… Und Grossmutter? Sie habe immer weggewollt, sagte sie, zu aufwendig sei es, hier Landwirtschaft zu betreiben. „Irgendwohin, wo die Weiden und Äcker flach sind.“ Und schmunzelnd fügte sie jeweils an: „Warum nicht nach Russland – oder Schaffhausen?“ […]
Sie begann, Gedichte zu schreiben. Immer des Nachts, wenn die Arbeit ruhte. Gedichte über ihren Vater, ihre Mutter, über das Leben in den engen Gassen von Albinen, über eine Geburt, eine Beerdigung […]
und über den Mond, der ihr Trost und Kraft spendete.

Der Tag geht nun zu Ende,
Es kommt die stille Nacht,
Die Sterne glänzen silbern,
Der Mond hält seine Wacht.

In seinem matten Lichte
Und in der Sternenpracht
Die Ruhe ich geniesse,
Bis dass der Tag erwacht.

Durchs Fenster

Und Träume schweben nieder,
Ich fühl‘ mich jung und frei,
Ich seh‘ mich Blumen pflücken,
Auch Veilchen sind dabei.

Ich winde sie zum Kranze
Und tanze Ringelreihen.
So fröhlich war‘s im Reigen
In unserem Kindersein.

Text: Hermann, Rolf : Flüchtiges Zuhause, Rotpunkt 2018, ISBN 978-3-85869-794-3
Foto: Vollmond von meinem Bett aus gesehen, 08.05.01:16