Im oberen Teil des Ladens ist es finster. Aus einem Lautsprecher dröhnt Musik. Die Frau an der Kasse versucht, einige verregnete Jugendliche daran zu hindern, sich mit Gratis-Maltesers-Säckchen aus einem Korb zu bedienen. Die süssen Kugeln bekomme man nur, wenn man etwas kaufe. Ein Mädchen mault: „Hier steht aber gratis, also muss ich nichts kaufen.“ Zufrieden ziehen die Kids mit den Maltesers ab, denn die Verkäuferin ist nicht dumm. Aus den herunter hängenden Kopfhörerpaaren tönen die neuesten Hits. Ich stehe ein bisschen im Weg und ziehe mich in die Ecke der Hörbücher zurück zu „Mein Leben“ von Bill Clinton und dem „Zauberer von Oz“. Im „citydisc“ ist das der einzig mögliche Platz zum Warten.
Eigentlich begleite ich meinen Enkel. Er ist auf der Suche nach einer älteren CD von Sido. Der Bub hat einen Gutschein und ein paar gesparte Franken Taschengeld.
Darf ich als Grossmutter einen solchen Kauf unterstützen, mitfinanzieren? Sind diese provokativen Texte nicht schädlich? Hätte ich mich doch früher informiert, mit den Eltern des Kindes geredet! Nun ist es zu spät. Glücklich steht 3rd in der langen Schlange vor der Kasse. Endlich hat er die „Maske“ gefunden. Er bekommt 10 Rappen zurück und ein Säcklein Maltesers dazu. Mit den Zähnen reisst er im Bus die CD-Verpackung auf. Im Booklet sind keine Songtexte zu finden, nur das Bild einer Frau mit einem Brustwarzenpiercing.
(Gerade habe ich gelesen, dass der Sohn des Künstlers keine Sido-Musik hören darf!)
Nun vertraue ich auf das gute Fundament, welches der Bub musikmässig in den beinahe elf Jahren seines Lebens mit bekommen hat: Mozart, Bach und Smetana, Beatles und Jonny Cash, Elvis, die grossen spanischen Gitarristen, Franz Hohler und Mani Matter… Da kann eine Grossmutter nichts verderben.