Die Ladenstrasse war vor dreissig Jahren unser ganzer Stolz. Kein anderes Quartier besass so etwas. Es gab einen Schuhmacher, eine Kleiderreinigung, einen tunesischen Laden, dessen Besitzer einem magrebinischen Spezialitäten besorgen konnte. Milch, Gemüse, Eier, Fleisch und Blumen brachten die Bauern aus der Umgebung in den Lebensmittelladen. Die Kioskfrau kannte alle Kinder, und die Apothekerin bereitete bei Bedarf Warzensalbe oder Läuseshampoo zu. Das Ganze war einem orientalischen Bazar nicht unähnlich. Abends kam dann der mürrische Hauswart von Block C mit seiner schweren Putzmaschine, spritzte Seifenlauge hektoliterweise, saugte sie mit dem Ungetüm wieder ein. Für eine Weile konnte man nur sehr vorsichtig und unter strengen Blicken passieren.
Die Ladenstrasse hat ihren Glanz längst verloren. Letzhin schloss auch der Kiosk. Ich vermisse die Frauen und Männer in ihren Regenmänteln, Pyjama- und Trainigshosen, die in der Frühe ihre Romanheftchen, Zeitungen und Zigaretten kaufen.
Das Putzen wird nun von einer Frau erledigt. Sie kommt immer vor acht am Morgen. Ich kenne sie nicht. Sie trägt einen langen Rock und ein Kopftuch und schaut niemanden an. Ich grüsse trotzdem. Bis jetzt putzte sie den Boden mit einem feuchten Wischer, aber heute schiebt sie das alte Ungetüm vor sich her, spritzt Seifenwasser und saugt es hinterher auf. Ich sehe, dass sie eigentlich noch ein Mädchen ist. Die Maschine ist viel zu schwer, dreht sich ein bisschen im Kreis. Trotzig schaut die junge Frau unter dem Kopftuch hervor, versucht das Ungetüm zu zügeln wie ein Pferd.
Ich kann mit gut vorstellen, dass sie das schafft und bald auch so streng schaut wie der alte König Hauswart.