Gegen 14 Uhr ist das Café leer – Mittagsruhe im Domicil. Die Frau in der blauen Schürze schiebt den Putzwagen durch eine enge Tür. Auf dem Sims im Korridor Krippenfiguren aus Wolle, Holz und Jute. Darüber auf einem Bildschirm ein verschneites Dorf – abwechseld bei Tag, dann bei Nacht mit Sternenhimmel. An der Decke hängen Buchenäste mit roten Kugeln.
Ich setze mich an einen blank polierten Tisch zwischen Philodendron und etwas Stacksigem, das sich „Bogenhanf“ nennt und schaue ein bisschen Tag, Nacht, Tag, Nacht, bis ich beinahe einschlafe. Die blank polierte Kaffeeteemaschine verlangt schriftlich nach einem Zweifränkler. Plumps – heisse Milch zischt ins Glas mit einem Strählchen Kaffee. Hahnenwasser sehe ich keines, was mich erstaunt und freut. Werden alte Menschen nicht dauernd von Pflegepersonal und Angehörigen genervt mit: „Du musst viel trinken. Trinken ist gesund. Weil du nicht trinkst, hast du geschwollene Füsse, bei deinen Medis musst du trinken, in dieser trockenen Luft sowieso …“? Hier braucht’s für Wasser still oder mit Blöterli einen Zweifränkler, schreibt der blank polierte Kühlschrank.


Mein Glas ist leer. Es gibt drei Schubladen „Schmutziges Geschirr“ und eine „Abfall“. Ich versorge ordnungsgemäss. Weiter hinten im Korridor, vorbei an Schaukästen mit einer Madame de Meuron Puppe, Fotos vom Berner Weihnachtssmarkt und gebastelten Sternen aus Salzteig gibt’s ein Tischchen mit zwei Stühlen, eingeklemmt zwischen WC- und Praxistür. Dort warte ich, bis ich mit der Physiotherapie dran bin. Ich könnte in den aufliegenden Zeitschriften lesen, mindestens dreimal über Mirka und viermal über Scharlene. Ich lese ein bisschen im Mitgebrachten.
Endlich ist etwas los im Domicil: Durch den Gang trippelt Frau Tanner auf Noppensocken in Shirt und weiter Tricothose. Sie wird von Ines, der Coiffeuse an der Hand geführt. Frau Tanners weisses Haar ist verstrubbelt und sie schaut grimmig. Ines spricht ruhig mit der Frau und sagt, dass sie ihr jetzt die Haare machen, aber zuerst den Stuhl ein bisschen bequemer einstellen werde. Frau Tanner schweigt. Die Coiffeuse lächelt und macht sich ohne Hast an die Arbeit.
Nun bin auch ich dran. Während die Therapeutin versucht, mit gezieltem Ziehen und Drücken mein rechtes Sprunggelenk vom innerlichen Eisenband zu befreien, komme ich zum Schluss, dass man bei der Wahl des Altersheims Domicils oder wie auch immer eines anstreben sollte mit einem wirklich schönen pfiffigen Restaurant. Wo auch die Jungen gerne hinkommen, z.B. wie hier.
So oder so, mein Schwiegersohn, der Hausmeister hat mir heute versprochen, dass ich die modernste und beste Kaffeemaschine mit dem besten Kaffee in mein Zimmer erhalten würde, falls …