Weisse und gelbe Bänder zerteilen den Acker in Quadrate und Dreiecke. Die Sonne scheint auf die Erde in welche am Vortag eingesät wurde. Ein Kirschbaum wirft seinen Schatten auf das Quadrat am östlichen Rande des Feldes. Auf dem gemütlichsten Plätzchen am ganzen Rain sitzt eine Schar Krähen. Sie lassen sich nicht stören durch die flatternden, sirrenden Bändern um sie herum. Die Vögel haben die Giftkampagne vom Januar dieses Jahres überlebt und geniessen den Sommermorgen. Am Montag wird der Bauer sich eine andere Vogelscheuche ausdenken müssen.

Mir kommt das gelehrige Rattenpärchen von der Calangute Beach in den Sinn. In einem Kokospalmenhain in der Nähe des Strandes hatten wir für wenig Geld ein Häuschen gemietet. Neben den schwarzen Skorpionen, die ums Loch des Stehklos hausten, gab es auf dem Dachbalken des Einraumhauses ein Rattenpaar. Flink trippelten die beiden Tiere hoch über unseren Schlaftstellen auf den Balken, liessen die schuppigen Schwänze in den Raum hinunter hängen, beäugten uns Neulinge. Gruusig, fand ich und nahm eine lange Bambusflöte zur Hand, mit der ich schon erfolgreich den Skopionen den Garaus gemacht hatte. Ich versuchte die Nager zu erschlagen (Entsch …!), obwohl die Ratten in Indien zu den heiligen Tieren mit eigenen Tempeln gehören. Aber sie schienen mich auszulachen, denn ich traf nie. Vom Markt schleppte ich ein amphorenartiges Tongefäss mit rundem Boden heim, um die Esswaren darin sicher aufzubewahren. Zudecken wollte ich diesen Behälter mit einem passenden Blechteller. In unserer Abwesenheit gelang es den Ratten, das schaukelde Gefäss umzukippen, indem sie danach sprangen. Nun liess ich mich von einer Fachfrau beraten und hängte ein festes Plastikbecken an einem glatten Draht mitten in den Raum. Das pelzige Pärchen verfolgte meine Bemühungen mit glänzenden Knopfaugen und bebendem Schnauzhaar. Diesen Draht schafft ihr nicht!
Als ich am Abend nach Hause kam, hatten die Ratten unter dem Deckel ein Loch in das Becken genagt und sich am Vorrat gütlich getan. Ich fuchtelte zornig mit der Bambusflöte in Richtung Balken, wo die beiden gerade erst so richtig munter wurden. Nach und nach begann ich, die Bewohner unter dem Dach zu bewundern und zu akzeptieren. Dank ihnen hatten wir keine anderen unliebsamen Gäste im Haus. Ich gewöhnte mich an einen höflichen Ton, wenn ich mit ihnen sprach. Berndeutsch war für sie kein Problem. Ich schnitt Tomaten, während meine neuen Freunde am Tischrand sassen und interessiert zusahen. Von Zeit zu Zeit legte ich ein Stücklein vor sie hin, welches ohne Hast verzehrt wurde.
Ich erinnere mich nicht, dass die Amphore noch einmal zu Fall gebracht wurde.