Abends hing Mamoun meistens im „Ombra“ herum und hielt erfolgreich Ausschau nach einsamen Herzen. Seine Kindheit hatte er im südliche Atlas hinter sich gebracht, einem trocken zerklüfteten Gebiet, jedem kleinsten grünen Hälmchen feindlich gesinnt.
Nachdem die holländische Familie, welche ihn als Mädchen Bübchen für alles in ihre Genfer Villa mitgenommen hatte, ohne ihn weiter gezogen war, fand er in Bern ein paar magrebinische Landsleute, über die er bald alles wusste: wer mit wem, wann, wo warum und so. Abends im „Ombra“ wurde Mamoun umringt von hellhäutigen Bärnermeitschi, welche eifrig ihr Schulfränzösich an diesem blendend aussehenden jungen Mann ausprobierten. Solch exotische Männer waren anfangs der Sechzigerjahre in der Bundesstadt rar und all die Einwanderungverhinderungsinitiativen noch nicht angedacht.

Mamouns Glücksstern schien vollends aufzugehen, als ihm ein Diplomat aus Dubai einen Job anbot, sehr gut bezahlt und sauber.
Der neue Arbeitgeber war tatsächlich überaus grosszügig. Bald trug Mamoun teure Anzüge, eine Markenuhr, fuhr schnelle Autos, speiste und schlief in den nobelsten Hotels, kam in ganz Europa herum.
Nein, nicht, was man so auf den ersten Anhieb denkt!
Mamouns Arbeit bestand darin, für den Diplomaten und seine Freunde „den Affen“ zu spielen. Nach einem anstrengenden Geschäftstag konnten sich die Männer am besten entspannen und köstlich amüsieren, wenn Mamoun ihnen nackt einen Affentanz vorführte und dazu Bananen verschlang.

Im „Ombra“ hielt eine nette, nicht mehr ganz junge Lehrerin vergebens nach Mamoun Ausschau und fand sich nach einigen Wochen des Wartens damit ab, sich allein auf die Geburt ihres Kindes vorbereiten zu müssen.

Mamoun verkehrte nun in ganz anderen Kreisen. Eine Industriellentochter aus Zürich hatte sich in den charmanten Beau aus der mit Geld um sich werfenden Entourage des Diplomaten verliebt. Die Hochzeit wurde organisiert. Die Ehe dauerte nur einen Tag, denn auch in Zürich gab es einen aus dem südlichen Atlas, der alles wusste: wer mit wem, wann, wo warum und so und der frischegebackenen Ehefrau nichts verschwieg. Der Affentänzer wurde flugs und ohne Aufsehen abserviert.

Als sein Chef wieder zu Jagdfalken und Sippe ins ferne Dubai aufbrach, wurde Mamoun unsanft auf „Start“ zurück geworfen, mit dem nicht unwichtigen Unterschied, dass ihm der Diplomat zum Abschied einen Koffer vollgestopft mit Banknoten in die Hand drückte und vorschlug, sein Hofnarr solle doch in Marokko ein kleines Hotel aufmachen – irgendwo an einem warmen Plätzchen am Meer.

Mamoun war leider beratungsresistent, verprasste alles innerhalb von wenigen Wochen an einem spanischen Strand und kehrte ohne einen Rappen Dirham, dafür mit zahlreichen Gebresten heim in den südlichen Atlas.

So trist, wie man vermutet, verliefen seine letzten Lebensjahre nicht. Wie durch ein Wunder erhielt Mamoun jeden Monat eine kleine Rente.
Das Kind der netten Lehrerin war gross und ein netter Lehrer geworden, der für seinen unbekannten Vater bis zu dessen Lebensende sorgte.