Dezember 2007


StUB Ladenstrasse Krokus Hochzeitsvorhang
Feuerlilien Regenbogen Auf der Duene Am Meer
Aergernis Buchmesse Vaters Besen Licht ins Quartier

… und allen Blogk-Leserinnen und -lesern viel Gutes und Schönes für 2008!

„Hoffentlich kannst du dich zwischen Weihnachten und Neujahr ein bisschen entspannen“, wünschen mir viele liebe Menschen. Das tue ich, indem ich mich unter den Weihnachtsbaum lege. Es ist beruhigend, in das regelmässig ausladende Astwerk hinauf zu sehen, die Kugeln, Engel, Glocken und Zimtstängel von unten zu betrachten und den feinen Tannenduft einzuatmen. Ich prüfe dann auch den Wasserstand im Baumhalter. Heute habe ich darunter den Ferrari F50 von Kleinesmädchen gefunden und kam mir dann in dieser Rückenlage ein bisschen vor wie ein Automechaniker.

Die Spitzbuben lassen wir bei den Kränen

Guets Fescht 1

draussen. Die Meiländerli sind viereckig

Guets Fescht 2

dieses Jahr.

Guets Fescht 3

Den Kreis

Guets Fescht 4

und das Eck: mehr braucht es nicht.

Guets Fescht 5

Frohe Weihnachten!

Letztes Säcklein

Nach dem dritten Säcklein wusste Kleinesmädchen wies funktioniert und freute sich jeweils ungemein auf ihren Adventskalender, den sie von ihrer Tézja (Tante) bekommen hatte. Aufstehen, wickeln, frühstücken und danach rannte sie ab zum Kalender. War das Säcklein ausgewählt, setzte sich Kleinesmädchen immer in dieselbe Sofaecke, begann, das Schnürchen ab zu zerren und das Geschenklein heraus zu schütteln. Heute öffnete sie ihr letztes Säcklein. Morgen werden wir sie wohl mit ihren „hundert“ Weihnachtsgeschenken, die sie heute bekommt, ablenken müssen.
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Seitdem mein Nachbar pensioniert ist, hat er Zeit, jeden einzelnen Verbundstein auf seinem Balkon zweimal im Jahr zu schrubben. Nun befindet er sich in der Endphase und er hofft, bis zu Weihnachten mit der Arbeit fertig zu werden. Um den Termin einzuhalten, ist er auch nachts am Werken. Im Moment bearbeitet er eine dunkle Ecke, und das Einpassen der sauberen Steine muss quasi blindlings geschehen. Wenn er einen Stein fallen lässt, schreckt man aus dem Schlaf, hört aber anschliessend das beruhigende Kratzen seiner Scheuerbürste. Die Augen fallen einem wieder zu – der Block steht noch und wird erst noch gepflegt – Blockkultur.

Während des Jahres bleibt mein Quartier pressemässig ziemlich vergessen. Es kann sein, dass wir in einer Statistik zu Jugendarbeitslosigkeit/Sozialhilfe auftauchen oder die Webcam von Westside erfasst uns in ihrem Auge am Rande. Auch wenn Mister Libeskind einfliegt, um bei der Geburt seines ersten Einkaufszentrums kurz dabei zu sein, kommt der Block meistens mit aufs Bild.
Meine Arbeitskolleginnen und -kollegen nehmen in der Kaffeepause die Zeitung zur Hand und sagen: „Merci schön, da möchte ich nicht wohnen.“
Wenn ich dann mit der Bleistiftspitze auf den 13. Stock zeige, schauen sie mich ungläubig an.
Alles wird schlagartig anders in der Adventszeit. Man möchte in der Zeitung etwas Weihnächtliches bringen, das einem kurz das Herz erwärmt, etwas über Leute, die sich vertragen und welche trotz ihrer „fremden Kulturen“ die christlichen Feiertage so gestalten, dass eben das „Fremdeandere“ darin Platz hat. Beliebt bei den Zeitungsleuten sind Muslime, die Weihnachten feiern, sogar bei den Vorbereitungen zum Fest tatkräftig mithelfen wie den Stern über der Bäckerei aufzuhängen, den besten Weihnachtsbaum in der ganzen Stadt zu suchen, am Morgen früh aufzustehen, weil das Kind ungeduldig vor dem Adventstörchen wartet.
Der kluge Journalist macht sich früh im Dezember auf die Socken, um mit den Bewohnerinnen und Bewohnern im Quartier Kontakt aufzunehmen. Er zeigt nicht, dass er in Eile ist, hört sich auch Geschichten an, die er im Moment nicht braucht und schreibt dann etwas, das für alle verständlich ist.
Es gibt aber auch solche, die versuchen, kurz vor dem Fest „passende“ Familien zu finden, die sich zur persönlichen Gestaltung des Christfestes interviewen lassen (mit Foto). Der Erfolg ist gleich null, niemand will etwas sagen, auch die freundlichen Tamilien nicht.
Als mein Handy mit einer unbekannten Nummer klingelt und sich eine Frau in Hochdeutsch vorstellt, denke ich an eine Lotto-Gesellschft in Frankfurt. Zuerst frage ich nach, wie die Anruferin zu meiner Nummer kommt. Aha, das ist die Journalistin, welche mich besuchen möchte. Ich bin ihre letzte Hoffnung. Ja, sie darf kommen. Allerdings wird meine Familie um diese Tageszeit nur klein sein, da alle berufstätig sind, aber zur grossen Erleichterung der Zeitungsfrau sind wir ein bisschen gemischt, dank meinem Schwiegersohn mit den kosovarischen Wurzeln.

Wir holen Grossvaters letzte Zwiebeln von der Büni

Grossvaters letzte Zweibeln

und verteilen sie in der Familie.

Grossvaters letzte Zwiebeln verteilen

Ein jeder nimmt, was er braucht.

Der Präsident der SVP-Fraktion der eidgenössischen Räte, heute früh ungesund gelb im Gesicht, macht uns, dank seines Versprechers kein X für ein U vor: Zukunft wird Zukampft sein! Viel Glück der neuen Bundesrätin!

Sie fällt ganz locker zu Boden und hätte eigentlich auf dem regennassen Asphalt liegen bleiben mögen. Ein Mitarbeiter von Bernmobil fasst sie am Arm und hilft ihr auf die wackeligen Beine. „Gehts? Sind Sie verletzt? Haben Sie Schmerzen? Möchten Sie sich setzen?“ Die Frau dankt dem Mann in der orangen Jacke, schüttelt ihren linken Arm, dann auch den rechten, an welchem eine schwere Tasche hängt. Sie geht über den Platz, biegt ab in die Gasse und steigt, noch ein bisschen unsicher, die Treppe zu ihrem Büro hinauf. Dort sortiert sie die liegen gebliebene Arbeit der vergangenen Woche nach Prioritäten. Sie startet den Computer. Während sich die Programme entpacken, packt sie ihrerseits die Geranien und trägt diese in den Keller des Wirts.
Ihr scheint, als sei sie Jahre weg gewesen und sie ist erstaunt, dass ihr die Arbeit so leicht von der Hand geht.
Den Abend verbringt sie mit Freunden in einem schummrig beleuchteten Ristorante. Ein Kaminfeuer brennt, welches wie in alten Zeiten nur vorne wärmt und den Rücken kalt lässt. Die Kellnerin weist den Weg zum Tisch und warnt: „Achtung, Stufen, es sind vier!“ Zum Glück, denn in dieser Finsternuss wäre die Frau ohne Warnung bestimmt die Stufen hinunter ins historische Kutschenremise gefallen.
Nun wird ein schöner Wein geöffnet. Bis die Seezunge auf dem Lauchbett serviert wird, erzählt ihr ein Freund den Film von der ägyptischen Polizeikappelle, die unfreiwillig in einem israelischen Kaff strandet – Bikur hatizmoret – wunderbar!
Sie trinkt noch ein Glas Wein und wartet darauf, dass Zorro sich endlich am Kronleuchter durch den Saal schwingt und mit dem Degen den venezianischen Vorhang oder die Ölgemälde – ZZZZ – aufschlitzt.
Endlich ist auch die Seezunge auf ihrem Bett und in Begleitung von Ofenkartöffelchen da – vorne warm und hinten kalt.
Gegen Mitternacht begleiten fürsorgliche Freunde sie ein Stück im Bus. In einer scharfen Kurve rutscht sie vom Sitz zu Boden – ganz locker – und könnte dort einschlafen. Das erlauben die Begleiter nicht. Sie muss sich wieder hinsetzen und am Griff, der in der Buswand eingelassen ist, festhalten.
„Leat, leat“, ermahnt sie sich auf dem Heimweg durch den düsteren Tunnel hin zu ihrem Block, den israelischen Film noch im Kopf.
Zu Hause angekommen, packt sie die Tasche aus und weiss, das Leben geht weiter, denn wozu hätte sie sonst die 13 Paar schwarzen Strümpfe und die drei neuen Bücher gekauft?

Verbunden 6

Danke für die vielen Nachrichten in allen Formen und aus aller Welt.
Danke für die Besuche der Beerdigung – sie war genau richtig.

Lebenslauf Jakob.

Johanna und Jakob

Umgeben von der Familie und lieben Freunden hat nun auch Vater
heute diese Erde verlassen – in aller Frühe, wie er über
neunzig Jahre lang sein Tagwerk begonnen hatte.

Seit dem letzten Beitrag sehe ich mein Zuhause tatsächlich mit anderen kritischeren Augen.
Ich spaziere mit Kleinesmädchen am Rande des Quartiers vor dem historischen Bauerngut. Auf der Bank nahe der alten Eichen, unter welchen Napoleon vor 210 Jahren Rast gehalten hatte, sitzen zwei junge Männer und kiffen. Aus dem etwas ramponierten Herrenhaus tritt der Dichter, der das alte Gemäuer seit Jahren bewohnt. Wie immer schwarz gewandet, beugt er sich über die Buchsumrandung des Berner Lustgartens und – spuckt einen scharfen Strahl in die Beete.
Mir ist sofort klar: spucken kann er um vieles besser als schreiben. Seinem geschriebenen Wort fehlt der Speuz.
Kleinesmädchen kümmert das nicht. Es lacht, beinlet elephantenbeschuht den Hang hinunter und verliert dabei die gesammelten Eicheln in seinen Fäustchen.

Warum gibt es so viele Männer, die sich nicht genieren, den öffentlichen Raum mit Spucke zu bekleckern?