November 2013


Eine Gruppe Jugendlicher springt um mich herum, als ich gegen Mittag aus dem Tram steige. Die Knaben lachen und stossen sich gegenseitig, tragen trotz der Kälte weder Mützen noch Jacken. Dazu gehört ein dünnes Mädchen mit Brille, welches sich an dem Gejohle nicht beteiligt.

Ich: „Tschou zäme. Isch öppis? Heit dr eigentlech ke Schuel?“
Jugendliche: „Momol, mir hei e-n-Uftrag, aber mir säge nüt. Säg nüt, Tschännu.“
I: „Säget nume, was dr z’säge heit. Es lütet ja gly.“
J: „Auso, mir säges: ‚Dir sit e Schande für d’Umwält‘.“
I: „Ig, e Schand für d’Umwält?“
J: „Ja.“
I: „U de dir, was syt de dir? Späteschtens we dir de so alt sit wie-n-i, sit de dir o e Schande für d’Umwält.“
J: „Mir meine gar nid richtig öich, äs isch nume Gspass.“
I: „Das söll e Gspass sy? Wie chömet dr druuf?“
J: „Dr Äbdu het Geburtstag u het sech gwünscht, dass mir emene Erwachsene gö ga säge ‚Dir sit e Schande für d’Umwält.“
I: „Das isch em Äbduh si Geburtstagswunsch? Säget das enang nie, das isch eifach gemein. Mir macht das nüt us, i kenne Ching wi dir sit guet. I dr weute Klass sit dr?“
J: „I dr Füfte, bir Frou Käller Veronica.“
I: „Göt iz ine, süsch erfrüret dr no. Tschou zäme, es anders Mal.“
J: „Adiö, e schöne Tag no.“

Die Knaben und das Mädchen kraxeln den Hügel hinauf, hinter welchem das Schulhaus liegt. „Das isch e huere Nätti“, höre ich sie sagen.

Eine Gruppe von sieben Fünftklässlern darf den Unterricht verlassen, um auf der Strasse einer fremden Person zu sagen, sie sei eine Schande für die Umwelt, weil sich das ein Schüler zu seinem Geburtstag wünscht?
Obwohl es in meinem Umfeld von Lehrerinnen und Lehrern nur so wimmelt und ich selber Jahre in und um Schulen verbracht habe, wird mir diese Institution immer fremder.

Die letzten zwei Wochen sass mir der Schnee hartnäckig im rechten Sprunggelenk, bis er sich dann endlich entschloss, sich auf der übrigen Welt zu verteilen.

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Pfännchen und Kuchenformen aus Kupfer, HolzlöffelTellerTassen aus aller Welt, Gläser mit getrockneten FrüchtenKernenTeigwaren, Körbchen mit Kräutern, BlumenSalzteigkränzchen, ZwiebelKnoblauchzöpfe sind ein hübscher Schmuck für Küchen.
Ich habe die Kennedys. Ewigjung und strahlend lächeln sie seit einigen Jahren hinter meinem Kellentopf hervor.

Erst zu dritt

In einer noch TV-losen Zeit, zwischen den hintersten Ausläufern des Langen Berges, gab es 1963 mindestens zwei treue JFK-Fans: den Bastler dieses Werks – Illustriertenseiten in Zinn gerahmt – (evtl. Albert?) und meine Mutter, die das Bild jahrelang hütete.

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Es gibt immer wieder Situationen, in welchen ich mir besonders alt vorkomme. Zum Beispiel bei einem zufälligen Blick auf den Komposthaufen nach dem Kochunterricht. Ich weiss, es ist mega uncool, sich Gedanken über weggeworfenes Brot, Spaghetti, frische Salatblätter, dicke Kartoffelschalen zu machen. Auch Sparschäler (in der Schweiz erfunden), Frischhaltebeutel, leckere Speisen aus Resten sollte ich vergessen. Immerhin lernen die Schülerinnen und Schüler, dass man alles, was übrig bleibt, in die Kompostkiste werfen kann. So wird in der nächsten Generation die Zahl der verstopften Kloschüsseln hoffentlich etwas abnehmen.

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Heute früh in der Warteschlange der Orangen-Riesen-Kasse – vor mir ein kräftiger junger Bauarbeiter mit Znünisandwich und Eisteebeutel – werden auf dem Werbebildschirm gerade die Eishockey-Schlittschuhe der Marke Synergy EQ20 und der Tiefschutz Sher-Wood Junior vorgeführt. Als ich an der Reihe bin, gibt’s auf dem Schirm Werbung für Anti-Aging-Creme von Natural Cosmetics, anschliessend eine für superelastische Stützstrumpfhosen der Marke Compact und den Entlastungs-BH Anita.
Bis hierhin mache ich mir noch keine Gedanken, denn ich habe mit Cumuluskarte, Bankkarte, Kassenbon und den Mega-Win-Briefchen mitüüri genug zu tun. Als aber die schwangere Frau hinter mir ihre Ware aufs Band zu legen beginnt und nun Babyölflaschen in Form von gelben Entchen über den Bildschirm hüpfen, Wickelkommoden mit doppelten Cumuluspunkten bis 31.12.13 und Pedic-Spray für geschwollene Beine angepriesen werden, habe ich doch ein ungutes Gefühl in der Magengegend.
Mit einem Auge schaue ich auf den Bildschirm, denn nun ist mein muslimischer Nachbar daran, das Band zu beladen. Anstatt Entchen und Kommoden gibt’s die 12er Packung Kichererbsen, den gefrorenen Lammrücken, den 5kg Sack Budgetzwiebeln und – geit’s eigentlech no?? – die neue Herbstcollection mit den Kopftüchern Leyla, Orient, Nuria, Mariam.

Ist das ein böser Traum oder einfach nur ein neuer gäbiger Dienst an der Kundin und dem Kunden?

Herbstfarben gebunden

Was ich nach der Pensionierung so tue, werde ich oft gefragt. Ja, was tue ich eigentlich? Jedenfalls kaum etwas, was am Ende des Tages vorzuweisen ist. Ich höre dem Herbstwind zu, wie er um meinen „Turm“ braust und an den Fenstern und Türen rüttelt, ordne die Bilder, auf welchen ich versuchte, die Herbstfarben einzufangen, gratiniere den letzten Fenchel aus dem Garten, koche eine Suppe aus grünem Kürbis zusammen mit Sellerie, Lauch, Kartoffeln, Knoblauch, Zwiebeln und Kräutern, umwuselt von wissbegierigen Kleinkrähen. Daneben gibst noch dieses und jenes zu tun. Schon lange habe ich mir vorgenommen, so einen Tag zu protokollieren, damit ich besser weiss, was ich den Leuten sagen kann. Manchmal tun sie mir richtig Leid, wenn ich ihnen nichts Aufregendes aus meinem Nacherwerbsleben erzählen kann.

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