Gestellte Entführung

Foto 2nd2nd, male: Gestellte Entführung eines der letzten Wäschewagen

Immer wieder verschwinden in unserer Waschküche die fahrbaren blauen Wäschekörbe. Statt sie nur in der Waschküche und in den Trockenräumen zu benutzen, werden sie in die Wohnungen mitgenommen, was in einem Block ohne Schwellen und Treppen einfach ist. Das Fehlen dieser Körbe ist dann auch immer ein wichtiges Waschküchenthema und ein ewiger Grund zur Klage beim Hausmeister. Er ist natürlich schuld, dass solche Entführungen überhaupt statt finden können. Wäre er mehr in der Waschküche, auch Samstags, wos für die Körbe am Gefährlichsten ist, würden jetzt nicht wieder drei Stück fehlen. Eigentlich sollte er auch nach dem Nachtessen eine Korbschutzrunde drehen oder vor dem Frühstück. Immerhin ging der Hauswart heute auf die Suche, mehr, um die schäumenden Gemüter der Wäscherinnen zu beruhigen. Er läutete bei allen, die laut Terminliste gewaschen hatten, bevor die Zainen verschwanden – vergebens.
Der Hauswart hat zwei Fotos geknipst. Eins mit dem Wagen vor der Waschmaschine, das andere mit dem Wagen vor dem Lift. Ihm schwebte einen Moment lang ein Plakat für die Waschküche vor, auf welchem der Korb vor dem Lift mit einem schwarzen Kreuz durchgestrichen ist.
Als ich meine Hilfe anbot, meinte er: „Eigentlich sind mir die Wagen egal. Irgendwann werden sie wieder zurück kommen, denn sie werden ja überall erkannt. Ausserdem habe ich als Kind lange genug Kühe mit einem Stock gehütet. Waschkörbe mag ich keine hüten.“

Während den Sommerferien wird es wieder krass, da könnten alle zehn Körbe fehlen. Nach den Ferien wird sich die Schweizer Wäscherinnen-Minderheit beim Hauswart heftig beklagen über seinen laschen Stellvertreter, die verwilderten Waschküchensitten mit nicht eingehaltenen Waschplänen, nicht pünktlich geleerten Waschmaschinen und Trockenräumen, zurückgehaltenen Trockenraumschlüsseln und über die kosovarische Waschfrauen-Mehrheit, welche für drei Wochen die Herrschaft über die Waschküche an sich gerissen hätte und die einem den Verleider mache, im Block zu wohnen. Aber nun ist der Hauswart ja wieder da. Braungebrannt und erholt wird er die Wogen nach und nach glätten, obwohl er an der ganzen Misère auch ein bisschen Schuld hat, denn schliesslich ist er in die Ferien gefahren, statt in der Waschküche die Körbe, die Schlüssel und die Pläne zu hüten.