Endlich habe ich richtig mit der entlassenen Quartier-Keramikerin reden können. Sie arbeitet ein paar Stunden in der Tagesschule und hat eine Weile bei einem Unternehmen putzen können, das seit letzter Woche leider auch Konkurs ist. Für den mickrigen Rest stempelt sie. Heute schrieb sie eine Bewerbung für eine Stelle als Garderobiere im Stadttheater. Die Erwartungen des RAV-Betreuers sind katastophal daneben, er will die Keramikerin kurz vor der zweiten Star-Operation an einen Bildschirm setzen und telekommunizieren lassen. Bingo.

Wir unterhielten uns also vor dem Block stehend über Sozialschmarotzer und all die Scheininvaliden, die uns zwar nie begegnen aber von denen wir dank Blick wissen, dass es sie gibt (O-Ton heute: „BLICK deckt auf: Das fidele Leben unserer IV-Rentner in Thailand“), da hinkte uns eine einsame Alkoholikerin entgegen. Sie sah furchtbar vernachlässigt aus, ihre Kleidung war rudimentär und schmutzig, ihr offenes Bein schlecht verbunden. Sie winkte unsicher, stellte sich leise vor (Name, Hausnummer, Stockwerk) und sagte scheu: „Ig bruuche es Päckli Teigware…?“

Es war klar, dass ich hier weiterhelfe, die stempelnde Keramikerin hat ja selber nichts, mit dem sie Vorräte für suchtkranke Nachbarn anlegen könnte. Weil ich Zweifel daran hatte, dass sich die Frau noch lange aufrecht halten würde, klingelte ich rasch 3rd und bat ihn, die Teigwaren herunterzubringen. Er ist nicht der Typ, der bei derlei Bitten lange nachfragt, er tanzte zackig mit einem Paket bunter Penne an. Die Frau stahlte, sie wollte unbedingt, dass ich ihr Fränkli annehme – aber ich konnte nicht. So gab sie es 3rd, der sich höflich bedankte. Worauf auch sie sich bei ihm bedankte. Sie drückte das Zellofanpäcklein glücklich an sich, warf uns eine Kusshand zu und schwankte von dannen.