Januar 2010


Baumwolle

Heute den ganzen Tag ein hebbelsches Schneien vor den Fenstern. Rechnungen bezahlt, Jacken gewaschen, Sommerferien endlich gebucht, liegen gebliebene Zeitungen gelesen, eine Mütze für Kleinesmädchen gestrickt und endlich wieder einmal Blogk aufgemacht.
Dabei über den Sauseschritt sinniert, in welchem die Zeit eilt.

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An der Haltestelle warten Drittklässler (und Drittklässlerinnen) mit ihrer Lehrerin auf den Bus. Es geht auf die Eisbahn mit Schlittschuhen und Picknick.
Lehrerin in Hochdeutsch: „Ich erwarte von euch allen, dass ihr die Busfahrerinnen und Busfahrer nicht stört. Auch nicht die Busgäste und Busgästinnen. Und niemand soll meinen, er könne den Lärmpegel hinauf schleudern.
So, Giele chömet, alle hinten einsteigen! Hassan, ohne Schnee!“
Hassan: „Ich habe meine Limousine vergessen.“
Lehrerin: „Die Limousine??“
Ich weiss natürlich, dass Hassan gerne Bus fährt und sich ärgert, dass er die Limonade vergessen hat. In unserer Familie gibt es seit einiger Zeit die Lippentomate und die Hungerhöschen.

Bibliothek im Aufbau
Foto: La pharmacienne sans frontières

Das ist die Buchhandlung der südsudanesischen Hauptstadt Dschuba. Geschlossen ist sie nur sonntags. Sie bietet „school supplies“ und „office equipment“ an. Aber meist gibt es nur die Zeitungen und Zeitschriften, welche von den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen nicht mehr gebraucht werden. Die besseren Strassen der Stadt sind mit Petflaschen belegt, eine sinnvolle Wiederverwertung und nützlich gegen Staub und Schlamm.
Bis vor einigen Wochen wusste ich nicht, dass es Dschuba (Juba) überhaupt gibt. Dann begegnete ich einer Apothekerin, welche ein Hilfsprojekt der Apotheker ohne Grenzen begleitet: der Hauch eines Tröpfchens auf einen heissen Stein, aber für zahlreiche Menschen zwischen Krankheit und Krieg, den es auf dem Papier seit 2005 nicht mehr gibt, ein Hoffnungsschimmer.
10 Hebammen auf 8 Mio Menschen und 1 Lehrer auf 1000 Kinder – so etwas können wir uns nicht vorstellen.
Aber jemand hat einen Bookshop eröffnet und die Tür mit leuchtendem Blau bemalt. Ein Hoffnungsschimmer?
Über Dschuba wird im TV längst nicht mehr berichtet, denn immer neue Länder, Menschen und deren Geschichte müssen uns anhand von noch grösseren Katastrophen erklärt werden.

In meiner Gasse wurde die Weihnachtsbeleuchtung noch nicht abmontiert. Vor einigen Jahren hatten sie sogar vergessen, die Grotzli aus den Fahnenhalterungen zu entfernen. Ende April erkundigte ich mich dann bei der Stadtverwaltung, ob für den GP im Mai die Tannenbäume an Stelle der sonst üblichen Zunftflaggen stehen gelassen würden. Sie kamen dann blitzartig mit ihrer Leiter und holten das Brennholz von den Sandsteinfassaden.
Abmontiert wird heute die Stempeluhr in unserem Büro. Das gusseiserne Monstrum hinterlässt eine imposante Schmutzspur an der hellen Wand. Ich habe beim Vizedirektor einen Neuanstrich des 4 Quadratmeter grossen Wändchens beantragt. Da der Kanton wieder einmal am Sparen ist, wird aus dem Anstrich nichts. Ich dürfe aber ein Kunstposter aussuchen, um „den unschönen Abdruck“ damit zuzudecken. Die Männer vom Hausdienst plädieren eher für ein Umhängen des Garderobespiegels auf „die Stelle“. Dass damit der Lichtschalter verdeckt würde, ist kein Problem, denn schliesslich müssen wir im Kleinen anfangen zu sparen.
(Die neue Zeiterfassung geht über eine augeklügelte Excel-Tabelle)

„Ha u zünte“ isch eigentlich unmodern. Mi dienet zue, het e Sach fescht, dass si nid abe gheit. Drzue züntet me, dass dr Anger öppis gseht u beidi Häng frei het, z’Wärk z’ga.
Sicher gieng es ou ohne eine, wo het u züntet, aber äbe vil weniger guet. I teilne Fäll gäbs sogar e Katastrofe.

Um 1910
(Unterschrieben von Luise Marti)

Mög auf allen Lebenswegen
Dir ein gütiges Geschick
Reichlich spenden seinen Segen
Innern Frieden
Stilles Glück

Neujahrskarten (Originalgrösse, um 1910) aus dem Nachlass von Albert

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