Italienisch

Käse, Käse, Granatäpfel, Feigen, Zitrone, getrocknete Tomaten, Grappa

Lachend und schwatzend, in der Hand einen Becher Kaffee, über den Schultern grosse Taschen, aus welchen Rucksäcke heraus lugen, an den Füssen „brave“ Schuhe streben sie dem Gleis 4 zu. Der 07:31er, ein Sonderzug, steht schon eine Viertelstunde vor der Abfahrt bereit, und schnell sind die Plätze von aufgeräumten Markt-Fahrerinnen jeden Alters belegt. In diesem Wagen scheine ich das einzige Greenhorn zu sein, zum Glück begleitet von Marwa und Christine, beides keine Neulinge bei diesem samstäglichen Ausflug in den Süden.
Pünktlich zieht der Zug aus dem Bahnhof dem Berner Oberland zu. Das Wetter ist trüb, der Nebel sitzt auf Belp- und Langem Berg. Im Aaretal stossen die Kühe an den letzten schlappen Grasbüscheln. Nach Thun-Spiez-Frutigen kommen wir in gebirgiges Ogi-Land mit einer schäumenden Kander. (Diese Landschaft schreit ununterbrochen nach Adjektiven, entsch …) Auf weichen Sitzen geschaukelt ohne viel über diese Bequemlichkeit nachzudenken, unterqueren wir die nördliche Alpenkette und sind bereits über dem Tal der Rotten – der Rhone.
In Visp und Brig steigen noch einige Rentnerpaare in Wetterjacken zu, auch sie mit Rucksäcken, Einkaufswagen und Bergstöcken ausgerüstet. Weiter gehts durch den Simplon hinunter ins Val d’Ossola. Auf den Bergen nur wenig Schnee, unten im Tal leichter Nieselregen, aber wir sind in Italien!

In Domodossola dann ein kurzes geordnetes Gedränge durch die Bahnhofunterführung und schon verteilen sich die Einkaufstouristinnen in „ihre“ Caffè-Bars.
Domos malerische Altstadt ist bestens vorbereitet für die friedliche Invasion aus dem Norden. Zuallererst sollte man sich in den Laden für hausgemachte Teigwaren drängen, wo Mutter und Sohn in Windeseile die blassen Köstlichkeiten abwägen: gedreht, geriffelt, hohl, gefüllt, gebogen, ringförmig, gewellt … Ravioli mit Kastanienfüllung – bald sind sie weg.


Im „Vecchia“brummt die Kaffeemaschine, die Körbe mit dem Frühstücksgebäck sind aufgefüllt,

Capuccino

der Capuccino wird freundlich mit handgeschriebener Rechnung serviert.
Gerne möchte man länger bleiben, aber die Marktstände locken. Sie sind verteilt vom der Piazza mercato …

Domodossola

… hinein in die Gassen und Gässchen.

Käse, Fleisch, Fisch, Gemüse, Früchte aus dieser oder einer anderen Region haben mir’s besonders angetan.

Schnecken

Und auch die Stände am Rande des Marktes, wo alte Frauen Honig, Marmelade, Nüsse, Pilze, Rosmarin- und Stechpalmenzweige ausgebreitet auf Kisten feil bieten. Wie seit Jahrzehnten, findet man die Lederjacken und -taschen, Schuhe, daneben Stände mit Plastikramsch, sehr zur Freude von kleinen und grossen Kundinnen, die aus solchen Kisten immer wieder etwas Apartes hervor zaubern.

Die Chiesa Collegiata dei Santi Gervasio e Protasio ist zur Mittagszeit leer und düster. Wir graben in unseren Taschen nach Münzen für ein paar Kerzen. In diesem Gotteshaus hat man, im Gegensatz zu hier, Rauch und Wachs rigoros abgeschafft. Auf einem Holzbrett sind vor vier Reihen elektrischer Kerzen weisse Klingelknöpfe angebracht. Auf dem Brett befindet sich ein Schlitz zum Geld Einwerfen. Natürlich drücken wir erst auf den Knopf, wenn der Euro in die leere Kasse geplumpst ist. Bei diesem Geräusch lugt ein Pater zwischen den Vorhängen im Chor hervor – drei Frauen, drei Geldstücke – ehrliche Leute, die nicht gratis gedrückt haben. Ein bisschen Licht von unseren Kerzen fällt auf die blonden Haare von Pater Ralf, der als jugendliche Statue das linke Kirchenschiff bewacht.

Im „Terminus“, einem Restaurant mit rustikaler Bogendecke, finden wir mitten in Schweizerinnen und ein paar Einheimischen (Familie des Wirts?) einen freien Tisch und essen wieder einmal Italienisches in Italien und nicht in Bern.
Markterfahrene kaufen Alkoholisches wie Grappa erst dem Rückweg zum Bahnhof an der Corso Paolo Ferraris.
Mit gefüllten Taschen und Rucksäcken setzen wir uns in den Zug nach Hause. Wie es scheint, sind alle sehr zufrieden mit ihrem italienischen Tag, essen und plaudern und zeigen einander den Einkauf, zwar nicht preisgünstiger – der Kaffee ausgenommen – als daheim, aber besonders vergnüglich.