Jeder Schüler meiner Praktikumsklasse, KKD, durfte eine Lehrperson auswählen, um ihr einen Weihnachtsbrief zu schreiben. David wollte der Logopädin schreiben. Die Lehrerin fand seinen Brief nicht sehr weihnächtlich. Die anderen Knaben hatten Sterne gemalt und „froe Weinachten und ales gute“ geschrieben. Doch auf Davids Brief stand: „Liebe Frau Keller. Es tut mir leid. Viel Glück von David.“ Darunter waren ein Kreuz und ein ganz trauriger Sankt Nikolaus gezeichnet. Rundherum regnete es Bleistiftstriche. Tränen?

Im Lehrerzimmer klärte uns die Logopädin auf. Wir wussten, dass vor einigen Wochen ihr Vater gestorben war, aber dass sich der kleine sprachbehinderte Vietnamese daran erinnerte, darauf sind wir nicht gekommen. Ob er den Weihnachtsbrief alleine gemacht habe, wollte Frau Keller wissen. Nein, sein Freund, ein Albaner, hätte ihm geholfen. Der sei allerdings der Meinung, nach dem Tod werde man wieder geboren. David selbst glaubt aber eher, ihr Vater sei jetzt ein Engel.