September 2012


Wellen 1

Wellenringe, erzeugt durch eine ins Wasser geworfene Eichel.

Zugegeben, im Blog schreibe ich wenig über Tage, die einem gestohlen werden könnten, an welchen Sachen geschehen, die einem an die Nieren gehen, an welchen man sagt: „Usrisse u flieh!“, und man sich vorwirft, seit Jahren einer Art Ghetto-Romantik zu erliegen. Man weiss genau, wen man ins Pfefferland schicken müsste und wem dringend die Leviten gelesen gehörten, aber die Erfahrung zeigt, dass so oder so alles beim Alten bleiben wird.
Heute ist kein solcher Tag – gttsdk! Mit Kleinesmädchen gehe ich ins Bad, denn vor dem Winter soll jeder Sonnenstrahl zum draussen Schwimmen ausgenützt werden. Jupi, es gibt viel Platz auf den Liegewiesen! Wir zwei Frauen belegen den leeren „Prominentenhoger“ grosszügig mit den Badetüchern der Blogk-Familie. Gerade steigt Herr Keller aus dem Wasser, der zu den Alteingesessenen gehört. Nun ist das Bassin menschenleer. (16’000 Quadratmeter Wasserfläche – das entspricht 13 Olympiabecken –, 25’000 Kubikmeter oder 25 Millionen Liter). Bei 16° Wassertemperatur muss ich mich doch ein bisschen überwinden, aber die Sonne scheint mir warm ins Gesicht und nach einigen Minuten kann ich das klare Wasser und die Weite des Beckens geniessen. Inzwischen hat sich auch Kleinesmädchen ins Wasser geworfen und schwimmt prustend und spritzend eine Runde. „Bravo“, ruft Frau Johner, die zusammen mit ihrer Tochter auf der Bank sitzt und ein Eis isst. Wir Schwimmerinnen machen uns auf zu Kaffee und Minzentee.
Auf dem Heimweg gehen wir noch in den Garten, pflanzen einige Setzlinge ins FrühSpätbeet, decken sie mit der Glasscheibe ab, damit sie nachts nicht zu kalt haben. Auf den Teller kommt der Salat dann Ende Oktober, und wir werden uns noch einmal an den Prachtstag von heute erinnern.

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Mädchen mit Vogel

Einen Stein wollten sie nie,

Zwei Vögel

… denn ihr Leben sei steinig genug gewesen.

Als wir Mutter und Vater dann innerhalb von knapp zwei Jahren beerdigten, beschlossen wir Schwestern, den Wunsch nach Nichtstein und Nichtkreuz zu erfüllen, obwohl es auf dem Friedhof bisher nur Kreuze und Steine gab. Nun stehen auf den Gräbern diese Rosenstäbe, verankert in einem Granitblock, der früher ein Marchstein war, neben einem Bäumchen von Wandelröschen. Anstelle von Begonien und Tageten wachsen Lavendel, Minze, Bohnenkraut, blaue Glockenblumen und Thymian.

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So bis Ende der Woche seien wohl dann alle da, vermutet die Leiterin der Tagesschule. Obwohl die Sommerferien schon seit bald drei Wochen vorbei sind, kehren viele ausländische Schülerinnen und Schüler jedes Jahr zu spät in die Schweiz zurück. (Zahlreiche Familien verreisen bereits vor Schulschluss, um die Flugpreise der Hochsaison zu umgehen.) Wir nehmen das einfach so hin, halten die Plätze frei und haben, so viel ich weiss, noch kaum jemanden für unentschuldigte Schultage gebüsst. Das finde ich problematisch. Als Mitglied der Schulkommission schlug ich vor, diese Absenzen in den Zeugnissen zu vermerken. „Nein, sie habens schon so schwer genug“, beschied die Kommission. Tun wir den Kindern, ihren Familien und auch der Schule mit dieser Art von „Toleranz“ damit wirklich einen guten Dienst?

Unser Block ist nun auch wieder komplett. Einige BewohnerInnen sind krank zurück gekommen: MagenDarmEkzemusw. Die grosse Hitze, die anstrengenden, wochenlangen Hochzeitsfeiern mit Hunderten von Gästen (schon ab 6 Uhr früh Kaffee servieren), Fahrten zu Verwandtenbesuchen über holprige Strassen – alles war zuviel. Aber so wie bei der Schule, werdens die Schweizer auch bei der Gesundheit irgendwie richten.

Wie nach jeden Sommerferien, sind auch unzählige Bräute und Bräutigame in die Schweiz gebracht worden (Familiennachzug. Letztes Jahr 22 000 Personen laut „Bund“ vom 01.09.2012). Die diesjährige Braut in unserem Block hat, wie vor einigen Jahren ihre Schwester, in die Familie von 2nd2nd, male eingeheiratet. Wie hier schon mehrmals berichtet, ist die kosovarische Familie nicht begeistert (untertrieben ausgedrückt), dass einer ihrer Söhne eine Schweizerin geheiratet hat. Und doch ist es dann die Schweizerin, die den kulturellen Spagat macht zwischen dort und hier, so, dass ihr die Beine weh tun.

Allerliebst sehen sie aus, die gebadeten Kleinkrähen in ihren Schlafanzügen, satt, Zähne geputzt, Nägel geschnitten, Kampfspuren des Tages gesalbt, nochmals Wasser getrunken, Stofftiere gefunden, Geschichte erzählt, Lied gesungen, Fenster spaltbreit geöffnet, Vorhang zugezogen, Fenster geschlossen, Vorhang etwas mehr aufgezogen, nochmals Lied gesungen, mehr/weniger zugedeckt, Gute Nahacht!? Sicher nicht! Es wird gekichert, geflattert, gehopst, Puzzleteile fallen zu Boden, Wackelhund singt: „Who let the dogs out, huw, huw…). Die ratlose Grossmutter, obwohl pädagogisch geschult, hat sich inzwischen aufs Sofa gelegt und die Augen geschlossen. Das gefällt den Kleinen nicht. Ein Ballon wird aufgeblasen und bald fluddert warme Luft ins linke Ohr der Ermatteten. Nichts zu machen, diese tut keinen Wank. Die Störefriede ziehen sich zur Beratung zurück, stürzen sich dann nach einigem Geflüster übermütig auf die Grossmutter und schreien: „Ima, mir liebe dir, Ima, mir liebe dir!!“
Ein solcher Fallfehler, das wissen kluge Kinder, reisst die Grossmutter aus dem tiefsten Schlaf. „Wenn schon, heisst es: Wir lieben DICH!“
„Heute ist wieder einmal Grossmutter-Tag,“ begrüsst mich am nächsten Morgen eine Bekannte vor dem Schulhaus und lässt sich auf die Holzbank fallen. Wir beide haben eben unsere Enkelkinder in Schule, Kindergarten und Kitta gebracht. Heute regnet es in Strömen, und jede von uns hat Regenjacken, Schirme, Helme, Znünibrote, Wasserflaschen, Turnsäckli, Rucksäcke, Roller, Musikinstrumente richtig verteilt und wird in drei Stunden die Enkelkinder zum Mittagessen abholen.

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