Schon der Name war umwerfend! Wer hiess im Dorf zwischen Gürbe und Stockhorn schon Hannelore? Sie war ein Jahr älter als ich und die absolute Schulhauskönigin. Lange vor den anderen trug sie Strumpfhalter und „dünne“ Strümpfe, zupfte sich die Augenbrauen und liess sich im Chemieunterricht eine Strähne Blond in ihren braunen Bubikopf färben. Wir anderen trugen meist zwei Zöpfe, wenn’s hoch kam einen Pferdeschwanz. Bis zur Strähnchenmode sollten noch Jahrzehnte vergehen. Hannelore sah einfach super aus mit ihrem dunklen Teint und ihren weissen Zähnen. Kein Wunder wurde sie ausgewählt, für „Pepsodent“, die damalige In-Marke bei den Zahnpasten, Werbung zu machen. Sie erzählte das beim Umziehen in der Garderobe und ermunterte uns, da auch mitzumachen. (Für mich kam das nicht in Frage, denn ich hatte einen angeschlagenen Schneidezahn).
Alle Mädchen wollten mit Hannelore in die Pause gehen, hatte sie doch immer etwas Unglaubliches zu erzählen, dazu teilte sie ihr riesiges Pausenbrot, mit Butter bestrichen und Zucker bestreut, mit den Kameradinnen.

Hannelore kleidete sich aussergewöhnlich. Sie trug oft Stiefel mit kurzen Stulpen und strickte sich einen Pulli in der Farbe azur, wir kannten nicht einmal das Wort, mit einer seitlichen dekorativen Knopfleiste. Keine Ahnung, wie viele gestrickte Pullis in meinem langen Leben eigentlich von Hannelore beeinflusst waren. Dass sie auch Klavier spielen konnte, war für uns Kinder wie ein Wunder. Manchmal, wenn die Lehrer das Haus verlassen hatten und der Hauswart noch nicht da war, spielte sie etwas Rassiges, uns völlig Fremdes, auf dem Schulklavier. Ich erinnere mich nicht, dass Hannelore beim herbstlichen Brennholztragen in den Schul-Estrich Holzscheite geschleppt hätte. Ich sehe sie am Flaschenzug, wie sie, zusammen mit einigen starken Buben, die Körbe vom Pausenplatz hinauf zum Estrichfenster zog. Oben nahm dann ihr älterer Bruder Peter die vollen Körbe entgegen, reichte sie nach hinten zum Leeren weiter und liess den Korb wieder hinuter schweben zu seiner schönen Schwester.

Weshalb mir Hannelore wieder den Sinn kam? Meine Schwester Rosy, die als kleines Mädchen Hannelores Bruder bewunderte, besuchte letzthin ein Jazzkonzert. Peter, inzwischen 70 und noch immer sehr gut aussehend, war der Trompeter. Bereits als Schuljunge begleiete er mit „Silberfäden“ seinen Schulschatz Eva auf dem Heimweg. Die Töne flogen den Hang hinauf bis zu ihr und bis zu uns, und das war dann unser Feierabend.