Eigentlich hatte ich vor, die nötigen Einkäufe heute Nachmittag „im Schnuuss“ zu machen, d.h., den Orangen Riesen in meinem Quartier in möglichst kurzer Zeit zu durcheilen und die Waren hurtig von den Gestellen zu pflücken.
Daraus wurde nichts, denn diese schlauen Orangen hatten – wahrscheinlich letzte Nacht – die Gestelle umgeräumt. Als ich nach der Zartbitterschokolade für den Freund meiner Nichte greifen wollte, war da Katzenfutter. Weil ich keine Katze versorgen muss, wusste ich erst, dass sich solches in der rotgoldenen Aluschale befand, als ich meine Nachbarin traf, die davon einen halben Wagen voll vor sich her schob. Sie suchte eigentlich den Fruchtsaft, aber an diesem Platz standen jetzt Sparpackungen mit Tischbomben. Die Müslistengel waren auf dem Platz der Teigwaren gerückt, und der Brie befand sich statt auf dem untersten, auf dem obersten Tablar rechts. Auch das Feinwaschmittel musste aus unerfindlichen Gründen seinen Platz mit dem Weichspüler tauschen.
Es war ein emsiges Suchen, höfliches Fragen, Entschuldigen und Grüssen. Kinderwagen versperrten die ohnehin schon engen Durchgänge. Die Kleinen schliefen oder weinten weil sie in ihren gesteppten Anzügen zu warm hatten. Eine Traube Bekannter umringte frischgebackene Grosseltern, die eben einige Umschläge mit den neuesten Fotos des Enkelkindes abgeholt hatten. So herzige schwarze Haare hatte es bei seiner Geburt. Wer wollte, durfte die süssen Bilder zwischen dem Sonderangebot von Büromaterial und hellblauen Badefinken bewundern.
„Herr Arifi! Herr Arifi, bitte zum Kundendienst!“ „Fräulein Moosberger, bitte an die Kasse!“ (Fräulein Moosberger ist die Tochter von Frau Moosberger!)
Ich wartete an der Kasse. Als die Reihe an mir war, zeigte die Kassiererin auf die Lampe: „Habe eben ausgelöscht, mache Paus.“ Ich reihte mich wieder ein zwischen Kinder- und Einkaufswagen. Eine Frau liess mich vor. Sah ich schon so knille aus? Ich dankte und lächelte. Gern geschehen, sie habe keine Eile. Als ich meinen Einkauf verpacken wollte, sah ich, dass man alle Packtische weggeräumt hatte. Auch der Kopierapparat, die Plastikpflanze und der Tisch mit dem Geschenkpapier waren verschwunden. An ihrer Stelle standen Palette mit Getränkegebinden. Ich rechnete schnell aus: auf einem Palett 945 Liter Mineralwasser. Irgendwie versuchten alle, ihre Ware ohne Tisch zwischen Kinder- und Einkaufswagen, Rollatoren und Rollstühlen einzupacken. Manchmal fiel etwas zu Boden. Die Kassiererinnen in ihren kleinen Festungen reichten freundlich Haushaltpapier zum Putzen übers Rollband, ein Säckchen zum Scherben Einpacken oder die in der Ablage vergessenen Packungen. Frau Moosberger wickelte die Blumensträusse warm ein, während eine Gruppe von Männern am Kiosk einige Lose aufrubbelte. Meine beiden alten Nachbarinnen in handgestrickten Ohrenwärmern kamen vom Spaziergängli und freuten sich auf ein Käfeli. Heute war der Orange Riese nichts anderes als ein erweitertes Wohnzimmer, in dem zwar umgestellt worden war, aber was solls? Man hatte ja Musse zum Suchen.

Nebenbei: Dieses orange Riesen-Wohnzimmer steht nicht im Telefonbuch, weil „etwas schief lief“. Die Nummer wird einem aber gerne bekannt gegeben von der Filiale an der Murtenstrasse.