Coronadecke

Die einen bauen eine Baumhütte, die anderen häkeln Pfanntatzen, schreibt mir meine Schwester Hanni. Sie hat ihre 48. Decke aus einem alten Duvetbezug fein gequilltet. Sie nennt die Decke „Corona“.
(Zu sagen ist, dass meine beiden Schwestern Hanni und Rosy begabt sind, besonders arbeitsintensive, präzise Handarbeiten in wunderschönen Farben zu schaffen, dazu sind diese erst noch praktisch und halten lange.)
Schon immer fiel es uns schwer, etwas wegzuwerfen, und oft wundere ich mich, dass aus uns keine Messies geworden sind. Wir hatten und haben das Glück, in ausrangierten Stücken gleich das Neue zu sehen und die Umgestaltung so bald wie möglich in Angriff zu nehmen.
Ich erinnere mich an meine Mutter, die einmal ein Kleiderpaket – getragene Kleider von Bekannten für uns Kinder – öffnete, das zerknitterte Packpapier bügelte, dann mit den einzigen Ölkreiden blau und rot eine Blumenwiese darauf malte. Das Bild hängte sie in unserer finsteren Küche über einen hässlichen Fleck an der Wand. Das sah einfach prima aus!

In den vergangenen schafskalten Tagen bauten sich die Krähenkinder Nester aus Decken und schliefen oft darin ein, ein bisschen erkältet und ermattet.

Nest

Die blaue Decke, eine von den 48 (genau Nr. 35 vom 27.03.2008) und ebenfalls aus einem alten Duvetbezug, ist bereits seit 12 Jahren bei uns im Block. Wie lange sie ein Bezug war, weiss ich nicht, aber ich glaube, dass der blaugeblumte Stoff nachhaltigst verwendet wurde.

Abbestellen nützt nichts. Täglich liegen Kataloge in meinem Briefkasten.
Eigentlich hatte ich in der Risikogruppenwerdengebetenzuhausezubleibenzeit nur ein Fensterleder für Fr. 12.50 online bestellt und auch gleich bezahlt. Ab heute bin ich bereits ein „Super-Kunde mit Anrecht auf ein Super-Geschenk (Vogelstimmen-Uhr). So steht es im Personalkauf-Katalog. Jetzt kann ich von Super-Schnäppchen und Personalkauf-Angeboten profitieren, u.a.:
Gummi-Spannbändern verstellbar, Benzin-Freischneider mit Steinschlag-Schutz, X-Grubber-Bodenhacke, Stativ-Dreibeinregner, Solar-Teichpumpe, Einhand Power-Säge, Maus-Lebend-Falle, Silikon-Bratschnüren und vielem mehr, vielleicht kann man auch Personal kaufen, natürlich alles mit Personal-Rabatt. (Für einmal werde ich beim Lesen vom Bindestrich und nicht vom unnötig abgetrennten Genitiv-S geplagt, wie z.B. Housi’s Brotloube, Opa’s Pantoffeln …)

Wieder haben mich u.a. Schüsseln voll Erdbeeren, Kirschen, Kefen, Löcher in den Hosen der Kleinkrähen, abzufragende Franzwörtli, diverse Post, Bücher, Pflanzen, Zeitungen, Blogs, ein bisschen Recherche für „mein“ Lexikon, Essen kochen für die Grossfamilie vor Langeweile bewahrt.
Obwohl ich eine Telefonmuffelin bin, habe ich „gezwungenermassen“ doch einige Bekannte angerufen, die ich schon sehr lange nicht mehr treffen konnte.
Was frau da so alles vernimmt!
In der Fröhlichen Stadt an der Aare (Tourismuswebung) können an Alzheimer Erkrankte nur bis zum 65. Lebenjahr an Therapiegruppen, welche von der Krankenkasse bezahlt werden, teilnehmen, berichtet mir meine betroffene Bekannte. Für eine nach Hause gelieferte Mahlzeit wurden/werden ihr Fr. 30.- berechnet. Sie habe keinen Überblick mehr über ihre Finanzen und wisse nicht, wie lange ihr Geld noch ausreiche. Seit dem Beginn ihrer Krankheit erledigt eine freiwillige Helferin die Zahlungen. Die grösste Sorge meiner Bekannten ist es, dass sie in ein Heim ziehen muss, obwohl sie sich in ihrer Wohnung noch sehr gut, blindlings, zurecht findet.

Eine ehemalige Nachbarin ist vor einigen Wochen Witwe geworden. Ihr an Krebs erkrankter Mann musste das Spitalbett frei machen für eventuelle CoronapatientInnen. Als meine Nachbarin von einem Lastwagen überfahren und schwer verletzt wurde, konnte sie nur kurz im Spital bleiben. „Mein Mann starb dann nach langer Leidenszeit zu Hause“, sagte sie.
Nach und nach lernt sie wieder gehen, übt das Sprechen und wartet auf den 1. September, an welchem sie einen Termin bei der Chirurgin erhalten hat, um ihren zerquetschten Finger behandeln zu lassen. Die Warteliste sei eben lang nach dem Lockdown, und es sei völlig in Ordnung, wenn zuerst die Jüngeren dran kämen. Mit dem Klavierspielen seis noch nichts. Manchmal setzte sie sich hin und schlage mit den gesunden Fingern ein paar Töne an.