März 2014


Jeden Abend telefoniert Frau Stoll aus dem 11. Stock mit ihrer Tochter in der Innerschweiz. Nun ist die Neunzigjährige während des Gesprächs über das Telefonkabel gestolpert. (Kabellos kam für sie nie in Frage). Der Hausmeister, bereits im Pyjama, erhält von Frau Stolls Tochter einen Notruf. Eilig zieht er sich an. Für solche Fälle hat er einen Wohnungsschlüssel von den Angehörigen erhalten.
Er findet die Gestürzte ins Kabel verwickelt auf dem Boden vor dem Küchentisch.
Zuerst stellt er sich der Frau vor und sagt, dass er ihr jetzt helfen werde aufzustehen. „Ja, ja, Sie sind der mit den schönen Zähnen“, meint Frau Stoll und lässt sich stützen, während der Hausmeister am Handy die Tochter hinter den sieben Bergen beruhigt.
Eigentlich kam die alte Frau in die Küche, um etwas zu essen, aber es ist nichts da. „Mögen Sie Reis? Ich habe für meine Kinder welchen gekocht und hole Ihnen gerne etwas.“ Hurtig bringt der Hausmeister Reis und Gurkenscheibchen, setzt Wasser für Kaffee auf.
Frau Stoll fühlt sich wohl und erzählt trotz der späten Stunde munter von ihren Lieblingen, den Katzen. Alles in der Wohnung ist mit Katzenbildern geschmückt, natürlich auch der Lavabostöpsel. Auf dem Tischset ist eine Aarelandschaft mit grüner Wiese abgebildet und darauf ein winziger roter Punkt. Das sei ihr VW Golf, den man ihr weggenommen habe. Noch immer schmerzt die Trennung von ihrem geliebten Auto. So etwas verkraftet man nie mehr. „Sie müssen den Kaffee trinken, solange er noch warm ist,“ sagt der Hausmeister. Nein, ins Altersheim möchte Frau Stoll nicht, da sind lauter fremde Leute. „Aber ich bin doch auch fremd und nun reden Sie schon nach wenigen Minuten mit mir,“ gibt der Hausmeister zu bedenken, „Sie würden dort viele antreffen, die sich mit Katzen auskennen und Sie wären nicht mehr allein.“
Wer weiss, vielleicht kommt es einmal so weit, aber nicht jetzt, jetzt möchte Frau Stoll noch ein bisschen Musik hören von ihrem besonderen Liebling. Der Hausmeister hilft mit der CD, wünscht eine gute Nacht und verspricht, am Morgen wieder vorbei zu schauen.
Den nächsten Abend wird „Aeschbi“ übernehmen, bis dann wieder die Tochter aus dem Innern der Schweiz anreist, um sich um die Mutter zu kümmern.

Eulenziehen

Bern Touristik hat das „Eulenziehen“ oder „Uhuläuten“ ins Frühjahrsprogramm aufgenommen!

Eigentlich wollte ich in den vergangenen kalten Tagen über die erste Primmelpracht, den Rhabarber, die Lilien und Rosen (Pfingst und Kletter) berichten, über den aus dem Unrat geretteten Winterjasmin und die warme Sonne auf Vorhang und Balkon. Auch über meinen Optimismus, dass die zarten Salatstüdeli im zugedeckten Frühbeet, bei uns „Couche“ genannt, auch bei -10° nicht schlapp machen würden. Passende Bilder lagen schon parat. Ich hätte das gemacht mehr für mich, als für die Blogkleserinnen und -leser, weil ich mich jeden Frühling wundere, dass die Vögel singen und alles wieder spriesst und ausschlägt, trotz Abgasen und anderen Malträtierungen.
Daraus wurde nichts, denn neben allen schrecklichen Nachrichten aus der restlichen Welt, wurde wieder einmal über ein bis anhin ungelöstes Bernerproblem berichtet: Die Saatkrähen – laut, respektlos jedem Autodach und Velosattel gegenüber, unordentlich und leider schlau und unerschrocken. Aber diesmal wirds besser, denn Hilfe kommt aus Deutschland in Gestalt lebensgrosser Plastik-Uhus mit beweglichen Flügeln!

Zu beneiden ist das Quartier, welches nun durch Handantrieb, d.h., durch Ziehen (bitte alle mitmachen!) an der Schnur, die Uhuflügel flattern lässt und so die Krähen in die Flucht treibt „an den Ort, an welchem sie niemanden stören“, wie unser Stadtvater meint. Da es diesen Ort in der Schweiz nicht gibt, wird in den umliegenden EU-Ländern eine Masseneinwanderung durch die Luft befürchtet. Daran glaube ich nicht, denn es gibt schon einige Krähen, die das „Eulenläuten“ cool finden.

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„Wir sind ein Spital, eine gewisse Grundruhe ist nötig,“

meint Bernhard Leu, Direktor Infrastruktur von Inselspital und Spitalnetz Bern, der seit vielen, vielen Jahren von Bushaltestellen auf dem Insel-Areal träumt.
Ein bisschen wird unsere Geduld aber noch auf die Probe gestellt, denn auf einer „Flüster-Baustelle“ dauert alles etwas länger, dafür ist aber die Grundruhe gewährleistet. Merci vielmal!

(siehe Der Bund, 12.03.14, S. 21)

Eine der unzähligen „Liebeserklärungen“ an ihr Quartier von der Facebook-Gruppe „Du bisch vo Bethlehem …
(im Moment 2243 Mitglieder):

Bethlehem by night (von Tamara und Noel, Musik: The Darque-Roads)

Heimfrass

Fräulein Sophie, Küchenzarin, Herrin über Speisekammern und viele kleine Helferlein. Hier mit Salatkorb, Gschwellti-Zaine und Gnagi-Platte. (Alle Fotos: H.P. Hoffmann, ca. 1964)

Foto: Paul Senn, ca. 1940, aus dem Blechteller essen

Wenn wieder einmal jemand nicht Schuld sein will, erinnere ich mich an meine Zeit als junge Heimerzieherin (!) in einem Bernischen Knabenerziehungsheim anfangs der 60er Jahre. Oberster Herr war der „Vater“, stets untertänigst umwuselt von einer ahnungslosen „Mutter“. In ihrer Führungsarbeit wurden die beiden von langjährigen treuen Mitarberinnen, alles alte „Fräulein“ und Meisterinnen im Ausdenken von perfiden Strafen, unterstützt. Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten neben ihnen einen schweren Stand, ausser man wurde selber „schwererziehbar“, dann liessen sie einen widerwillig in Ruhe.
Ab und zu gab es einen Lehrer in der Heimschule, der sich dafür einsetzte, dass die Buben gerne lernten und auch Spass dabei haben durften. Der Unterricht war das Leichteste im Leben eines Heimkindes, gab es doch jeden Tag die Arbeitsverteilung, die Jüngeren und Schwächlichen zu Hausarbeiten in Garten, Küche und Waschküche, die Älteren zur Arbeit in den Ställen und auf dem Feld.
Nie erhielten die Buben Besuch. Es war noch die Zeit, als man dachte, sie würden im Heim bessere Menschen ohne Kontakt zu Eltern und Verwandten.
Es fiel mir schwer, das Knabenheim für einen Auslandaufenthalt zu verlassen. Ich habe keine Ahnung, was aus diesen Jungen geworden ist.

Nur einmal in einem Winter vor vielen Jahren, als ich in einer Buchhandlung arbeitete, betrat ein seltsamer Vogel den Laden und setzte sich neben den warmen Ofen. Aus wässerig blauen Augen sah er mich an und lächelte, als würde er mich kennen. Er war barfuss, die Hosenröhren hatte er mit braunem Band an die Beine geklebt. Auch um seine blonden Haare hatte er Klebeband gewickelt. Es sah aus wie eine Dornenkrone. Nach einer Weile stand er wortlos auf, lächelte, hob seinen Papierbecher zum Gruss und ging von dannen.
Ich bin sicher, dass es Christian gewesen ist, der Junge auf dem letzten Foto.

Schule 1
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Er sitzt im „Höfli“ vor einem Glas Rotem, rote Rose und Ehrenurkunde hat er neben sich auf den Tisch gelegt. An der heutigen HV ist er für 45 Jahre Parteizugehörigkeit geehrt worden. Als Lokführer sei er jahrelang „das Kreuz“ gefahren: Romanshorn-Genf, Basel-Domodossola, sei dann in die oberen Etagen der Schweizerischen Bundesbahn aufgestiegen. „Weisst, ein Bürojob,“ meint Küre und nippt an seinem Glas. Für den heutigen Anlass habe er auf den Englischkurs der Pro Senectute verzichtet. Nein, er plane keine Amerikareise, er sei oft „drüben“. Dann erzählt er von seiner Tochter, die er besucht und die in der Nähe von New York lebt. Genauer genommen auf Long Island, noch genauer in den Hamptons. „Wow, eine Supergegend!“ sage ich und sehe vor mir weisse Strände und teure Star-Villen aus „Gala“. (Ist Küres Tochter vielleicht sogar ein Kindermädchen in einer Promifamily, geht es mir durch den Kopf).
Seine Tochter sei sehr lieb – Küre strahlt vor Stolz. Bei kühlem Wetter wärme Fränzi Vaters Pyjama im Tumbler an. Die Tischrunde ist völlig hingerissen von diesem originellen Liebesbeweis. Bitte, weiter erzählen! Die Tochter sei nicht nur sehr lieb, tut uns Küre den Gefallen, sie sei auch sehr schön! Der Mann hat unsere volle Aufmerksamkeit. Lieb und schön gepaart – ein Wunder! Nun wage ich endlich zu fragen, was Fränzi in dieser illustren Gegend so mache. „Sie modelt für Yves Saint Laurent die Pelzkollektion, dafür sind die ganz jungen Models nicht geeignet“, erklärt uns der Fachmann. Vor Kurzem sei sein Schwiegersohn zum Admiral der US Navy befördert worden. Wunderbar sei auch seine Enkelin, habe an ihrem Grossvater den Narren gefressen, sei talentiert und fleissig, bringe immer gute Noten nach Hause. In Amerika gehe halt kein Talent verloren. Stundenlang könnten wir Küre zuhören – ein stolzer, glücklicher Mann. Er müsse einfach nur gesünder essen, schimpfe seine Schwester, immer sitze er vor Rotem, Brot und Salami, damit müsse endlich Schluss sein.

Küre gibt mir noch die Adresse von Fränzis Model-Agentur. Die Frau ist wirklich schön: dunkle Chrüselihaare, strahlend blaue Augen – eine Venus von Bümpliz in den Hamptons.

Seit der HV gibt es eine stets wachsende Anzahl Männer, die ihren Schlafanzug im Tumbler vorgewärmt haben wollen – der Backlash ist programmiert.

Saumoore

Frau Wutz, in der schweizerischen Volkssprache „Moore“.

Kleekuh

Kuh Liesel, „Kleekuh“ oder „Dumme Kuh“

Was Kleekühe, blöde Gänse, Suppenhühner, dumme Mooren, Schnäderenten, Brillen- und Klapperschlangen, Nebelkrähen, Zimtzicken, alte Drachen und freche Kröten so alles erfunden haben – eine Mini-Auswahl zum heutigen Internationalen Frauentag:

Kaffeefilter,
Wegwerfwindeln und Babytrage,
Computersprache, Büstenhalter, Minirock,
Scheibenwischer, Fernsteuerung für Torpedos, Strumpfhosen,
Hochseesignallicht, Paketfallschirm, Leichtgewichts-Brillenglas,
Anschnallkontrolle für Reisebusse, Armschiene für Schlaganfallpatienten,
Tausende von Lehrmitteln, winzige Handylautsprecher
und Multihyperlink, Klosterfrau Melissengeist,
Kernspaltung, Geschirrspülmaschine …

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