März 2005


Als ihr Vater 1576 verstarb, übernahm Martha Ougenweyd seine Lehre (Schule). Als Besoldung erhielt sie, laut Säckelmeisters Rechnung, jährlich
2 Saum welschen Weins (334,34 Liter). Als die Lehrgotte Ougenweidina verstarb, hinterliess diese ihrer Tochter Sara Schürer, verwitwete Fischer nicht nur ihr Amt, sondern auch noch das kleine Gut von 200 Pfund. Da es Sara „weder des Temperaments, der Energie noch der Wirkungslust“ mangelte, „tritt sie uns als eine überragende Lehrerpersönlichkeit entgegen“. Als Inhaberin der „grossen Lehre“ (Schule) erhielt sie den Beinamen „Grosse Lehrgotte“. Da die Schulkinder nur unregelmässig für den Unterricht bezahlten, war Sara, jung verwitwet mit vier Kindern, sehr froh, als ihr im Jahre 1595 vom Rat 5 Pfund an Geld und 1 Mütt Dinkel zugewiesen wurden. Mit 1 Mütt Dinkel konnte man, nach Abzug des Müllerlohnes, einen Zentner Brot backen. Im folgenden Jahr hob der Rat die Besoldung der „Grossen Lehrgotte“ auf mehr als das Doppelte an! Unter dem Mutternamen Sara Ougenweid erhielt sie nicht nur 10 Pfund für eine „Badenfahrt“ zugesprochen, sondern auch noch 10 Pfund „zum gutten jar“.
Die Berner Herren wussten eine vorzügliche Lehrerin also zu schätzen!
Wie diese frouw sich erfolgreich für eine Mädchenlehr (Mädchenschule) einsetzte, kann man in in der Diss. phil. 1925 von Ida Somazzi nachlesen: Geschichte der obrigkeitlichen Lehrgotten im alten Bern

Ich habe die Arbeit dieser ebenfalls vorzüglichen Lehrgotte gerade katalogisiert.

Seit gestern früh hängt vor der Eingangstür ein Flachduvet (200×210) am Geländer. Ich bin erstaunt, dass es niemand zu vermissen scheint.

Eierkunzt

färbt
sucht
funden
gessen

In Alberts Familie bekamen die Männer zu Ostern ein Dutzend mit Zwiebelschalen gefärbte Eier. Für die Frauen waren deren acht vorgesehen. Die Schulkinder aus den Weilern der Sonnseite hatten mehr Eier in ihren Körbchen als die Dorfkinder von der Schattseite, wo die Hühner noch im letzten Schnee scharrten. Jedes Familienmitglied passte auf seine Eier auf wie ein „Häftlimacher„, damit ja keines in einem falschen Magen verschwand. Lieber liess man eines verfaulen, als dass man eins verschenkte.
Seit dreissig Jahren gibt es bei mir im Hochhaus einen Karfreitag der offenen Tür. Wer Zeit und Lust hat, kann zum Eierfärben, Plaudern und Essen kommen. Mindestens zwei Dutzend der Ostereier werden an die Nachbarn verschenkt.

Wie jedes Jahr lud 1st heute zum Eierfärben ein. Mich dünkt, in diesem Karfreitagskreis waren noch nie so viele Sprachen vertreten. Die 17 Leute hätten in folgenden Sprachen kommunizieren können: Schriftdeutsch und Dialekt, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch (aus Andalusien und aus Bolivien), Kurdisch (Krmantsch), Türkisch, Arabisch, Hebräisch, Albanisch, Schwedisch oder Norwegisch, Russisch und wäre mein Schwager auch gekommen, hätte er uns auf Chinesisch gesagt, wie ungern er (in diesem Kreis oder grundsätzlich?) Eier färbt.

Ich wünsche euch allen frohe Ostern und uns etwas mehr Kommentare!

Tschüss, Salut, Ciao, Adios, Güle güle, Tung, Selam,…

Gestern mussten wir in der Schule Zähne putzen mit der Zahnärztin und der elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta. Als wir fertig waren, haben wir mit der Zahnärztin etwas ausprobiert. Sie hatte ein Ei mitgebracht. Dieses bestrichen wir zur Hälfte mit elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta. Dann legten wir das Ei in ein Glas mit Essig drin. Der Essig sollte die Säure des Zuckers darstellen und das Ei den Zahn. Wir liessen es dort, während wir ein Blättchen mit Fragen ausfüllen mussten. Zum Beispiel: „Ich putze jeden Tag drei Mal ……….. [da mussten wir „2-3″ einfügen] Minuten die Zähne.“

Als wir das Ei wieder aus dem Essig herausnahmen, war es auf der einen Seite ohne elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta voller Bläschen und auf der anderen Seite mit elmex-Gelée-Fluorid-Zahnpasta sah es noch ganz normal aus.

Bevor sie gegangen ist, hat uns die Zahnärztin gesagt, meistens esse sie das Ei noch, zum Beispiel gestern hat sie es vor unseren Augen und Zähnen gegessen. Aber einmal hatte sie es zu lange im Essig gelassen „u de isches de glych nümme so guet gsy.“

Natürlich tut das unser Stapi nicht persönlich. Dazu hat er seine Ghüder-Mannen – und die sind auf Zack! Ich habe heute früh auf die Hotline „Unrat im öffentlichen Raum“ angerufen, denn ich möchte, dass der Fussweg von der Bushaltestelle ins Quartier vor Ostern geputzt wird. Unter 079 669 40 00 meldet sich Herr Meyer. Für den Fussweg ist er nicht zuständig, wenn nichts verkotzt ist und es nur eine reguläre Reinigung braucht. Aber er gibt mir die Nummer von Herrn Wyss, der den Putzplan kennt. Im Büro Wyss spreche ich mit Frau Gilgen, die mich an Herrn Schmid, den Leiter der Strassenreinigung im Kreis 3 verweist. Herr Schmid ist unter seiner Büronummer nicht zu erreichen. Gut so, der Mann ist dort, wo er gebraucht wird! Ich wähle seine Handy-Nummer und schon ist er da. Ja, der Fussweg wird noch vor Ostern gereinigt. Herr Schmid ist eben vor Ort gewesen: „Schitter sieht es aus“, bestätigt er mir „die Büsche und Bäume haben sie in den letzten Tagen alle abgeholzt, dazu noch der Dreck vom ganzen Winter. Wir kommen!“
Bei so viel Freundlichkeit hake ich nach: „Könnten Sie den Fussweg ins benachbarte Quartier auch noch …“? „Wir schauen, was unsere Kapazitäten sind.
Wenns reicht, gehts.“
Ich danke und betone, wie wichtig die Arbeit der Strassenwischer sei, in diesem Fall unentbehrlich, denn ich würde sonst in eine grauenhafte Tristesse verfallen.
Dass die Bäume und damit auch die Vogelnester dem einzigartigen Bauprojekt „West-Side“ weichen müssen, kann ich nicht verhindern. Aber die Osterglocken und Narzissen sollten doch vom Unrat befreit werden. Welches Schneeglöggli kann wachsen, wenns eine Cocibüchse übergestülpt behält?
Ausserdem werden, wie jedes Jahr, wieder zahlreiche Oster-Spazierende aus besseren Quartieren am westlichen Stadtrand erwartet. (Auch wenn geputzt ist, möchten sie hier nicht wohnen). Aber der Wald, der Bach und die Matten sind ein Glück für Herrchen und Hund und Frauchen. Wir tun als „GastgeberInnen“ unser Bestes …

Eine meiner Winter-Sorgen war es, dass das Bussard-Pärchen in diesem Frühling nicht mehr auftauchen würde. Denn sein Jagdrevier, die Südwiese neben meinem Block, wurde in den letzten Monaten von grossen Baumaschinen festgewalzt und zu erdigen mausfreien Bergen aufgetürmt. Aber vorgestern, oh Wunder, waren die Vögel wieder da, segelten im Aufwind unter mir und kreisten dann über den Matten und Wäldern im Norden. Hochhäuser wie die unsrigen in Waldesnähe eignen sich prächtig für die ersten Flugversuche des Nachwuchses.
In einigen Wochen werden wir das miauende, verzweifelte Hiäh, Hiäh der Jungvögel hören, wenn sie zuerst ängstlich sich am Dach festkrallen, nach und nach mutiger über den Abgrund zum Block gegenüber segeln.
Wahrscheinlich vertreiben die Greifvögel dann den Taubenschwarm, der sich den ganzen Winter über immer wieder auf meinem Balkonvorsprung das Gefieder putzte.

In der Schweiz gibt es davon unzählige, seis in den Bergen, im Emmental, im Gantrischgebiet, in der Stadt, die zeitweise eine einzige Baustelle ist, vor meinem Block, wo das erste Libeskind-Einkaufszentrum der Welt entsteht.
Der Röstigraben, Abgrund zwischen DeutschweizerInnen und Welschen, ist sogar im Ausland bekannt.
Es gibt auch den Graben zwischen Stadt und Land. Diesen überquere ich jede Woche einmal im Postauto um meinen betagten Eltern im Haushalt zu helfen. Obwohl ich viele Jahre in diesem Bilderbuchdorf am Jakobsweg verbracht habe, ist es für mich noch heute beinahe unmöglich, einer Unterhaltung zu folgen, bei der es um alt eingesessene Familien geht. Sie werden nach ihrem Hof, dem Vornamen oder dem Amt eines Vorfahren benannt und jeder neuen Generation angepasst: Chorrichters Fritzus Fritzes Fritz, Franzes Öttus Fridu, Chaschpers Brächts Käthi, verwandt mit Chaschpers Peter, Postautochauffeur, auch Kloster-Peter oder Pöschtli-Peter genannt, nicht verwandt mit Klosters Käru, glaube ich. Hublers Fridu und Statthalters Housi waren in den frühen Zwanzigern die Bösen Buben, die den Pfarrer im Pfarrhaus einschlossen, die Tür mit einer Kette verrammten, einen Nachthafen dran hängten. Der Pfarrer entkam durchs Fenster. 90jährige Einheimische erinnern sich noch heute an den verspäteten Predigtbeginn. Dieser Hubler Fridu war überhaupt ein Grossartiger (Prahlhans), fuhr er doch sogar mit dem Jauchefass zweispännig durchs Dorf. Zbindens Bärtu, verwandt mit Z’Ammens, kennt man unter dem Familiennamen der Mutter, da diese aus einer reicheren Familie stammte als sein Vater. Brüggmatters Dölfu und Rüedu waren zugezogen aus einem Hof über einem schattigen Graben …
Die neue Zeit hält aber stetig Einzug ins Dorf und mit ihr auch Familiennamen, die man im Telefonbuch findet. Am Dorfeingang wird emsig gebaut, von der Landwirtschaft allein leben nur noch wenige. Die Sauberkeit hinter dem Haus habe nachgelassen und einen „gezöpfelten“ Miststock finde man auch nicht mehr. Wie ich im einzigen Dorfladen höre, sind die EFH-Mütter froh, dass ihre Kinder nicht den Gefahren der Stadt ausgesetzt sind. Die Gemeinde hat sich bis jetzt auch erfolgreich dagegen gewehrt, den gesetzlich reglementierten regionalen Kulturbeitrag an die Stadt zu bezahlen.

Ich habe heute das Modul „Gesprächsführung“ abgeschlossen. Ich freute mich schon die ganze Woche auf den Tisch beim Italiener, den meine Kollegin für uns fünf reserviert hat. Wir zukünftigen HeilpädagogInnen sprachen über den Globus, die Bedeutung der bevorstehenden Feiertage, Ziegen, Persepolis, streikende Griechen, gleitschirmsegelnde Iranerinnen, dealende Hawaiianer, israelische Bekanntschaften, und die verschiedenen Techniken der Beinenthaarung.

Liebe 2nd! Du hast doch einen guten Link, unter dem in Kürze erklärt wird, von wo der oder das Weblog kommt und was es eigentlich ist. Meine KollegInnen waren interessiert, aber haben diese Entwicklung irgendwie verpasst. Vom Swiss Blogaward habe ich zu dem Zeitpunkt noch nichts gehört. Der hätte sie nach dem Wein sicher zum Lachen gebracht. Muss ich mir jetzt henne Mühe geben, wie ich was schreibe?

Aus: „Die Frau und das Haus“, Nr. 161, 22.01.1949
von Yolanda Guslinger-Ribel

Ueberfüllte Eimer werden mit Warnungszetteln beklebt und im Wiederholungsfalle nicht mehr geleert.
… Es ist daher den Frauen anzuraten, platzraubende Abfälle wie Storzen, Melonenschalen, verblühte Blumensträusse (Gladiolen) mit der Hackmaschine zu zerkleinern:

„Den Ghüder niedlich herzurichten
Gehöre zu des Weibes Pflichten“

Knochen sind den Hunden zu geben. Nussschalen, Zwetschgensteine, Apfelkerne und ähnliche harmlose Kleinigkeiten lassen sich, ohne Wissen des Hausmeisters, sehr wohl der Abort-Abzeug-Abschwemme (abgek.: A.A.A.) zuführen. Kirschensteine sind zu verschlucken oder als Wärmespender in Säcklein abzufüllen:

Der Kirschenstein massiert den Darm,
In Säcklein gibt er im Winter warm.

… Immerhin wird alten oder kleinen Eimern durch kräftiges Aufschlagen auf den Wagenrand nachgeholfen, bis sich die Hausfrau zum Ankauf eines neuen entschliessen kann:

Hei, wie das Leeren lustig schallt,
Die Schläfer aus den Federn knallt.

Hier nur eine kleine Auswahl von süffigen Sprüchen, die der Hausfrau helfen sollten, „in Zukunft etwas freudiger sich belehren und erziehen zu lassen“.

Das NZZ-Folio ist ein wichtiger Teil des medialen Gesichts der Deutschschweiz, während eher Bildungsbürger die NZZ lesen, gehört „das Folio“ von links bis rechts zum Monat. Das März-Folio widmet sich dem „Jugo – Wer soll das eigentlich sein?“ und ist einfach aus-ge-zei-chnet. Schon das Titelbild mit dem Dampfkochtopf, ist genau… passend halt. Weil eben nicht vieles uns alle verbindet und auch nicht die Jugos.

Weil ich nicht weiss, wann der Link tot sein wird (die NZZ geht da ziemlich bescheuerte Internet-Pfade), tippe ich ein wenig ab und zitiere Darko Cetojevic, den Redaktor der „Südostschweiz“:

Das grösste Risiko für die Integration der Zuwanderer aus Kosovo, Kroatien, Serbien, Bosnien oder Mazdonien ist die Situation der jungen Leute mit mangelhafter Bildung. Denn darin liegt die Ursache ihrer schlechten Zukunfstaussichten, ihrer Frustration und ihrer Straffälligkeit. Schuld daran ist aber nicht die Gesellschaft, schuld sind in erster Linie ihre Eltern, die sich weigern, am Leben in der Schweiz wirklich teilzunehmen. So sind sie für ihre Kinder keine Leuchttürme im stürmischen Meer des Erwachsenwerdens. Hier gilt es anzusetzen, nüchtern und tatkräftig. Jede Art von Hysterie ist dabei fehl am Platz. Genauso wie Tabus.

Regelmässige Leserinnen und Leser wissen, dass das des blogk Rede ist. Es braucht den Willen, die Schweiz mit ihren schwerfälligen demokratischen Gesetzeswegen und ihrem proviniziellen Charakter, der nicht per se nach Neuem lechtzt, als zweite Heimat anzuerkennen. Alle Jugendlichen müssen von ihren Eltern Unterstützung erfahren, keine Eltern dürfen erwarten, dass ihre Kinder schon vor Volljährigkeit die ganze Familie hüben und drüben durchfüttern. Viele müssen ihr Weltbild anpassen, auch wenn es sie hart ankommt. Und von uns „Einheimischen“ wäre es nichts als gastfreundlich, den „Neuen“ unsere Gesetze besser zu erklären und sie als Leitplanken zu etabieren und nicht als Beamtenwillkür als Individuallösung, die sich nach dem Engagement von einzelnen richtet. Es kann nicht angehen, dass ein kleiner Umzug ausreicht um völlig anderen Gegebenheiten – gerade in Bildungsinstitutionen – gegenüberzustehen.

Was ich nach der Lektüre bedaure, ist, Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien auch schon Komplimente für ihre guten Deutschkenntnisse gemacht zu haben. Das scheint vielen ziemlich sauer aufzustossen. Es ist ähnlich, wie wenn ich jemandem meinen Platz anbiete im Bus und dieser jemand dann zischt „so alt bin ich noch nicht!“

Ich entschuldige mich. Die Fettnäpfe lauern eben überall, nicht einmal kulturelle Unterschiede braucht es dafür.

Heute in der Zeitung gelesen: die IG Velo beider Basel bietet eine faire Velovignette an für CHF 20.00. Dass Versicherungen nicht ein besonders vorbildliches Gewerbe sind, wusste ich eigentlich schon. Aber dass man dem mutig und innovativ entgegentreten kann, ist mir entgangen, und mindestens im Ansatz löblich.

Die „Max Havelaar Vignette“. Super Idee! Statt einem Kleber gibts einen hölzneren Plämpel, im „Band“ aus Lotharholz und recycletem Draht hergestellt. Die Police ist ein neues Allfinanzprodukt der ABS, und die Unfallopfer werden in Arlesheim behandelt. LOL.

Wie können wir nur so kreuzblöd und beharrlich sein und die Volksschule als eine der besten Errungenschaften der Zivilisation und als ein hohes gesellschaftliches Gut betrachten? Jede und jeder empfiehlt uns, 3rd auf eine Privatschule zu schicken und damit Zustände zu schaffen, die aus Amerika und England bekannt sind: Eine Gesellschaft, in der du gebildet (für die Privatschule) oder ungebildet (für das, was sich Volksschule nennt) geboren wirst und bleibst.

Ich bin sicher, das kommt vielen entgegen. Die wollen überhaupt keine Gastarbeiterkinder, die sich an die Uni durchlesen.

unser blog bleibt leer
die schule belastet zu sehr
hin und her, das ist nicht schwer
wir freuen uns aufs meer

… dazu hätte ich gerne etwas Schönes geschrieben, eventuell eine verdienstvolle Frau vorgestellt, wie die Pauline Zimmerli-Bäuerlin oder meine Mutter, aber nun ist der Tag bald vorbei.
Die 83jährige Magd, genannt „Fräulein“, putzt gerade die Messingklinken im Herrenhaus, bis sie schön glänzen. Vorher hatte sie ihrer Herrin auch einen neuen Knopf an den Ledermantel genäht und die hauchdünnen Tassen abgewaschen. „Frauentag, was soll das Neumodisches sein?“
Heute ist, nach vielen Monaten Warten auf eine Antwort, mein neuer grosser Bildschirm von meiner Vorgesetzten, Frauenstimmrechtskämpferin der ersten Stunde, – schwupsdiwups – genehmigt worden, nachdem ein Mann die Anfrage vorgebracht hat!
Ich möchte, unbescheiden, jeden Tag einen Frauentag …

Der Siegrist hatte den in der Nacht gefallenen Schnee sauber weggeputzt, denn heute wurden mehr PredigtbesucherInnen erwartet, als gewöhnlich, fand doch der Gemeinschaftsgottesdienst für drei Gemeinden in der Martinskirche statt.
Dazu waren zwei Taufen angesagt, eine Schulklasse sollte Bibeltexte lesen und der Jodlerchor „Alpenrösli“, gestandene Mannen in Halbleinen und gestärkter Hemdsbrüsten, war bereit, der Predigt einen Farbtupfer aufzusetzen. Mit dabei waren auch 4 Bänke ehemaliger Schülerinnen und Schüler der Kofirmationsklasse Jahrgang 1944.
Der Pfarrer in weissem Talar mit etwas engendem Stehkragen trug eine Kette mit Kreuz auf der Brust. Kerzen brannten und der Aprilglockenstrauss gaukelte Frühling vor. Ein grosses Kreuz, umwickelt mit einem violetten Tuch und dichten Efeuranken schmückte auch den Chor, während die Schulklasse unter den strengen Augen ihrer Lehrer im Seitenschiff mit den Füssen scharrte. Entgegen der Ankündigung im Amstsanzeiger gabs nur eine Taufe, denn der Vater des 2. Täuflings, so der Pfarrer, habe sich beim Carven das Bein verletzt. (Fragende Blicke in meine Richtung: „Was hat der Vater…??)
Einige Verse aus Johannes, dann unbekanntes Kirchenlied aus dem immer noch sehr neuen Buch. Der Organist durfte es, leider noch auf der alten Orgel, in der Wiederholung spielen, auf dass sich die Gemeinde endlich daran gewöhne. Anschliessend die Taufe des Mädchens Milena, welches ein Kränzchen aus Schneeglöcklein auf dem noch kahlen Köpfchen trug. Zum Glück hatte das folgende neue Tauflied eine altbekannte Melodie. Dann sang der Jodlerchor ein Lied über die schöne, längst vergangene Kinderzeit, liess die Fröschlein springen, die Meiselein Nestchen bauen, das Mütterlein sorgen und dem Herrgott danken. Wie ein Alpaufzug mit Treicheln und Glocken stieg der Jodel an den alten Mauern empor zu der getäferten Decke. Applaus bitte erst nach der Predigt!
Nun lasen zwei Schülerinnen das Gebet für die Kranken, die Hungernden, die Ungeliebten. Während die Gemeinde sich tapfer am Passionslied versuchte, surrte leise eine Leinwand von der Decke hernieder. Der Pfarrer hantierte am Projektor.
„Aha, er zeigt uns, wie die Menschen in Burkino Faso mit den vom Dorf gependeten Fahrrädern zurecht kommen“, dachte ich.
Nein, es wurde das Bild eines Wellensittichs, sitzend auf einem Gummibaum gezeigt. Der Pfarrer hatte das Gefieder des Vogels mit Filzstiften orange und die Blätter der Zimmerpflanze grün angemalt. Von der Kanzel herab hörten nun alle die symbolstarke Geschichte des Sittichs.
(Ich erstickte fast an einem zurückgehaltenen Lachkrampf):
Pfarrers hüteten diesen orangen Vogel während der Abwesenheit ihrer Nachbarn, fütterten und tränkten ihn nach bestem Wissen und Gewissen. Alles ging gut. Wochen später besuchte der Pfarrer den Vogel bei den Nachbarn. O Schreck, der Sittich sah mickrig aus, das leuchtende Orange war dahin! Er sei richtig lachsgrau gewesen, erzählte der Pfarrer. Nein, Pfarrers traf keine Schuld. Es sei die Mauser. Mit einer sorgfältig verabreichten Spezialnahrung kriege man dieses Orange schon wieder hin.
Auch die Kaninchen seines Vaters hätten vor der Chüngeliausstellung immer Spezialfutter erhalten, damit das Fell der Hasen bis zur Prämierung glänzend würde. Wie bei den Tieren seis auch bei den Menschen. Eine richtige gesunde abwechslungsreiche Ernährung sei wichtig. Das bestätigten auch die Ernährungsberater.
Nach dem gemeinsamen Vaterunser und einem Naturjodel gebe es dann Kaffee und Bräzeli, von den Frauen der Gemeinde gebacken.
Die allen wärmstens ans Herz gelegte Kollekte heute für Burkino Faso …
Das Gedränge um den alten Taufstein war gross. Die Jodler hielten ihn mit Kaffeetassen und Bräzelitellern besetzt, jodelten noch ein bisschen. Nein, Frauen würden keine aufgenommen im „Alpenrösli“. Sie seien alle verheiratet und – ha,ha, ha – müssten ab und zu ein bisschen unter sich sein. Aber als Passivmitglied,
Fr. 15.-/Jahr, sei „die Weiblichkeit“ ihnen willkommen, bekäme auch ein Gratislos fürs Waldfest im Sommer …

Migros

Im Oktober 2001 verbrachte ich drei Tage in dem Städtchen Viti, im Süden Kosovos. Dort sah ich die ersten und letzten frei lebenden unbewachten Serben. Es waren vier alte kleine Frauen. Ihre Säue auf offenem Feld überraschten mich, hatte ich doch in diesem Land kein Schwein gesehen. Auch die Schüsse von der nahe liegenden Grenze zu Mazedonien beängstigten mich. Ich wollte nicht dort bleiben, aber als ich die oder das MIGROS sah, wurde mir behaglicher.

*Grosse Mengen für wenig Geld

… die Vereinigten Freikirchen können sich, im Gegensatz zu der Reformierten Landeskirche über mangelden Zulauf nicht beklagen. Morgen z.B. ist Wurstsonntag. Am „Chueh-Brüggli“ in Thun, dort wo jedes Jahr die Werbeplane des Zirkus‘ Knie hängt, wirbt in diesen Tagen eine Wurst mit Flügelchen für das Event Beten – Singen – Lobpreisen – Tanzen – Essen. In einer der Selve-Hallen der stillgelegten schweizerischen Waffenschmiede, werden morgen die meist jungen Gläubigen aus nah und fern Gott preisen und Wurst essen, weil ihnen „der Himmel nicht Wurscht ist“.
Der Termin ist umsichtig gewählt, laufen doch heute bei Coop und Migros Cervelat-Aktionen: 10 Stück à Fr. 5.-
Ist dies nicht ein schönes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Wirtschaft?

Ein Rechtsberater, K. Affolter, informierte uns Studentinnen während sechs Vormittagen in Rechtsfragen für schulische Heilpädagogik.

Habt ihr gewusst, dass jemand, der ein Kind innerhalb von 3 Monaten mehr als 10 Tage à mindestens 4 Stunden hütet, einen Pflegevertrag braucht? Dieses Gesetz diene dem Wohle des Kindes. Es verhindere, dass eine schlampige Person sich kurz mal einen Nebenerwerb verdiene. Wer keinen habe, müsse erst verdächtigt werden, ein Kind zu missbrauchen oder zu vernachlässigen. Er werde nicht beim ersten Hinweis der Behörden bestraft, aber zu Hause besucht.

Ich behaupte, dieses Gesetz kennt kein Mensch in meinem Block.

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