Nach Palmen, Oliven, Oleander, Bambus, Lorbeer, Zypresse wird nun auch die Feige eingetopft, eingezwängt und massiv zurück gestutzt. In angeketteten Kübeln soll sie die Eingänge zu den Geschäften schmücken. Die Sonne scheint in die alte Gasse, ein prächtiges Fotowetter mit richtiger Ferienstimmung.
Ich selber bin in Eile, sehe das ja jeden Tag (muffel, muffel).
„Juhuu!“
An einem grossen Holztisch eines Restaurants unter ausladendem
Sonnenschirm winken mir einige Frauen zu, bieten mir einen Stuhl mit Seidenkissen an. „Hast du Zeit? Komm, was möchtest du trinken?“ Auf dem Tisch stehen braune Glasflaschen mit altmodischem Bügelverschluss.
Ich begrüsse die lustigen Weiber – drei Generationen – und vergesse augenblicklich meine Eile. Hier sitzt der starke Teil einer weit verzweigten türkisch-kurdischen Sippe bei „Ramseier Suure“, meinem Lieblingsmost. Einer der Söhne aus der dritten Generation bringt auch mir eine Flasche. Er ist flott gekämmt, der Lausbub, trägt ein Schildchen am Hemd „Ich schnuppere hier!“ und schenkt mir gewandt ein: „E Guete!“
Macht er das nicht wunderbar? Wir sprechen über unsere Kinder, wie schön und klug sie zum Glück sind usw. Ab und zu klingelt eines der Handys auf dem Tisch und ich realisiere, dass ich hier mit der kompetenten Stellvertretung des Wirts suure Moscht trinke. Vor drei Jahren hat ein junger Mann aus der Familie das Restaurant in der unteren Altstadt übernommen. Die Frauen managen die Lieferanten, die Bestellungen, das Personal, die Arbeitspläne, kein Problem. Gerade kommt eine Rentnerin aus der Nachbarschaft vorbei. Sie hat für das Restaurant Dekorationskerzen bemalt, gelb mit roten Rosen. Sogleich bringt ihr die Kellnerin einen Milchkaffee, man kennt sich. Der Most macht uns ganz fröhlich. Wir sprechen über das kleine Dorf wo sie alle herkommen, nicht weit vom Ceyhan, welches übersetzt Schwarzes-Hassan-Dorf heisst und sind uns einig, dass wir einmal mit unseren Familien den Sommer dort verbringen, im Schatten des Dorfbaumes bei Feigen und Melonen.
Etwas unsicher auf den Beinen gehe ich wieder zurück an meinen Schreibtisch.

(Die Familie kenne ich schon viele Jahre. Den Kindern, auch dem Wirt, habe ich Deutsch und Rechnen beigebracht und ich bereue es nicht, streng gewesen zu sein. Eine der Töchter studiert Jura. Ist es nicht beruhigend, eine Juristin im Bekanntenkreis zu haben?)