Juni 2011


Von meiner Krankenkasse erhalte ich eine „individuelle Erfolgsbeteiligung von 20 Franken, da ich mich als „versicherte Person zu 100% systemtreu verhalten“ habe!! Der Jahresgewinn der Kasse beträgt 29,3 Mio./2010, was ja im Zeitalter der fliegenden Milliarden ein Nasenwasser …

Gewinnen kann ich auch, wenn ich bis zum 15. Juli meine Wintergarderobe, gefütterte Stiefel, Schals, Pullis, Kappen, Wollmäntel usw., bestelle.

Mit den Kirschen stimmt heuer alles – reiche Ernte, prall, glänzend, wurmfrei wie seit Menschengedenken noch nie. Werner schnabuliert auf seinem Heimweg von den überhängenden Ästen. Einen Weg hat er schon abgegessen, aber zum Glück führen viele Kirschenwege nach Hause.

Brigitte hat wieder einmal das Maderanertal besucht. Nichts als Steine und Wildbach dort, wo vor sechs Jahren noch ihr Haus (mit ihren Büchern) stand.

Bei einem der Orangen Riesen sind Dörrfrüchte und Backzutaten Aktion.

Der Verwalter sei auch gegangen worden, erzählt mir eine Nachbarin aus meinem früheren Block. Er hatte mich wegen systemuntreuem Verhalten auf die Schwarze Liste der nicht mehr genehmen Mieter und Mieterinnen gesetzt. Ich hatte ihn „Jungen Trübu mit schmalen Schultern“ genannt.

Gerade mache ich einen Lexikon-Eintrag über den Lehrer und Schriftsteller Hans Schütz, aufgewachsen in Zwischenflüh im Diemtigtal und 1949 im Alter von 36 Jahren vor den Augen seiner Schüler im Burgsee bei Interlaken ertrunken.
Hier ein Gedicht von ihm

An meine Frau

Ich ohne dich
du ohne mich:
Eine Sense ohne Mahd,
eine Furche ohne Saat,
eine Blume ohne Frucht,
einer Schale leere Bucht,
unbehauen stumpfer Stein,
eins allein.

Das AKW Mühleberg wird sofort heruntergefahren, um über den Sommer die Notkühlung nachzurüsten. (Bund, 30.06.2011)

Schon der Name war umwerfend! Wer hiess im Dorf zwischen Gürbe und Stockhorn schon Hannelore? Sie war ein Jahr älter als ich und die absolute Schulhauskönigin. Lange vor den anderen trug sie Strumpfhalter und „dünne“ Strümpfe, zupfte sich die Augenbrauen und liess sich im Chemieunterricht eine Strähne Blond in ihren braunen Bubikopf färben. Wir anderen trugen meist zwei Zöpfe, wenn’s hoch kam einen Pferdeschwanz. Bis zur Strähnchenmode sollten noch Jahrzehnte vergehen. Hannelore sah einfach super aus mit ihrem dunklen Teint und ihren weissen Zähnen. Kein Wunder wurde sie ausgewählt, für „Pepsodent“, die damalige In-Marke bei den Zahnpasten, Werbung zu machen. Sie erzählte das beim Umziehen in der Garderobe und ermunterte uns, da auch mitzumachen. (Für mich kam das nicht in Frage, denn ich hatte einen angeschlagenen Schneidezahn).
Alle Mädchen wollten mit Hannelore in die Pause gehen, hatte sie doch immer etwas Unglaubliches zu erzählen, dazu teilte sie ihr riesiges Pausenbrot, mit Butter bestrichen und Zucker bestreut, mit den Kameradinnen.

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Geweckt werde ich vom Wind, der heftig an der Store rüttelt. Ich kurble diese hoch, schon prasselt der Regen ans Fenster. Zeit zum Aufstehen. Zuerst Kaffee, dann Küche aufräumen, dem Plüschpferd den Bauch zunähen, die uralten und heiss geliebten Faltbüchlein mit speziellen Klebestreifen zum xten Mal reparieren, ein bisschen bügeln und anschliessend wieder einmal einen Blick ins neue Magazin des Orangen Riesen werfen. Ich lese mich durch Umwelt, Mode und Gurkensprossen Gemüse. Auf dem Weg zur Kolumne des Hausmanns (Link zum Buch) treffe ich auf die erste Miss Tibet, die eine Schweizerin ist. Sie wurde in Dharamsala gekrönchet. (Hoffentlich ging diese Miss-Wahl in Lower Dharamsala vonstatten und mein indischer Lieblingsort Upper Dharamsala, Sitz des Dalai Lama, blieb davon verschont). Die Aktionsangebote überspringe ich, auch den Jake Gyllenhaal und die grillenden Schwingerkönige. Erst als ich auf den Bericht über die Liebeskummer-Therapeutin Mona Gross stosse, lese ich mich fest. Eine so schöne Frau, langhaarig, blond, schlank, unten Jeans und oben rosaroter Hauch über silberbeschlagenem Gürtel, High Heels (versteckt hinter der spiegelden Kochinsel) – einfach chic! Dass diese Zauberfee gegen Trennungsschmerz ihre 61 Jahre nicht verschweigt, finde ich cool.
Als der Gross-e Fussballtrainer sie betrogen hatte, mochte sie sich nur noch von japanischem Salat ernähren, dessen Farben der Seele gut taten. Heute kommt dazu wieder ein Entrcôte, denn Mona hat sich aufgerappelt, ist selbst wieder am Ball und betreibt seit Kurzem bereits eine zweite Praxis für Liebeskummer-Beratung.
Inzwischen ist es im Wohnzimmer kühl geworden. Die Uhr zeigt zehn vor zwei und der richtige Morgen ist noch einige Stunden weit entfernt. Mit den Hühnern kleinen Enkelkindern zu Bett gehen und schon hat die Morgenstund irgend etwas im Mund – japanischen Salat?

Doch, doch, sie hat in ihren alten Papieren zum ersten Frauenstreiktag genuschet. Hat sich gewundert, dass das Buch von damals „Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen“ im Gegensatz zu ihr noch so frisch aussieht und die unzähligen Transparente darin kaum an Aktualität verloren haben – nicht nur „Der Storch streikt nie“.
Immer noch fehlt z.B. ein sauberes zentral gelegenes Gratis-WC füe Frauen, während die Männer Es jederzeit an bester Lage am Zytglogge tun können – denkmalgeschützt und jugendstylish.

Pissoir im Jugendstil

(Der Urinstein wird monatlich abgepickelt)

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\"Maman\"

Bronzene Maman von Louise Bourgeois (1911−2010)

Probiere früh am Morgen aus, ob Spinnen-Maman mir wirklich die von den Kunstkennern versprochene „Geborgenheit“ bietet. Ein bisschen tröpfelts durch den Gitterbauch mit den Rieseneiern, aber ich bleibe, oh Wunder, beinahe trocken. Gerade wird unter einem Laubenbogen ein ausladender blauer Schirm – pflopf – energisch geöffnet. Wer hat früh morgens so viel Schwung? Unsere Bundespräsidentin in höchster Eile auf dem Weg ins Büro. (Schon zurück aus Rom?) Mittags esse ich mit Freunden bretonisch: Ei-Schinken-Käse-Galette mit einer Kachel Cidre brut, anschliessend eine Butter-Zucker-Crêpe. Im Tram treffe ich eine Kollegin. Sie ist enttäuscht über den Ausgang des Fliesenmann-Prozesses. In der Laube vor der Bibliothek rauchen die Studenten und Studentinnen, denen man jetzt „Studierende“ sagt, ihre feuchten Zigis. Ich fahre mit dem Lift hoch in mein Büro, um noch möglichst viele vor der Brücke liegenden Arbeiten zu erledigen. Das betriebliche Weihnachtsessen findet am 25. November statt – ist notiert.
Eine Bio-Gurke kostet heute beim Orangen Riesen Fr. 3.15. In den Einkaufkörben keine Anzeichen dafür, dass dieser Preis Vertrauen erweckt.

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