Hier handelt es sich wieder einmal um einen hängen gebliebenen WMDEDGT?-Beitrag.
Weitere pünktlich am 5. des Monats erschienene WasMachstDuEigentlichDenGanzenTag-Beiträge auf der Website der In­i­ti­an­tin dieser Rubrik!

„Hörst du die Stille?“ Er stellte die Frage wie auf Zehenspitzen.
„So hört sich ein Hafen während einer Wirtschaftskrise an.“
„Keine Schiffe“, sagte sie
„Keine Schiffe.“
„Ich höre einen Vogel.“
„Bitte keine Vögel. Noch nicht.“
Doch ein einsamer Vogel hatte sein Zwitschern angestimmt, ein letztes Aufbäumen gegen den Winter. Und wie auf ein Zeichen hin erschien ein heller Streifen.

Das bin natürlich nicht ich, sondern Anna mit ihrem Vater in „Manhattan Beach“ (ISBN 978-10-490661-4)

Irgendwie fühlte ich mich heute früh eingeengt. Es war etwas nach fünf. Grossesmädchen schlief friedlich auf einer Matratze neben und Grosserbub zusammengerollt in meinem Bett. Scheint’s geistere ein schwarzer Film-Bösewicht durch ihre Träume und der traue sich nicht in Grossmutters Schlafzimmer.
Leise stieg ich über die Kinder, ging in die Küche, räumte möglichst lautlos die Abwaschmaschine aus und eine weitere ein. (Beim Familienabendessen gestern waren wir mit 9 Personen beinahe vollzählig.)
Nachdem ich mich gewaschen und angezogen hatte, füllte ich die weisse Wäsche in die andere Maschine und setzte mich dann mit einer grossen Tasse Kaffee an den Küchentisch zu den Zeitungen. Ältere waren auch einige dabei, was immer ein bisschen deprimiert. Denn was, hätte man sie aktuell gelesen, noch nach Hoffnungsschimmer aussah, hatte sich inzwischen meist zerschlagen. (Und da ist das 0:3 von YB gegen Juventus nur ene munzige Kleinigkeit.) Wo die 1’500 Pistolen- und Sturmgewehrpatronen, welche die Schweizer Armee seit heute „vermisst“, zum Einsatz kommen werden, werden wir wohl nie erfahren. Man ermittelt in alle Richtungen und tappt so lange im Dunkeln, bis die Lappalie vergessen geht.
Inzwischen waren die Jungkrähen wach geworden, ohne dass sich das schwarze Ungeheuer wieder gemeldet hätte.

Wir machten ein gemütliches Konfibrot-Frühstück, wobei das frische Quittengelée getestet werden konnte. Die Kinder hatten mit ihren Eltern eine Woche im Kosovo verbracht, wo sich die Bäume vor Äpfeln und Quitten bogen. Da alle das feine Gelée lieben und die Koffern auf der Heimfahrt beinahe leer sind, hatten ein paar dieser duftenden „ftoi“ darin Platz.
Die Konfi schmeckte prima. Nach dem Frühstück schlug ich vor, noch ein bisschen Französisch zu üben, denn bald beginne die Schule wieder. Weil die Kinder ein Wochenende in Paris vor sich hatten, machte das Üben Spass und „Ça ne sert à rien“ stand nur als Frage auf dem Wortkärtchen.
Am späten Vormittag klingelte der Kammerjäger. Seitdem die Nächte wieder kühler wurden, liessen sich auf den Fenstersimsen und in den Zwischenräumen der Fassadenverkleidung Abertausende von winzigen Fliegen nieder und krochen über die Scheiben. Aha, Umweltzerstörung, zuwenig Vögel für zuviel Larven, dachten wir. Der Fachmann schob sich den Mundschutz über, hantierte mit Kesseln und Pumpen und bearbeitet die Hohlräume mit einer Spritze. Die anwesenden Fliegen hatten keine Chance, bevor ihre Lebenszeit von drei Tagen vorüber war, fielen sie aufs Fensterbrett. Ohne Mittagspause arbeitete sich der Kammerjäger mit seiner Flasche vom 20. hinunter in den 1. Stock. Die Fenster mussten nun ein paar Stunden geschlossen bleiben.
Endlich hängte ich die Wäsche auf, nicht auf dem sonnigen Balkon, wo auch Mücken lagen, sondern im „Bibliothekli“, wo es den Büchern gut tut, wenn die Luft nicht gar zu trocken ist.

Irgendwie mochte ich nichts essen.
Aber die Quittenschnitze, welche vom Gelee zurückgeblieben waren, kochte ich dann doch noch als Brotaufstrich ein, fügte Zimt und etwas Rhum bei. Dazu trank ich selber ein Gläschen Ron Diplomatico Exclusiva de Venezuela.
Ehrlich gesagt, grauste es mich, die toten Fliegen zusammenzufegen und zu entsorgen. Den ganzen Tag schwärmten immer wieder Hunderte von Unbelehrbaren hinauf in den 16. Stock, um ihre „Höhlen“ aufzusuchen und dann mausetot auf den Fenstersims zu stürzen. Mit dem Weberglas (kleine Lupe) schaute ich mir so einen Winzling genauer an. Es war unbestritten eine Trauermücke. Ihre Larven finden vor dem Block Blätternahrung im Überfluss. Dann braucht es nur noch einen schönen Aufwind die Fassade empor und die geschlüpften Mücken können selbst als schlechte Flieger sich hinauf tragen lassen bis in den 20. Stock. Ein winziger „Trost“. Diese Viecher gab es schon vor 50 Mio Jahren.

Endlich stellte ich meine Sandalen für die Reinigung vor dem Einwintern bereit, mochte aber nicht schon wieder mit einer Bürste hantieren. Ich nahm „Manhattan Beach“ (Empfehlung einer Buchhändlerin in FB) zur Hand und las noch die restlichen 125 Seiten. Nun hatte ich doch Hunger und kochte ein Risotto Mdediterraneo mit Pouletstreifen und Salat.

Es reichte noch für einen kurzen Abstecher in den Garten. Von den Winterzwiebeln war noch nichts zu sehen, der Spinat spross in unterbrochenen Reihen – oder waren Schnecken am Werk?

Am Abend ging ich hinunter in den 12. Stock, wo die kleinen und grossen Krähen dran waren, ihre Kleider zu packen fürs Wochende in Paris. Ich hielt und zündete wo nötig und verabschiedete mich von den Reiselustigen.
Bonne nuit und dann in aller Herrgottsfrühe auch Bonne route!

Nach der „eingeengten“ Nacht wollte ich dann nur noch schlafen.
Die Mücken auf dem Fensterbrett schienen am Tau zu kleben.