… du hast wunderbare Zukunftsaussichten, denn ab 2007 wirst du zusammen mit allen anderen an 365 Tagen im Jahr genau das tun können, worauf du gerade Lust hast. Wo? In dem für Europa einzigartigen Zentrum, dem Ort des 21. Jahrhunderts, wo Freizeit, Unterhaltung, Gastronomie und Einkauf verschmelzen.
Libes Kind, du wirst über die lichtdurchflutete Mall schlendern. Das öffentliche Leben wird völlig neu definiert werden. Dieses zeitgenössische Paradies, geschaffen von einer internationalen Persönlichkeit der Architektur wird den ramponierten Ruf unseres Stadtteils, von den Medien oft als „Unort“ beschrieben, aufwerten! Bis dahin müssen aber noch Berge von Erde versetzt werden. Zum Glück gibts aus dem Oberland einen Haufen Schutt, mit dem der Röstigraben vor meinem blogk aufgefüllt werden kann. Wir werden das Tor des Westens sein, „durch das die modernen Verkehrswege entlang jahrhundertealter Pfade in Richtung Westschweiz führen“. Wir gedenken der eingewanderten Burgunder und Alemannen. Damit wir der Romandie im täglichen Leben näher rücken, sind entsprechende Strassennamen geplant. Libeskind, auch 2007 wird es noch keine Gleichberechtigung der Geschlechter geben: Die gewählten Namen bezeichnen zehn verdiente Männer und fünf Frauen! Eine mögliche Postadresse könnte dann so aussehen: Herr Aston George Swampillai-Sturzenegger und Frau Tabea Sturzenegger Swampillai, Gilberte-de-Courgenay-Strasse 453 / 4 B, 3028 CH-Bern. Wir beide haben natürlich jeder Zeit einen umfassenden Rundblick auf die Baumaschinen und ihre frisch angelegten Pisten, die Rohre, durch welche die Erde über die Autobahn transportiert wird, die Betonmischtürme, die nachts beleuchtet sind und das Bauarbeitercamp. Alles sieht proper aus. Sauberer als der Waisenhausplatz oder die Münsterplattform. Nachdem wir, du, Kind und ich viele Jahre lang zugeschaut haben, wie diese Felder gepflügt wurden, wie die Kartoffeln, der Mais, der Weizen und die Sonnenblumen gediehen, wie die Krähen hinter dem Pflug her flatterten und die beiden Bussardpärchen ihre Kreise zogen, befinden wir uns auch hier in einer Zeit des Umbruchs.