Dezember 2009


Nach dem Familienfest liegt die Lupe auf der Waschpulverbox, die Linkshänderschere bei den Fingerringen, eine Elvis-CD auf der Schachtel mit den Fotoklebern. Die Lego-Räder sind in Winterstiefeln versteckt und der Schuhlöffel hängt an der Tür zur Bibliothek. Die Dose mit der Schnur steht bei den Pfannen, ebenfalls diejenige mit den Bleistiften und Kugelschreibern, der Balsam-Stift gegen rissige Haut neben dem Etymologischen Wörterbuch, die Flasche mit der Bügelhilfe vor „Frauen bauen Staat“ und der Wäschekorb unter der Küchenbank. Nur der Flaschenöffner, sonst immer mühsam gesucht, befindet sich in seiner Schachtel im Besteckfach, was auch schon beinahe „verloren“ bedeutet.

„Also es ist schon eine wunderliche Welt,
in ders von Eseln abhängt,
ob der Heiland am Leben bleibt“,

sagt die Eselin Hephzibah in:
Die Flucht nach Ägypten von Thornton Wilder

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Einheimisch

Nach überfüllten Geschäften und Gassen findet man hier im Forsthaus Bern ein angenehm ruhiges Plätzchen und erst noch den richtigen und ohne chemische Mittel behandelten Weihnachtsbaum.

Tannenbaum

Freundliche Beratung durch die Forstarbeiter und Anpassen des Stammes an den persönlichen Christbaumständer inklusive. Merci vielmal!

Eben habe ich den fragilen Nüsslisalt ans Ende meiner Einkäufe, Schweres vorne – Leichtes hinten, auf das Rollband gelegt, als „Die Kasse“ aussteigt. Sie mag keine Strichcodes mehr lesen und keine Beträge von Bankomatkarten mehr abbuchen. „Sie ist überfordert“, erklärt mir die Kassierin. Im Nu ist eine Fachfrau da, sichert die Daten und leitet einen Neustart ein, der „leider ein bisschen dauern wird“.
Wie schaffe ich es bloss, immer an Kassen anzustehen, bei denen dann irgenwelche Papierrollen ersetzt, Kleingeld oder Noten nachgefüllt werden müssen? Manchmal fehlt an Früchten oder Gemüse ein Preis, dann eilt die Kassierin damit zur Waage. Oder es wird eine Zwischenabrechnung gemacht, damit nicht zuviel Geld in den Kassen liegt.
Heute warte ich geduldig. „Ich kann nichts dafür“, sagt die Frau an der Kasse. Klar, denn inzwischen wissen wir, dass Frauen nicht an allem Schuld sind. Nun klingelt das Telefon. Die Supporterin fragt nach dem Stand der Dinge. Endlich hat sich „Die Kasse“ wieder erholt und bipbipbipbip geht’s weiter.
„Adieumerci, schöne Festtage!“ „Danke gleichfalls, uf Widerluege.“
Beim „Kundendienst“ reicht mir die Supporterin durch die Reihe der Kunden hindurch eine Tafel Schokolade und drei gelbe Rosen, sozusagen ein Sofortgewinn für meine Geduld.
Das finde ich erfreulich, denn meist habe ich keine Ahnung, wie sich meine sprichwörtliche Engelsgeduld letzten Endes auszahlt.

Sein Vorgänger hat den neuen Hauswart als „Papiirlischwyzer“ beschimpft, ihn wegen seiner Herkunft beleidigt, ihm Zettel mit „deutsche Sprach, schwere Sprach“ zukommen lassen, das Treppenhaus extra verschmutzt, absichtlich Abfall verteilt, die Bewohnerinnen und Bewohner aufgehetzt, eine Petition zu seiner Entlassung vom Zaun gerissen, eine Umfrage durch die Verwaltung erpresst. Nur weil unsere Familien daran gewöhnt sind, unwillkommen zu sein, weil Flucht, Verdingung und Verstossenwerden seit Generationen zur Geschichte gehören, hatten meine Schwester, ihr Mann und die Kinder das nötige Rüstzeug um durchzuhalten und diesen Kampf innerhalb von drei Jahren für sich zu entscheiden. Jetzt gibt es meines Wissens keinen einzigen Blockbewohner mehr, der sich den alten Hauswart zurück wünscht.

Nun ist er sowieso tot, der Ehemalige. Der aktuelle Hauswart, 2nd2nd, male, war erstaunlicherweise an die Beerdingung eingeladen. In seinem schönsten Anzug ist er hingegangen. Und hat dabei einen weihnachtlich-christlich-versöhnlichen Eindruck hinterlassen, was von der Verwandtschaft und besonders von der Witwe aufs Herzlichste verdankt worden ist. Letztere entblödete sich vorher nie, lauthals Rassenmerkmale an Albanern auszumachen, das gehörte in ihr Standartrepetoire „die-sollen-doch-heim-die-passen-mit-ihren-Grinden-doch-nicht-hierhin“. Aber wie es so geht im Leben besonders dummer Menschen: Hass und Selbsthass, Ab- und Zuneigung liegen nahe beieinander. Die Ex-Hauswartin ist heute sichtlich erleichtert, den Ex-Hauswart los zu sein und ihrer Affäre mit einem albanischen Familienvater viel ungestörter nachgehen zu können.

Heute hätte ich das alte Brot in die Sammelstelle (für die Tiere des quartiereigenen Tierparks) bringen sollen. Ich liess auf dem Weg dahin den ehrbaren, vor Gezeiten genähten Sack aus der familiären Erbmasse urgrossmütterlicherseits kurz unbeobachtet stehen.

Als ich einen Moment später zurückkam, hatten sich drei Leute, eine ältere Frau und zwei sehr alte Männer, darum versammelt. Ich blieb in einiger Entfernung stehen und hörte, wie die beiden Männer rätselten, wer wohl diesen Sack hier stehen liesse und was sich darin befinde. „Das ist sicher eine Bombe!“ meinte die Frau todernst. Aber die Neugier der betagten Herren siegte über die Furcht vor dem hinterlistigen, feindlich gesinnten Nachbarn. Wie zwei kleine Schuljungen, die gerade einen Streich aushecken, schauten sie sich nach allen Seiten um. „Ich gehe dann mal“ meinte die Frau ängstlich, immer noch vermutend, in dem Sack befinde sich garantiert eine Bombe. Ich kam nicht auf die Idee, die beiden alten Leute aufzuklären, dass das meine Tasche sei. Da sie eine unglaubliche Euphorie an den Tag bzw. Sack legten, schien es mir, das sei mindestens die Attraktion des Tages für sie, wenn nicht gar der Woche. Da wollte ich ihnen diese Freude natürlich nicht nehmen. Endlich fasste sich der eine ein Herz und öffnete die Brottasche. „Das si ja Chrümi!“ rief er laut, „di ganzi Täsche vou Chrümi! “

„Aber wer lässt denn eine Tasche voll mit altem Brot hier einfach so liegen?!“ empörte sich der Andere. Ich, immer noch hinter den beiden stehend, fühlte mich irgendwie ertappt und ging mit schnellen Schritten an ihnen vorbei und raus aus dem Ladenzentrum. Ich sah sie durch die Schiebetüre noch lange über die uralte Tasche mit dem steinalten Brot reden, diskutieren und darüber philosopieren, woher es wohl stamme und was jetzt damit zu tun sei. Ich liess sie mit dem Behältnis alleine und ging nach Hause, wo ich erst erfuhr, dass dieser Sack wohl durch tausende Hände gegangen, aus einem Küchenschurz genäht war und Generationen überdauert hatte. Er ist bei diesen beiden Alten in besten Händen.

Der Gärtner hatte einen Adventskranz gross wie ein Wagenrad gebunden und ihn zusammen mit einem der älteren Buben im „Spyssaal“ an die Decke gehängt. Beim Nachtessen an den Adventsonntagen durfte einer der kleinen Zöglinge dann die Kerzen anzünden. Dazu wurde der Auserwählte vom Heimleiter, von allen „Vater“ genannt, zum Kranz empor gehoben.

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Von meinem Schreibtisch im 16. Stock sehe ich auf die unterschiedlichsten Kirchtürme.
Zwei Minuten vor der vollen Stunde spielt der sterngekrönte Glockenturm im Quartier seine Melodie. Jetzt, in der Adventszeit sind es alte Weihnachtslieder: „Kommet ihr Hirten“, „Lasst uns froh uns froh und munter sein“. Letzte Woche gab’s auch ein paar Takte Schneewalzer. Dann, zur vollen Stunde, läuten links von meinem Block die Glocken der reformierten und rechts die der katholischen Kirche. Auch das Glockengeläute der Friedenskirche auf dem Vejelihubel und dasjenige der Kirche im benachbarten Quartier sind zu hören. Unverwechselbar und in weiterer Ferne, das tiefe und volle Läuten der Münsterglocken.
Aussergewöhnlich ist heute das Glockenläuten um 15:00 Uhr. Einige Berner Kirchen, darunter auch die zu meiner Linken, halten sich nicht an die Empfehlungen des allmächtigen Synoldalrats und beteiligen sich im Zusammenhang mit der Uno-Klimakonferenz am „Weckruf zur Erhaltung der Welt„.
Der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn findet das Läuten der Glocken zwar eines der ältesten und stärksten Kommunikationsmittel, es sollte gerade deshalb mit grösster Zurückhaltung eingesetzt werden, um seine Kraft und Bedeutung nicht zu verlieren. Ja zum Läuten bei Katastrophen wie Krieg, Brand und Überschwemmung, aber nicht bei einer Klimakonferenz. Schliesslich werde für ökumenische und Friedens-Konferenzen auch nicht geläutet. Voilà!
Letzte Woche fragte mich ein Arbeitkollege, welcher mit einer Pfarrerin verheitratet ist, was meiner Meinugung nach die Kirche in der heutigen Welt noch tun könne. Ich sage: sich nicht ständig zurückhalten, läuten lassen!

Anspruchsvoller Feinschmecker
Aus der Werbung:
Einzigartige Auswahl – wahrlich köstliche Leckerbissen – entzücken anspruchsvolle Feinschmecker – traditionelle Rezepte – elegante Varietäten – jeder Bissen ein wahrhaftes Geschmackserlebnis – Genuss, dem katz man nicht widerstehen kann.

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Aus dem Tagungsbericht der Diözesan-Baumeister und Baureferenten
vom 24. – 27.05.1972 in Mainz:

„In vielen Kirchen kommt es zu Schwitzwasserbildung, besonders bei starkem Kirchenbesuch.
Diese Feuchtigkeit zerstört Anstrich, Putz und Wandgemälde und führt zu Schimmelbildung. Ausserdem quillt und verzieht sich das Holzwerk an Einrichtungsgegenständen und Orgel … “

Hausmeisterhilfe

Vielleicht ist es völlig normal, dass man einen so guten Schwager kriegt, wie ich ihn habe. Zum Beispiel putzte er uns heute sämtliche Fenster, nahm mir damit eine grosse vorweihnächtliche Haushaltbürde ab und brachte erst noch bis zum letzten Lappen alles selber mit. (Aber das ist lange nicht das Einzige. Mir erscheint vieles, was er hier leistet, aussergewöhnlich.)

1995 lernte ich an einem Apéro den Partyteller mit integrierter Halterung fürs Glas kennen. Das war eine Supererfindung, hatte man doch vorher für Häppchen an Zahnstochern, Serviette, Getränk, Zigarette und Handschütteln mindestens drei Hände zuwenig.
Auch ohne Zigarette habe ich heute noch Mühe, mich bei einem Apéro oder an einem Buffet wohl zu fühlen und schaue darauf, dass ich nicht mit leerem Magen komme. Selbst als gewöhliche Mitarbeiterin hat man in den letzten Wochen vor Weihnachten die Qual der Wahl. Ich war an einem sogenannten „Lieferanten-Apéro“ eines schweizerischen Unternehmens. Da kamen die Spediteure, die Magaziner, die Leute von der Gebäudereinigung, das Bibliotheksteam, die Haustechniker. Es gab Dank und Lob aus der Chefetage, Züpfe, Aprikosen in Speck, Käse und Wein aus dem Wallis. Dann war ich zum Jubiläumsapéro in meinem Betrieb eingeladen mit Dank von der Direktorin und Häppchenplatten vom Orangen Riesen. Die Jubilierenden erhielten als Geschenk 1 Flasche Wein aus der Münsterkellerei.
Am vergangenen Mittwoch gabs ein Abschieds-Apéro einer langjährigen Instituts-Mitarbeiterin. Neben Brot, Wurst, Käse und Wein aus dem Tessin wurde eine währschafte Kürbissuppe gereicht. Dann kam gleich am nächsten Tag das Personalessen mit Dank von der Direktorin, asiatischem Buffet, ersten Weihnachtsgüezi, russischer Musik und Wein vom Bielersee. Das Abteilungsessen im Kornhauskeller habe ich abgesagt, denn ich war schon am Büro-Essen im „Mönch“. Das traditionelle Raclette-Essen meiner Berufsgruppe findet dann erst im Januar statt. Weil das noch ein bisschen dauert, trifft man sich nach der Sitzung zum gemeinsamen Mittagessen im „Habicht“.
Zu Winterspeck kommt man eigentlich ganz einfach. Schwieriger wirds mit dem anschliessend geplanten Winterschlaf.

Was man immer zu kaufen vergisst

Scho ewig lang hani ds Plastiksibli i mim Abwäschtrog wölle ersetze. Aber weni imene Lade bi gsy, hanis de gäng vergässe. Im mym erste Adväntsseckli chunts itz füre, das gäbigere Sibli, u i mues nümm dra dänke, u ds Wasser louft wider besser ab.
I erinnere mi, das mi Mueter u mi Vater vil vo settige Fröideli ghalte hei. „Freude“ si nid drinn gläge, aber äbe „Fröideli“. Wes drzue nid glängt het, hei si halt öpperem es „chlys Fröideli“ gmacht.