Mai 2007


Muttersprache

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Mueter Släng

Es sind nun schon einige Wochen vergangen, seit ich ein neues Gesuch zur Übernahme der Krankenkosten für meinen Vater eingereicht habe. Das erste wurde durch die Ausgleichskasse abgelehnt, da ein Papier fehlte.
Heute habe ich die zuständige Sachbearbeiterin angerufen. Ich wollte wissen, ob die Unterlagen angekommen seien, ja sogar noch, ob dieses Mal nichts fehle. Natürlich hatte ich die Versicherungsnummer meines Vaters präsent.
Frau Röthlisberger teilte mir mutz mit, dass sie dazu keine Auskunft geben könne, da sie immer wieder Telefondienst habe und pro Tag bis zu 20 Telefongespräche à durchschnittlich 10 Minuten führen müsse. Das absorbiere sie völlig von ihren eigentlichen Aufgaben. Sie mache immer, das könne ich ihr glauben. Auch andere müssten warten. Sie werde sich nach und nach durch die Dossier-Berge arbeiten und ich käme eben dran, wenn ich dran sei, hexen könne sie nicht und mehr Leute würden nicht eingestellt.
Ausserdem hätte sie jetzt schon wieder ein Dossier bearbeiten können, wenn ich nicht angerufen hätte. Hoppla!
Habe ich Frau Röthlisberger verärgert? Wird sie zur Strafe unser Gesuch am Fusse des Papierberges vergraben? Manchmal sind die Betagten schon tot, wenn sie die Unterstützungsbeiträge endlich zugesprochen erhalten.
Zu diesem Telefongespräch habe ich mir Notizen gemacht und diese an die Gesundheits- und Fürsorgedirektion geschickt. Ich hoffe, dass die Leute dort besser zurecht kommen mit ihren Dossiers.

Niemand kann behaupten, dass in Bern neben den brennenden Themen wie Verkehr, Sparen, Umweltverschmutzung, Sparen, Kultur, Sparen, Fussball-EM, Sparen, Gassenküche, Sparen, Sauberkeit, Sparen, die Bären vergessen werden. Unser Wappentier ist schlecht untergebracht, tierunwürdig. Darin sind sich alle einig und wer gut zu Fuss ist, macht gerne Parteien übergreifend an einem Sponsorenlauf mit, um dem abzuhelfen. Aber die benötigten 10 Mio Franken für den Bärenpark sind nicht zu erlaufen, da greifen zum Glück Baufirmen, Versicherungen, Stiftungen tief in die Tasche. Eine Firma hat noch mehr getan und bereits einen jungen Braunbären in einem finnischen Zoo reserviert. Der wuschelige Kleine heisst Knud Losi, nach der Spenderfirma. Sorgfältig wird bereits nach einer geeigneten Partnerin für ihn gesucht, wie der „Bund“ vom Samstag berichtet.
Wir hoffen nun, dass sich der Finne wunschgemäss integriert, denn er wird so schnell wie möglich ein Berner Bär sein müssen!
Für den Park brauchts am 17. Juni noch eine Abstimmung. Da sich die Einwanderung von Finnland in die Schweiz in Grenzen hält, darf der zukünftige Stammvater Losi auf ein nettes Heim mit Umschwung hoffen.

So richtig jemand war eine Hausfrau in den Sechziger Jahren, wenn sie ein Service aus der Manufaktur „Rössler“ besass. Dieses währschafte Geschirr, heute ein Sammel- und Kultobjekt, gabs in verschiedenen Farben. Die Vornehmeren wählten meist Blau, die Bauern auf dem Land schworen auf Braun.
Als Meieli zu Walter auf den Hof zog, schenkten die Schwiegereltern der jungen Frau ein braunes Rössler. Die Jahre gingen dahin, in denen Meieli für ihre Familie und die Schwiegereltern den Tisch mindestens dreimal im Tag mit diesem unverwüstlichen Geschirr deckte. Neben der Arbeit hatte sie nicht viel zu sagen, rissen die Schwiegereltern doch auch die Erziehung der Enkel an sich. Walter liess nach langem Werweisen im oberen Stockwerk eine Küche für seine Eltern einrichten. Diese zogen, beleidigt bis zornig weg vom gemeinsamen Tisch.
Das Kafi-Geschirr von Rössler nahmen sie mit.
Nun sind die Schwiegereltern gestorben, die Enkel längst erwachsen und Meieli und Walter gesundheitlich angeschlagen.
Aber sie sind wieder vereint: Tassen, Kännchen, Schüsseln, Platten, Teller.
Nach siebenunddreissig Jahren öffnet Meieli den braunen Küchenschrank und schaut zufrieden auf sein braunes, unversehrtes Rössler – ohne Groll.

Unsere ganze Familie neigt zu dieser Rolle, was natürlich niemand zugegeben würde. Ausser meine Schwester vielleicht, die der albanischen Sippe in albanischer Sprache locker aus dem Kaffeesatz liest und dafür im hintersten Kosovo bei jung und alt breite Anerkennung findet. Aber wir anderen nennen es lieber Prognose oder Diagnose, schlimmstenfalls Hiobsbotschaft.

Jedenfalls hatte wieder einmal einer recht. Als das rentabelste Stück aus der guten alten Post herausgelöst wurde, ereiferte sich sogar der sonst eher kühle 2nd, male (also wenn, dann bei diesem Thema ). Entweder die trieben die Bieridee weiter und die Swisscom noch in den Ruin, worauf der Staat sie dann retten müsste, da er sonst selber ruiniert wäre oder aber die kämen zur Vernunft und machten die Sache rückgängig und die Quersubvention wieder möglich, weil sie dann umso nötiger würden, um die im Globalisierungswahn begangenen Fehler zu finanzieren. So die Prognose. Auch den schleichenden Hintertür-Protektionismus für Quasi-Monopolbetriebe der Staaten sah er in der Kristallkugel: „Mit staatstragenden Betrieben kannst du keine Experimente ännet der Grenze machen, punktum.“ Und so ähnlich scheint’s zu kommen: Frankreich gegen Italien, Spanien gegen Deutschland, ein protektionistisches EU-Theater.

Aber auch innerschweizerisch machen die Zick-Zack-Kurse rein dramaturgisch etwas her. So hat heute wieder einmal ein Kommentar in der Lokalzeitung unsere heimatliebenden Herzen erfreut. Merci, Hans Galli!

Einst gab es die gute alte PTT, liebevoll der gelbe Riese genannt. Sie war für Briefe, Pakete und für das Telefon zuständig. Von Letzterem gab es zuerst nur schwarze, dann auch graue.

Später wurde die Telecom PTT ausgegliedert. Vor knapp zehn Jahren ging sie als Swisscom an die Börse. Seither gibt es auch den blauen Riesen. Auch die Telefone sind längst farbig. Viele sind nicht einmal mehr ans Kupferkabel gebunden, sondern begleiten ihre Besitzer überallhin.

Das Ganze (in einfachen Worten erklärt).

Natürlich habe ich sofort nach dem „Bund“ eine „NZZ“ gejagt, weil die die Swisscom-Loslösung dazumal über allen Klee gelobt hatten. Und was schrieben sie heute? Von einer guten, unaufgeregten Entscheidung.

Einfach. Alles aus einer Hand.

Endlich. Das Rad erfunden.

Nun, solange die Umstrukturierungen in diesem Land richtige Komödien hergeben, können wir ja alle froh und dankbar sein.

Die Baustellen haben mich mehr gepackt, als ich dachte, denn sie verfolgen mich sogar bei meiner Arbeit. Schlage ich ein Buch auf, in welchem über den Bau oder Abriss von irgend etwas berichtet wird, muss ich wenigstens einen Abschnitt lesen. Hier ein Beispiel aus den Neujahrsblättern der Feuerwerker-Gesellschaft in Zürich. Es wird über den Bau an der Zürcher Stadtbefestigung vom 30. April 1642 berichtet.
Pfarrer Uetz hat eben sein Gebet gesprochen.
„… Dann stiegen die Mitglieder des Direktionsrates hinunter zu den Arbeitern und entledigten sich ihrer Mäntel. Fähnrich Werdmüller reichte jedem einen Pickel. Statthalter Rahn tat im Namen Gottes den ersten Streich. Die übrigen Mitglieder des Direktionsrates folgten der Reihe nach seinem Beispiel. Als sie die Werkzeuge wieder abgelegt hatten, wollte von den übrigen Ratsherren und Bürgern hohen und niederen Standes, jungen und alten, jeder der erste sein und auch durch etliche Streiche beweisen, dass ihm das Unternehmen wohlgefalle.
Inzwischen gingen die Werkleute an die Arbeit.“
Diesem Lese-Zwang muss ich unbedingt frau werden!

Der Teamleiter kauft in der stadtbekannten Bäckerei frische Gipfeli für die MitarbeiterInnen. Die Verkäuferin schichtet die noch warme Ware in Papiersäcke und packt noch drei Gipfeli gratis dazu:
„Sie werden beim Abkalten noch ein bisschen einfallen.“
Wer mit der Karte bezahlt, bekommt einen Apfel gratis. Die KundInnen-Freundlichkeit wird noch weiter getrieben: Sogar beim Kauf von nur einem Buttergipfel kann man die Karte zücken und bekommt den Apfel.
Es wird eine vergnügte Kaffee-Pause nach einer pünktlich beendeten Sitzung. Lachend stellen wir uns die Seiten langen Bankauszüge am Ende des Monats vor, nachdem wir jeden Tag unser Znüni, Fr. 1.60, mit der EC-Karte bezahlt haben.
Und erst die Körbe voll Gratis-Äpfel …!

Roter Block

Nach langer Zeit öffne ich wieder einmal die Zeichnungsmappen und -rollen meiner Kinder, (entsch … , ich gehöre zu den „Archivarinnen“ unter den Müttern.)
Für blogk nehme ich diese Bilder heraus, da Blöcke auf Kinderzeichnungen nicht oft vorkommen. Sonst gäbe es sicher eine Dissertation darüber.
Für eine Vierjährige scheint das Zeichnen ihres Hauses mit 13 Stockwerken, Fenstern von mehr als 200 Wohnungen und einem 47 Meter hohen Kamin kein Problem zu sein 😉

Blockkinder

Mit fünf Jahren hat man viele Freunde, die einem von den Balkonen aus zu lächeln. Die Feuertreppe wird nicht vergessen. Schlägt die Malerin neben einem begrünten Dach auch noch ein Klettergerüst vor?
Begrünung ist 1984 ein grosses Thema und der Anfang von einer wilden Rebe am Hochkamin, die sich noch heute daran empor rankt.

Block im Winter

Das Kind kommt aus dem Kindergarten nach Hause. Ist es ein kalter Wintertag und muss geheizt werden?
Mitte der Achziger Jahre ziehen viele Familien aus der Stadt aufs Land, finden das Landleben, meist in einem Stöckli mit Gärtli gesünder für die Kinder.
Im Block näht man Vorhänge und häkelt Spitzen, isst bei jedem Wetter draussen, strickt für den Steiner-Schule-Bazar Schafwollenes und demonstriert „Natur auch im Block“.

Block mit Liane

Die Kinder malen Peace-Zeichen und Regenbogen auf Turnschuhe und Schulhefte – auf alles, stricken während des Unterrichts heimlich unter dem Pult meterlange bunte Schals mit Fransen und nähen tibetische Glöckchen dran.
Auch der Block wird, wenigstens auf dem Papier, zu einem Ort des Friedens. Da alle Beteiligten furchtlose KlettererInnen sind, besucht man die Freunde per Liane.

Ehrlich gesagt, das Wort kam mir gestern nicht in den Sinn und ich musste bei LEO nachschauen. Der Professorin aus Südafrika erklärten wir die beinahe leere Instituts-Bibliothek mit einem morgigen „christlichen Feiertag“.
Vor der geschlossenen Hauptpost standen die Leute, schauten ratlos auf ihre Uhren und gingen dann unverrichteter Dinge davon, hühnerten über den „umstrukturierten“ Bubenbergplatz, ein bisschen vor dem Schlimmsten bewahrt von zwei älteren Securitas-Mannen. Beim Orangen Riesen im Bahnhof herrschte ein unglaubliches Gedränge, welches scharf im Auge behalten wurde von einem weiteren Securitas-Wächter, dieser jung und cool. Ich wurde in die Käseabteilung Richtung Babyfood an Gummihandschuhen, Geschenkpapier und Badezusatz vorbei geschoben, und so sah dann mein Einkauf für Auffahrt auch ein bisschen befremdend aus: Parmesan, Kräuterstreichkäse, Bananenpfirsichmus für Kleinesmädchen, grüne Gummihandschuhe, Kneipp-Mandelhandcreme und Kneipp-Rosmarinbadezusatz und ein Doppelpack Glühbirnen.
Nun ist die diesjährige Auffahrt auch vorbei, ziemlich käsig, mit ununterbrochenem Regen, aber ohne Baulärm und einem – jupii – zu Ende gelesenen Buch!

Unvergesslich bleibt mir eine Schülerin, die immer dann lachte, wenn jemand den Finger einklemmte, das Knie aufschürfte, mit dem Fahrrad stürzte oder die Treppe hinunter fiel. Vor Lachen weinte sie dann dicke Tränen.
Nun schreibt mir ein guter Freund aus Deutschland, dass er, seit er das Chanson „Alpenflug“ von Mani Matter kenne, immer lächeln müsse, wenn er von einem Flugzeugabsturz höre. Ob das schlimm sei?

Ich war ein bergfremdes Stadtkind und ungefähr acht Jahre alt, als mich mein Vater mitten im Gebirge sitzen gelassen hat, weil ich vor dem schmalen Weg und dem tiefen Abgrund Angst hatte. Verzweifelt und verweint hat mich nach einer Ewigkeit ein fremdes Wanderpaar aufgegabelt. Eines von vielen Beispielen, über das diskutiert werden könnte, ob ein solches Verhalten, abnormal, gestört oder arschlochig genannt werden könnte.
In eben diesem Zusammenhang wurde ich heute noch gefragt, ob ich denn meine, eine bessere Mutter zu sein. Hier die Antwort: Ich bin Mutter. Mein Vater ist kein Vater.

„Die Fliegen sind mager, sind nur noch zwei Fecken“, meint Vater. An eine Fliegen-, Wespen- und Mückenplage nach dem aussergewöhnlich milden Winter will er nicht glauben. Zwar würden weit mehr Eier gelegt als in anderen Jahren. Das bringe die Plaggeister aber so in Stress, dass die Brut schwächlich ausfalle.
Hätte ich bei meinem letzten Besuch im Elch-Haus doch dem Mainstream folgen, in den tiefen Kontainer tauchen und mir die letzten drei Speiseschutzgitter schnappen sollen?
Es könnte ja sein, dass es die „schwächliche Brut“ mit knapper Not bis auf meine Schüsseln schafft und darin, zu Tode ermattet, die mickrigen Fecken (Flügel) streckt.

�berlebt

Heute finde ich alles hässlich, sogar die Leute im 14er gehen mir auf die Nerven. Die Blondinen mit den Blechschnallen im Haar, die Männer in den Trainingsanzügen, welche die Gratiszeitung lesen, die Rentnerinnen in ihren Gesundheitsschuhen und zopfigen Strickjacken, eine trägt einen Strohhut mit Vögeln und Blumen, die Krücken, Plastiktaschen, Kinderwagen – und ich gehöre auch dazu. Grauenhaft! Ich steige aus und beschliesse, zwischen den Baugruben, Gräben, Schutthaufen, Absperrungen, Umleitungen, Gerätekontainern etwas Schönes zu suchen. Ich habe das Gefühl, sonst verrückt zu werden.
Einige Rosenstöcke neben dem Fussweg zu meinem Quartier wurden von der Baggerschaufel verschont – schön. Die Blüten duften. Auf dem Weg hat jemand mit blauer Farbe „SCHWEIZ ARSCHLOG“, „TAMIL ARSCHLOG“ und „SEX“ gesprayt. Unter einem Baum sitzt eine alte Frau mit Kopftuch und langem Mantel und bewacht einige Kartonschachteln. Neben meinem Eingang hängt ein neues Plakat:
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Bern am Nachmittag

ökologisch, hilfsbereit und …

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Seit Wochen hatte ich die Mazedonierin nicht mehr gesehen. Ich wusste nur, dass sie Zwillinge erwartet. Eigentlich war ich ein bisschen froh, dass ich sie nicht mehr traf, denn ihre Situation und dass sie keinen meiner Ratschläge befolgte, belastete mich tief. Doch plötzlich kamen Ängste auf, sie läge tot in ihrer Einzimmerwohnung. Deshalb erkundigte sich mein Mann unauffällig bei ihrem Mann und teilte mir zuhause mit, er habe sie nach Mazedonien geschickt.

Jetzt ist sie wieder zurück. In ihrem Bauch liegt allerdings nur noch ein Kind. Das andere habe sie in Mazedonien wegmachen lassen. Rausnehmen? Im sechsten Monat? Leider sei es garade der Knabe gewesen, aber das sei jetzt auch egal. Hauptsache, das Kind komme in der Schweiz auf die Welt, damit sie ihren Mann endlich verlassen könne, ohne selber ausgewiesen zu werden. Am Liebsten hätte ich ihr vor die Füsse gekotzt.

Vater nennt sie „Schwiegersöhne“, die Lebenspartner seiner Grosstöchter. (Die Männer seiner Töchter haben sich alle drei auf die eine oder andere Weise verflüchtigt.) Gestern sind die Jungen gekommen, um die Baumstämme für den nächsten Winter zu zersägen und zu spalten.
Mit Tränen in den Augen meinte Vater: „Arbeiten lernen ist nichts gegen das Lernen, nicht mehr arbeiten zu können.“ Vor zwei Wochen hatte er die Säge zur Hand genommen, brach aber nach dem ersten Schnitt durch den knorrigen Stamm kraftlos zusammen. Bis zu seinem vierundneunzigsten Lebensjahr machte er aus den dicksten Stämmen handliches Brennholz. Schweren Herzens, mit bald sechsundneunzig Jahren, hat er gestern diese geliebte Arbeit weiter gegeben. Alle Werkzeuge waren bestens im Schuss, Schwiegersöhne und Enkelin mit Freuden dabei, hinterliessen alles sauber und ordentlich.
Meine Schwester Rosy kümmerte sich um das Zvieri mit Brot und Hobelkäse. Kleinesmädchen strahlte seinen Urgrossvater an, der sich gefasst hatte und bereit war, ein bisschen über Weitergeben und Freude zu sprechen, dass die Jungen von ihm etwas gelernt haben.

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In jeder Familie gibt es Geschichten, welche, zum völligen Überdruss bei den Kindern, von Eltern immer und immer wieder erzählt werden. Ich bin da keine Ausnahme. Die von den Frigöörli habe ich während Jahren hundert Mal „gebracht“.
Wie die erste und zweite Klasse vor dem Klettergerüst in Viererreihe steht und auf „Los“ sich je vier Kinder auf die schrägen Stangen stürzen. Hurtig klettern sie hinauf, berühren das Ende wo sich gerade und schräge treffen, sausen wieder hinunter, lassen sich in die Sandkuhle plumpsen. Das schnellste Kind bekommt ein Frigor-Schöggeli aus der roten Schachtel, welche die Lehrerin Fräulein Schneider zum Geburtstag erhalten hat. Es ist 1953, und ich habe so etwas herziges, wie diese kleine Schokolade noch nie gesehen. Ein Blick auf meine KonkurrentInnen gibt mir Hoffnung, muss ich doch nur gegen zwei anklettern. Meine Schwester in derselben Gruppe habe ich nicht zu fürchten.
Los – hinauf – hinunter. Die Waden brennen. An der Stange hängt meine hübsche Schwester, klammert sich daran fest. Ihre langen blonden Zöpfe und ihre Schürze berühren den Sand. Ihr Gesicht ist rot vor Anstrengung. Ich marschiere zur Lehrerin, um meinen Preis entgegen zu nehmen. Halte ich schon die Hand ausgestreckt?
Fräulein Schneider geht an mir vorbei, hin zu dem Kind, welches wie ein Faultier an der Stange hängt, hilft ihm, wieder sicheren Tritt zu fassen und gibt ihm das Frigöörli, welches eigentlich mir gehört. „Für dich wars kein Problem, hinauf zu klettern, aber für Hanneli wars eine grosse Leistung, so lange hängen zu bleiben. Deshalb gehört ihr der Preis. Los, die Nächsten!“
Klar habe ich im Laufe der Jahre unzählige rote Schachteln mit quadratischen Schokoladetäfelchen erhalten, auf dass sich meine masslose Enttäuschung endlich verflüchtige. Mit Erfolg, denn ich möchte heute keine Frigor-Schoggi mehr, und diese Geschichte habe ich hier zum letzten Mal erzählt.

Die ersten vier Jahre nach dem Krieg hat in der Heimat meines Mannes niemand eine Rechnung für die Elektrizität bezahlt. Der Strom wurde an der Hauptleitung abgezapft und in Haus, Stall und Hof gezogen. Erst jetzt wurde den einzelnen Familien für diese Zeit Rechnung gestellt: 1000 Euro. Woher nehmen, wenn viel dringender ein neuer Generator gekauft werden müsste? Wenigstens tragen ab dem Eindunkeln alle Hausfrauen ein Feuerzeug mit eingebautem Taschenlämpchen mit, was mich schon öfters nicht im Dunkeln hat tappen lassen.