Der Siegrist hatte den in der Nacht gefallenen Schnee sauber weggeputzt, denn heute wurden mehr PredigtbesucherInnen erwartet, als gewöhnlich, fand doch der Gemeinschaftsgottesdienst für drei Gemeinden in der Martinskirche statt.
Dazu waren zwei Taufen angesagt, eine Schulklasse sollte Bibeltexte lesen und der Jodlerchor „Alpenrösli“, gestandene Mannen in Halbleinen und gestärkter Hemdsbrüsten, war bereit, der Predigt einen Farbtupfer aufzusetzen. Mit dabei waren auch 4 Bänke ehemaliger Schülerinnen und Schüler der Kofirmationsklasse Jahrgang 1944.
Der Pfarrer in weissem Talar mit etwas engendem Stehkragen trug eine Kette mit Kreuz auf der Brust. Kerzen brannten und der Aprilglockenstrauss gaukelte Frühling vor. Ein grosses Kreuz, umwickelt mit einem violetten Tuch und dichten Efeuranken schmückte auch den Chor, während die Schulklasse unter den strengen Augen ihrer Lehrer im Seitenschiff mit den Füssen scharrte. Entgegen der Ankündigung im Amstsanzeiger gabs nur eine Taufe, denn der Vater des 2. Täuflings, so der Pfarrer, habe sich beim Carven das Bein verletzt. (Fragende Blicke in meine Richtung: „Was hat der Vater…??)
Einige Verse aus Johannes, dann unbekanntes Kirchenlied aus dem immer noch sehr neuen Buch. Der Organist durfte es, leider noch auf der alten Orgel, in der Wiederholung spielen, auf dass sich die Gemeinde endlich daran gewöhne. Anschliessend die Taufe des Mädchens Milena, welches ein Kränzchen aus Schneeglöcklein auf dem noch kahlen Köpfchen trug. Zum Glück hatte das folgende neue Tauflied eine altbekannte Melodie. Dann sang der Jodlerchor ein Lied über die schöne, längst vergangene Kinderzeit, liess die Fröschlein springen, die Meiselein Nestchen bauen, das Mütterlein sorgen und dem Herrgott danken. Wie ein Alpaufzug mit Treicheln und Glocken stieg der Jodel an den alten Mauern empor zu der getäferten Decke. Applaus bitte erst nach der Predigt!
Nun lasen zwei Schülerinnen das Gebet für die Kranken, die Hungernden, die Ungeliebten. Während die Gemeinde sich tapfer am Passionslied versuchte, surrte leise eine Leinwand von der Decke hernieder. Der Pfarrer hantierte am Projektor.
„Aha, er zeigt uns, wie die Menschen in Burkino Faso mit den vom Dorf gependeten Fahrrädern zurecht kommen“, dachte ich.
Nein, es wurde das Bild eines Wellensittichs, sitzend auf einem Gummibaum gezeigt. Der Pfarrer hatte das Gefieder des Vogels mit Filzstiften orange und die Blätter der Zimmerpflanze grün angemalt. Von der Kanzel herab hörten nun alle die symbolstarke Geschichte des Sittichs.
(Ich erstickte fast an einem zurückgehaltenen Lachkrampf):
Pfarrers hüteten diesen orangen Vogel während der Abwesenheit ihrer Nachbarn, fütterten und tränkten ihn nach bestem Wissen und Gewissen. Alles ging gut. Wochen später besuchte der Pfarrer den Vogel bei den Nachbarn. O Schreck, der Sittich sah mickrig aus, das leuchtende Orange war dahin! Er sei richtig lachsgrau gewesen, erzählte der Pfarrer. Nein, Pfarrers traf keine Schuld. Es sei die Mauser. Mit einer sorgfältig verabreichten Spezialnahrung kriege man dieses Orange schon wieder hin.
Auch die Kaninchen seines Vaters hätten vor der Chüngeliausstellung immer Spezialfutter erhalten, damit das Fell der Hasen bis zur Prämierung glänzend würde. Wie bei den Tieren seis auch bei den Menschen. Eine richtige gesunde abwechslungsreiche Ernährung sei wichtig. Das bestätigten auch die Ernährungsberater.
Nach dem gemeinsamen Vaterunser und einem Naturjodel gebe es dann Kaffee und Bräzeli, von den Frauen der Gemeinde gebacken.
Die allen wärmstens ans Herz gelegte Kollekte heute für Burkino Faso …
Das Gedränge um den alten Taufstein war gross. Die Jodler hielten ihn mit Kaffeetassen und Bräzelitellern besetzt, jodelten noch ein bisschen. Nein, Frauen würden keine aufgenommen im „Alpenrösli“. Sie seien alle verheiratet und – ha,ha, ha – müssten ab und zu ein bisschen unter sich sein. Aber als Passivmitglied,
Fr. 15.-/Jahr, sei „die Weiblichkeit“ ihnen willkommen, bekäme auch ein Gratislos fürs Waldfest im Sommer …