Mitgenommen sah sie aus nach einer kalten Nacht mitten in einem Feld bei Attiswil. Bei seinem Morgenspaziergang hat René Tschumi sie entdeckt und gleich die Polizei alarmiert. Allerdings brauchte es die „schöne Kraft“ von fünf Mann, um die Aufgefundene, zuerst Totgeglaubte in den Transporter zu schieben. Die grosse Frage: Wohin mit ihr? Wer kann/will die Unbekannte, die nichts bei sich trug, unterbringen? Man fürchtete sich vor eventuellen Krankheiten, die von der Fremden eingeschleppt werden könnten. Umfragen in den Nachbargemeinden ergaben nichts, niemand schien sie zu vermissen. Schliesslich fand „Jürg Scheideggger von der Gemeinde“ ein Plätzchen bei einem Bauern. Dieser stellte in gebührendem Abstand zu seinem Hof eine Notaufnahmestelle für sie bereit – nur vorübergehend natürlich. Einige schlugen „metzgen und wursten“ vor. (Das tut man in diesem Land gerne mit anstehenden Problemen.)
Attiswil stand den ganzen gestrigen Tag vor einem Rätsel.
Um Mitternacht schaltete ich auf TeleBERN. Dieser Sender löste in den vergangenen zehn Jahren schon so manches Rätsel in der Region. Ich wurde nicht enttäuscht. Man brachte einen rührenden Beitrag über die Unbekannte von Attiswil. Sie schnüffelte mit ihrem Rüssel schon munter an der Kamera, stellte ihre Borstenohren auf und blinzelte mit lustigen Schweisäuglein die Journalisten an, schmatzte Graswürfel. Es wurde aber noch nicht verraten, ob die Muttersau (im Berndeutschen: Moore), den heutigen Tag überleben würde. erst, als alle anderen Nachrichten gesendet waren, fuhr Bauer G. mit seinem Traktor auf, um die Ausresserin abzuholen. Nein, nein, er hat sie nicht gesucht, wäre Zeitverschwendung gewesen. Er hat gedacht, jemand wird sie finden oder sie kommt von alleine zurück. Wie die Sau ausreissen konnte, ist Bauer G. nicht klar, bleibt ein Rätsel. Er kann dem Reporter nur eines sagen: Die Stalltür war offen.
Ich weiss, dass gebildete Bernerinnen und Berner alles tun dürfen, nur nicht TeleBERN schauen oder die Gratiszeitung „20 Minuten“ lesen.
Sie verpassen die Gleichnisse des 21. Jahrhunderts.

Nachtrag nach Einblick in „20 Minuten“ von heute:
„Die Moore ist in der 2. Woche trächtig“, teilte Bauer G. der Presse mit.