir ein günstiges Angebot. Nein, danke. Frau W. kann nichts dafür, dass ich mir vor dem Glück stehe – Klick – eigentlich haben die Wasserhähnen eine Entkalkung nötig – Klick – ich lese in der Zeitung, dass die Briten im Jahr 1999 395 Millionen Pfund für Antidepressiva ausgaben und dass die UBS im vergangenen Jahr einen Reingewinn von über 8 Milliarden Franken gemacht hat – Klick – Frau Rühler (?) aus FFM freut sich sehr, mich am Telefon über ein deutsches Superlotto mit sicheren Supergewinnen zu informieren. Ich gehöre zu den wenigen Auserwählten in der Schweiz, die in den Genuss eines Gehimtipps kommen! Frau R. kann nichts dafür, dass ich mir selber vor dem Glück stehe, à Dieu – Klick- Beenden – ich gehe jetzt ins Migros-Restaurant, wo zu dieser Tageszeit die Alten aus dem Quartier sitzen und ein Schwätzchen halten. Wenn Hermann am leeren Tisch ein bisschen einnickt beim Warten auf jemanden, der nie kommt, weckt ihn Frau Blaser: „Hermann, wosch es Käfeli?“

    *Familiensprache, kommt aus dem Holländischen und bedeutet für uns, je nach Betonung und Satzzusammenhang, misslungenes oder gekonntes Basteln.

    Letzten Freitag räumte ich meine Sachen im Schulzimmer zusammen. Die Kassettenhülle von Mani Matters Chansons war jedoch leer. Der Mazedonier habe sie kaputt gemacht und in den Abfall geworfen, verriet der Bub aus Sri Lanka. Wie bitte? Ich fragte nach. Der Angeschuldigte stritt die Tat nicht ab. Im Gegenteil, er erzählte sie mir: „Der blode Mann hat Muslime verarscht und alle Leute lachen über Araber und klatschen. Schais-Kassette! Sicher schmais ich in Küder Mann.“

    Nachdem ich ihn überzeugt hatte, dass man fremdes Eigentum nicht vernichte und entsorge, übersetzte ich ihm den Text von Mani Matters Lied: Dr Sidi Abdel Assar vo El Hama. Sidi hat sich eines Morgens vor der Moschee in zwei wunderschöne Augen verliebt. Er konnte aber für Mohammed Mustafas Tochter keine 220 Kamele bezahlen und fand schlussendlich eine billigere Frau, die er für nur 150 Schafe heiraten konnte. Diese war jedoch nicht so schön, aber dafür gescheit. Als Sidi in der Nacht den klaren Mond über der Sahara anschaute, dachte er für sich: Hätte ich doch früher begonnen zu sparen.

    Der Mazedonier war sich sofort im Klaren: „Geschaid ist viel besser als schön Mann.“

    sind 2nd, female & male mit 3rd.

    Dann kommen wir an.
    Dann laufen wir durchs Museum, das sich als Dorf verkleidet hat.
    Dann gehen wir ins Hotel. Und schauen eine lange Weile aus dem Fenster.

    Genau so machen wirs.

    Balkonraucher werden bereits in unserem Treppenhaus darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihre Zigarettenstummel nicht auf die Sonnenstoren, in die Blumenkisten, die Vorgärten, die Terrassen der Nachbarn schmeissen sollen:
    !!!Bitte!!!
    Hat man 16 Stockwerke über sich, sammelt sich schon einiges an an Kippen von oben. Das versaut jedem Hobbygärtner den Feierabend, vermiest jede Mahlzeit im Freien.
    Rauchen ist in der Schweiz ein billiger Spass: für 1 Paket Zigaretten arbeiten wir ca. 12 Minuten. In Kenja, dem Land mit den teuersten Glimmstängeln, reichts dafür erst mit 158 Minuten Arbeit.
    In meinem Bekanntenkreis wird kaum noch geraucht. Mit Wehmut denke ich an die schweren Roberto-Niederer-Glas-Aschenbecher zurück, die Jahre lang die Salontische der Leute mit Geschmack geziert haben. Auch die provençeblauen seien aus meinem Lieblingsrestaurant entfernt worden. Immer mehr rauchfreier Raum in Bern! Kein verqualmtes Foyer mehr in der altehrwürdigen Stadtbibliothek. Es wird draussen in den zugigen Lauben geschlotet: !!!Bitte!!!
    Wenn ich die jungen Leute sehe, denke ich manchmal zurück an meine Rauch-Zeit. In der „Schwarzen Tinte“ sassen wir, hörten bereits am Nachmittag Jazz gespielt von Chlöisu Friedli und Freunden, rauchten „Gitane Maïs“ und versuchten, kein Landei mehr zu sein und zum Kuchen zu gehören.
    Während meiner Zeit im Kibbuz holte ich mir „Nadiv“ bei Lea im Kibbuzladen. Sie würden mit dem Abfall aus der Fabrik gestopft, diese filterlosen Arbeiterzigaretten, spotteten meine Freunde in der Stadt. Durch die tägliche Übung wurde ich eine lässige Nadiv-Raucherin ohne feuchte Tabakkrümel an den Lippen.
    Jahre später drehte mir der Beediman in Indien jeden Tag fünf kräftige Armeleutezigaretten. Er schnipselte ein Tabakblatt auf ein zweites einer anderen Sorte, rollte es ein, band diese Tüten mit einem feinen bunten Baumwollfaden zusammen und verkaufte sie mir auf einem Palmblatt für 1 Rupie.
    Heute weiss ich, dass 5 Beedis ca. 55 herkömmlichen Zigaretten entsprechen, huch! Aber Ghanesha, der Gott aller Ahnungslosen und Beedipaffenden, hielt seinen Rüssel über meiner Lunge.
    Inzwischen bin ich zu einer gemässigten „Sommerraucherin“ geworden. Zigaretten bei feuchtem, kalten Wetter gibt’s nur sehr selten. Trotzdem trage ich ein versilbertes Zigarettenetui und ein Feuerzeug mit dem Bild meines Lieblingsfussballspielers bei mir wie andere Leute eine Taschenapotheke.
    So ein Zigarettli hat mir schon in manchen brenzligen Sitauation geholfen, sei’s an der jordanischen Grenze, auf einem türkischen Polizeiposten, im Zîgana Gebirge oder auf dem Kyberpass, da hatte ein solches als Geschenk einen Wert. Aber heute sind dies ja keine abgelegenen Gegenden mehr, und wahrscheinlich sind auch die „Bösen“ dieser Welt inzwischen ihrer Gesundheit zuliebe Nichtraucher geworden.
    Kürzlich habe ich eine Stange „Cleopatra Golden King“ aus Ägypten geschenkt bekommen, bin also für mindestens acht Jahre mit einer wöchentlichen „Sommerzigarette“ versorgt.