Als damals unser über 90 Jahre alten Vater zum Altersnachmittage im „Bären“ eingeladen wurde, winkte er dankend ab und meinte, dass diese Veranstaltungen nur für Senioren seien.
Vor einigen Jahren habe ich meine Probenummern der Senioren Zeitung ungelesen in die Papiersammlung geworfen und sie dann nachdrücklich abbestellt.
Heute kann ich mir nicht mehr vormachen, nicht zu den Alten zu gehören. Wohl oder übel befasse ich mich wenigstens am Rande mit diesem Lebensabschnitt, in welchem die Leute, statistisch gesehen, am zufriedensten, entspanntesten sind. Wenn ich Zeit habe, lese ich auch, was über „die Alten“ geschrieben wird. Es gibt die „reichen Alten“, die Alten, welche immense Pflegekosten verursachen, die Alten, die in zu grossen Wohnungen leben, die Alten, welche jetzt noch das Glück haben, eine AHV zu erhalten, die Alten, die an Sesseln kleben, die Papst werden, in Verwaltungsräten sitzen, Vitaminpräparate „Für Senioren“ einnehmen, die „jungen Alten“, welche Marco Polos Routen und Pilger- und Wanderwege bevölkern und ganz am Rand die Alten, welche mit knapper Not jeden Tag so durch kommen. Natürlich ist bei so viel Altem die „Überalterung“ nicht zu verhindern. Bern z.B. ist überaltert. So sehe ich im Museum, in den Läden, beim Kinderarzt, vor Schulen und Kindergärten, in den Parkanlagen, dem Dählhölzli, im Schwimmbad, auf der Eisbahn und dem Markt, auf Spielplätzen, in Zug, Postauto und Schiff fast nur Alte. Nicht wenige von ihnen werden zum Glück von kleinen und kleinsten Kindern begleitet.
Ein Wort habe ich neu gelernt, es heisst „Tagesfreizeit“. Wer Tagesfreizeit habe, solle sich doch bitte melden, um dieses und jenes zu verteilen, zu organisieren, zu verfassen, verpacken, abzuholen, bringen, hiess es an der letzten Vorstandssitzung meiner Partei. Erst da wurde mir bewusst, dass hier die Alten gemeint sind.

Unser Block ist auch überaltert – bewohnermässig. Gerade in den letzten Wochen wurde eine (helle, grosse, preisgünstige, renovierte) 6 1/2 Zimmer Wohnung zu zwei Wohnungen umgebaut. Da wir im Quartier nicht mit einer guten Schule trumpfen können, mögen Schweizer Familien trotz Wohnungsknappheit und hohen Mietzinsen, nicht hierher ziehen. Wer will schon seine Kinder in Schulen schicken, die im gesamtstädtischen Vergleich total am Schwanz stehen? Verständlich, denn es bräuchte u.a. einige engagierte Familien und viel Zeit, um etwas zu verbessern.
Die 6 1/2 Wohnung hätte auf jeden Fall vermietet werden können, z.B. an eine albanische Drei-Generationen-Familie oder an afrikanische Flüchtlinge, wo das Sozialamt den Mietzins übernimmt. Die Verwaltung hat sich dagegen entschieden und die beiden „neuen“ Wohnungen an ein Schweizer Rentnerpaar und an eine alleinstehende ältere Schweizerin vermietet.
Darüber bin ich froh, auch auf die Gefahr hin, als Rassistin zu gelten. Es ist vor allem unserem Hausmeister und einigen Bewohnerinnen und Bewohnern zu verdanken, dass das Zusammenleben trotz multikultureller Vielfalt (in welcher Regeln sehr frei ausgelegt werden) und diversen chronischen „Sozialfällen“ einigermassen gut läuft.