April 2013


In Venice Beach verliert man einfach vornehmer:

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Gebogen
Beim Haare waschen kleben nie mehr nasse Duschvorhänge an den Ellenbogen

Hier fragt man nicht nach einer Toilette oder einem WC, diese Lokalitäten heissen „Restroom“ und sind, ob im Hyatt oder in einer Imbissbude an der Strasse, peinlich sauber. Man wird gebeten, es dem Personal zu melden, falls dieser Room irgendwelche attention brauche. Die unhygienische Klobürste gibt es nicht, da sich die Kloschüssel nach dem Spülen wieder zur Hälfte mit Wasser füllt. Über dem Lavabo steht in Englisch und Spanisch, dass es eine gesetzliche Vorschrift sei, Hände und Unterarme vor dem Kontakt mit Lebensmitteln gründlich zu waschen. Für den neuen Hotelgast wird das erste Blatt einer angefangenen Klopapierrolle zu einer Spitze gefaltet. Elizabeth im Best Western an der Prismo Beach macht aus dem ersten Blatt ein Täschchen und steckt ein anderes harmonikaartig gefaltet rein. (Foto folgt später.)
Gerade putzen drei Männer an Seilen hängend die Fenster im 21. Stockwerk, während zwei andere das Glasdach auf dem Gebäude gegenüber mit Bürsten an langen Stangen schrubben. Mühsam ist dem Mövenschiss auf den Balkonen, den Pools und Gartenwegen der Hotels an der Küste beizukommen. Mir scheint, dass diese Arbeiten hauptsächlich von Mexikanern gemacht werden.
Falls Sie einmal in der Gegend von Oxnard Hunger verspüren sollten, suchen Sie zwischen all den Sunkist-Verpackunsanlagen das A-Buger. Hier gibts die beste heisse Apfeltasche in einer Tüte, auf welche“Hot“ geschrieben wird, mit Extraservietten. Das Lokal wird hauptsächlich von den Arbeitern auf den riesigen Früche- und Gemüsefarmen besucht.
Alles ist blitzblank, und man wird mit dem Vornamen aufgerufen, wenn das Essen fertig ist. „Enjoy!“

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Die frühen Vögel an der Marina
Die Marina zu früher Sonntagmorgenstunde noch kühl und mit
wenig Prominenz

Man weiss es ja von den Filmen, was die Leute in Los Angeles am Sonntag so tun. Von meinem Balkon aus sehe ich, dass der beste Platz unter den Palmen am Strand schon von der Familie Brangelina besetzt ist. Die Kinder tollen im Wasser, fangen etwas. Whoopi Goldberg in grauem Schlabberpulli führt einen schwarzen Spitz an der Leine. Eben parken einige langbeinige Frauen in knappen Overalls ihren Wagen, packen Bretter und Paddel aus und staken an Brads Yacht vorbei dem Pazific zu. Ich meine, es ist Yangzom Brauen mit ihren Freundinnen. Ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass Rod Steiger mit seinem Pick-up den Strand desinfiziert. Bette Midler radelt auf einem Klappvelo vorbei, im Körbchen an der Lenkstange sitzen ihre Pudelchen Blacky und Whity. Einsam mit Ruckack und Safarishorts stapft Russell durch den Sand und verschwindet zwischen den Feuerbüschen. Ein fürsorglicher Papa zeigt seinen Töchtern, wie man den Florettseidenbaum im Hotelpark erklettert und tritt mit ihnen in die Blumenrabatten, damit sie die Calla besser berühren können. Der botanische Vater ist Mel Gibson, heute mit Hornbrille. Ich könnte noch lange von meinem Balkon aus dem Leben unter mir zusehen, aber es klopft. Eine herzige Krankenschwester mit Stift und Block fragt: „Duidtaus?“ Klar, Sie hätten gleich gewusst, dass die Frau Bestellungen für frische Handtücher aufnimmt, aber mir musste sie zuerst eines vor der Nase schwenken, und das so etwas von elegant, filmreif eben!

Viel Platz fürs Rad
Noch ist viel Platz für allerlei Räder an der Venice Beach.

Venice Beach, von meinem iPhone aus geschrieben

Schokolade, Meringue, Caramel, Rahm, Kokosmandelnougatsplitter

Da ich selbst auch keine schlanke Gerte bin, habe ich mir vorgenommen, nichts über die amerikanischen Übergrössen bei Menschen zu schreiben. (Andere haben das bereits getan. Z.B.: Altmann, Andreas: Im Land der Freien, Köln: DuMont, 2010)
Die Portionen in den Gaststätten an der Strasse sind riesig, er wird nicht „gschmürzelet“. Gebäck kann gut die Grösse eines Kinderkopfes erreichen. Obwohl auf einem Schildchen dann etwa „To share“ steht, wird selten geteilt. Es ist aber kein Problem, für die Heidelbeerglace in einer mittgrossen Platte zusätzliche Löffel zu bekommen. Auch das Wagenrad von Thunfischsandwich wird auf Wunsch schon in der Kücher zerteilt. Zur Sicherheit wird dann mindestens einmal nachgefragt, ob man wirklich trotz dieser Teilerei satt geworden sei. Getränke werden meist in Halbliterbechern oder -gläsern mit sehr viel Eis serviert, auch wenns draussen schneit und die Temperaturen unter Null sinken. Hier in Utah trinkt man mit Strohhalm aus richtigen altmodischen Einmachgläsern.
Ich bin vor allem begeistert von den Kartoffeln. Es gibt da die Sorte Idaho Red, die ist so etwas von fein. Wenn einem die Navajo-Frau eine fein geraffelte Rösti aus Idaho Red macht (das ist einheimisch und nicht etwa ein Sonderwunsch meinerseits), dazu zwei Spiegeleier sunny side up, da könnte man anschliessend in den Truck steigen und Meilen weit durch die Wüste fahren mit ein bisschen Terry Allen im Ohr.

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Restroom im Adobe
Der stille Ort im Lehmziegelhaus von Denise, Las Cruzes

Vor dem Klohäuschen (Restroom) an der I-10 verweilt man gerne. In den Rabatten blühen Petunien, rote Rosen, Yukkas und Rosmarinbüsche. Sogar die Glasscheiben der Infotafeln sind blitzblank. Gibt es hier wirklich noch die Todesstrafe, bei diesen freundlichen Menschen, die sich über unseren Besuch ehrlich freuen, Insidertipps geben, uns nie auf irgendwelche Bankenskandale ansprechen?
Bei El Paso verlassen wir Texas und sind in New Mexico. Im Dorf Mesilla suchen wir den Buchladen von Denise Chavez, einer Freundin von Verena in Marfa. Die steigenden Mieten – immer mehr Reiche ziehen auf den „kleinen Hügel“ – vertreiben die Alteingesessenen aus dem historischen Künstlerstädtchen. Joyce weiss nicht, ob sie ihr „Joyce’s Cafe“ halten kann oder deshalb auch weg ziehen muss, so wie Denise vor einigen Monaten mit ihrem Buchladen.
Wir finden die Buchhändlerin, Autorin und Theaterfrau im alten Teil von Las Cruces. Die Tür ihres Hauses in mexikanischem Stil steht offen. „Bitte, tretet ein, nur herein, ich bin am Schreiben, kommt nur, kommt!“ Die Schriftstellerin lädt uns ein, das ganze Haus anzuschauen, Kaffee und Saft zu trinken, natürlich in den Bücherregalen zu stöbern, die sich selbst in Küche und Bad befinden. An den Wänden hängen Werke ihres Mannes, des Fotografen Daniel Zolinsky. Denise freut sich sehr über unseren Besuch in ihrer „Casa Camino Real“, bedauert, dass wir nicht zum Border Book Festival bleiben können, das sie jedes Jahr in Las Cruces organisiert. Mit unglaublichem Teperament erzählt Denise von ihren neu entdeckten Talenten in Musik, Film, Literatur, Tanz und Theater. Alle Volksgruppen aus dem kulturellen Camino Real zwischen Mexiko und Santa Fe sollen sich am Festival einbringen können.

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Erklärung zum letzten Beitrag „Westwärts“, der einigen LeserInnen Rätsel aufgab:

Sonntag an der Galveston Bay, Texas
Sonntag an der Galveston Bay, Texas

Es ist schon einige Tage her, seit ich meine winterweissen Beine an der Galveston Bay sonnte, sie ein bisschen in Wellen aus dem Golf von Mexico schwadderte, mich dann in den warmen Sand setzte, wo die texanischen Mütter unter improvisierten Sonnensegeln aus Kühlboxen Essen verteilten, wovon auch die Möven etwas ab bekamen.
Und wo nächtigt frau nach dem Ausflug an den Strand? Am liebsten im Hyatt Regency Houston, im 20. Stockwerk mit Blick auf Wolkenkratzer, die sich in Wolkenkratzern spiegeln.
Schon bald gehts raus aus der geschäftigen sauber geputzten Stadt Richtung Weimar, wo die Zimtschnecken und Beerenkuchen noch elsässisch schmecken und die alt Eingesessenen nicht unbedingt begeistert sind, dass die Zuwanderer in ihre Käffer eine andere Hautfarbe haben als sie.
Nach einer Fahrt vorbei an vielen, vielen Viehzäunen, Fahnen und Kirchen kommen wir nach Castroville. Auch hier gibts noch Elsass.

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A long way from home

Hinter Bern-West sei der Westen nicht zu Ende …

Ich fliege mal los und schaue nach, ob Jolly Jumper ein Pfädchen für mich getrampelt hat.

Die Aussicht von der Terrasse aufs Meer ist traumhaft, der Salon marocain stilecht und gemütlich, die Küche gross, der Innenhof kühl. Alle Räume sind hell, die Fenster sturmfest. Dieses Bijou von Haus hat nur den einen Makel: kein fliessendes Wasser. Das Fischerdorf an der malerischen Bucht, bis jetzt ein Geheimtipp für Surfer, entwickelt sich rasant. Hotels, neue Wohnhäuser, seit Kurzem gibts eine Apotheke mit blinkendem grünen Kreuz. Von den seit vielen Jahren versprochenen Wasserleitungen ist allerdings noch nichts zu sehen. Deshalb schleppt meine Nachbarin, die jedes Jahr einige Monate im magrebinischen Dorf am Meer verbringt, das Wasser vom weit entfernten Brunnen Kanister weise ins Haus. Nun hat sie die Geduld verloren. Bei der örtlichen Behörde vorzusprechen ist für die Katz‘. Das haben Einheimische auch schon vergeblich versucht.

Es ergab sich, dass der Schwager meiner Nachbarin einen kurzen Besuch in der Schweiz machte. Er ist Botschafter und residiert im Moment in einer fernöstlichen Millionenstadt. Jetzt oder nie, dachte sich die unmutige Wasserträgerin: „Könntest du nicht einmal bei einem deiner gesellschaftlichen Anlässe dem marokkanischen Botschafter mitteilen, dass man im Fischerdorf auf eine Wasserleitung wartet?“

Vor zwei Wochen sind Lastwagen mit Rohren und allerlei Werkzeug in den Bergen hinter dem Dorf angefahren. Männer mit Bauplänen und Vermessungsgeräten sind mit Einheimischen zwischen den Häusern unterwegs.
Zu früh freuen will meine Nachbarin sich nicht, aber es kann doch sein, dass ihre Nachricht den Weg von der Schweiz über die fernöstliche Weltstadt zurück ins marokkanische Fischerdorf gefunden hat und es endlich – Inshallah – Wasser gibt.

Ostereier 2013

Rucola und Dill auf Ei

Am Karfreitag, 29.03.2013 notiert:
Draussen schneits nasse Flocken. Im Gemeinschaftsraum des Blocks, einem Relikt aus den Siebzigern, geht es lebhaft zu und her: Butterzöpfe, Kuchen, Käse, Eier, Kinder auspacken, Regenjacken und -hosen über den Ofen legen. Hallo zusammen (Muntschmuntschmuntsch), schon wieder ein Jahr einszweidrei im Sauseschritt vorbei. Die Kinder sind gewachsen. Wer letztes Jahr noch im Bauch war, ist heute ein blitzschneller Krabbler und Büchleinschmeisser. Bis in den frühen Abend hinein Eierfärberei. Dazu über Gott und die Welt diskutieren: Müssen letzte Wünsche ausnahmslos von den Hinterbliebenen erfüllt werden? Sind Stützstrümpfe bei Langstreckenflügen nötig oder verursachen sie beim Sitzen einen Blutstau. Beleidigt man zypriotischen Freunde im Moment mit kritischen Fragen zur Wirtschaftskrise? Was war eigentlich am Palmsonntag mit Jesus? Sind Steuergelder für abgewiesene Asylbewerber nicht chrützfalsch eingesetzt? Kann ein 10-Minuten-Ei „schlüddrig“ genannt werden? Fragen über Fragen. Schnee von Fahrrädern und Autos wischen und schleunigst der nächsten warmen Stube zu. Auf Wiedersehn am nächsten Karfreitag. (So wies aussieht, wird dann wieder ein Krabbelkind dabei sein – das Leben ist Wiederholung.)