Mai 2013


Es war einmal
(Foto: Teze Gaya)

Trotz den modernen Errungenschaften, welche Papier überflüssig machen, stapeln sich auf meinem Tisch, in Mäppchen oder mit bunten Klammern zusammengehalten, die Blätter und Fötzel. Ab und zu mache ich Ordnung so wie heute, denn irgendwie habe ich auch immer mein Ableben vor Augen.

Vor mir liegen einige Seiten aus dem „Bund“ vom 11. Mai. Es geht um die Quote für Schweizer Schüler, d. h. darum, wie Schulklassen so gemischt werden können, dass mindestens 30 % der Schülerinnen und Schüler deutschsprachig sind und die selbe Fremdsprache nicht von über 30 % gesprochen wird. Was in Basel gerade mehr oder weniger hitzig diskutiert wird, ist in Bern zum grossen Glück weder „Thema“ noch „Problem“, sondern laut der Leiterin des städtischen Schulamtes Frau Hänsenberger bloss eine „grosse Herausforderung“.
Da die Schulen in meinem Quartier die am höchsten belasteten, also die absolut schlechtesten der Stadt sind – Entschuldigung Frau Hänsenberger – habe ich ein Problem, das mir schwer auf dem Magen liegt.
Bald müssen meine Enkelkinder eines dieser „Heissen Schulhäuser“ (Patrick Feuz, Bund 11.05.13) besuchen. Ausser einer Privatschule oder einem Umzug in ein anderes Quartier gibt es null Ausweichmöglichkeiten:

«Wir arbeiten nach dem Prinzip der kurzen Wege», sagt Frau Hänsenberger. «Die Kinder sollen dort zur Schule gehen, wo sie wohnen. Und das Umfeld in der Schule soll dasselbe sein wie in der Freizeit.»

So ist wenigstens von Amtes her dafür gesorgt, dass die Bern-West-Kinder unter sich bleiben und möglichst keine Anregung von aussen erhalten. Unterdessen wird hauptsächlich mit dem Sozialindex gewerkelt, d.h. werden Lektionen für besondere Massnahmen und Sozialarbeit errechnet, was im besten Falle mehr als nichts ist. Da jedes Jahr zahlreiche neue Kinder ohne oder mit nur mangelhaften deutschen Sprachkenntnissen eingeschult werden, darf die soziale Durchmischung, vorgeschrieben im städtischen Schulreglement, bis zum Sankt Nimmerleinstag „angestrebt“ werden.

(mehr …)

Meine ältere Tochter war längst ausgezogen. Ihre zu kleinen Doc Martens standen noch im Schuhschrank und wurden von mir mütterlichwehmütig jahrelang regelmässig abgestaubt. Irgendwann passten sie dann wieder jemandem. Bis vor einigen Tagen dachte ich nicht mehr an dieses Schuhwerk, welches anfangs der Achziger die urbane Jugend begeisterte. Ich nannte diese schwarzen gelb rahmengenähten Klötze „Troglodyten“, obwohl sie in Gösse 35 eigentlich herzig aussahen. Docs seien das Beste, gerade für Open Air Konzerte, liess ich ich mich belehren.
Nun schlendere ich, wie andere Touristen auch, durch Haight-Aspery, allerdings ohne die Hippy-Nachfahren mit Gitarren, Trommeln, Hunden, gewobenen Taschen, Skateboards, einige mit Bettelschildern für die Rückreise in ihre Heimat, zu fotografieren. Shops mit indischen Kleidern, tibetischen Gebetsfahnen, Gestricktem aus Lamawolle und hundert Sorten Räucherstäbchen riechen so wie vor fünfzig Jahren. In diesem Quartier gibts Läden mit Biogemüse und Biobrot und wer mag, kann sich auf kleinem Raum um die ganze Welt essen. Im Second Hand Shop „Wasteland“, schiebt man stundenlang Kleiderbügel, um eventuell auf ein exklusives Markenstück zu stossen. 2nd, female verlässt den Laden mit einem Paar Ferragamo-Pumps und einem handrollierten Seidenfoulard.
Total begeistert bin ich vom Dr. Martens Store – englisch eingerichtet mit schweren Ledersesseln auf geöltem Dielenboden – und darüber, dass mein Enkel in kurzer Zeit seine Wunsch-Schuhe findet. Auch in dieser Generation scheints noch das Beste für Open Air Konzerte in Schlamm und Gedränge zu sein. Seit meinem letzten Kontakt hat sich das Dr. Martens Sortiment unglaublich erweitert. Von „Troglodyten“ kann keine Rede mehr sein, gibt es die Schuhe doch in Lackleder jeglicher Farbe, genietet, geblümt, vergoldet, genoppt, aber immer gelb rahmengenäht.
Leuten, die sich schwer tun mit neuen Schuhen, empfehle ich diejenigen mit der lebenslangen Garantie!

(mehr …)