In jeder Familie gibt es Geschichten, welche, zum völligen Überdruss bei den Kindern, von Eltern immer und immer wieder erzählt werden. Ich bin da keine Ausnahme. Die von den Frigöörli habe ich während Jahren hundert Mal „gebracht“.
Wie die erste und zweite Klasse vor dem Klettergerüst in Viererreihe steht und auf „Los“ sich je vier Kinder auf die schrägen Stangen stürzen. Hurtig klettern sie hinauf, berühren das Ende wo sich gerade und schräge treffen, sausen wieder hinunter, lassen sich in die Sandkuhle plumpsen. Das schnellste Kind bekommt ein Frigor-Schöggeli aus der roten Schachtel, welche die Lehrerin Fräulein Schneider zum Geburtstag erhalten hat. Es ist 1953, und ich habe so etwas herziges, wie diese kleine Schokolade noch nie gesehen. Ein Blick auf meine KonkurrentInnen gibt mir Hoffnung, muss ich doch nur gegen zwei anklettern. Meine Schwester in derselben Gruppe habe ich nicht zu fürchten.
Los – hinauf – hinunter. Die Waden brennen. An der Stange hängt meine hübsche Schwester, klammert sich daran fest. Ihre langen blonden Zöpfe und ihre Schürze berühren den Sand. Ihr Gesicht ist rot vor Anstrengung. Ich marschiere zur Lehrerin, um meinen Preis entgegen zu nehmen. Halte ich schon die Hand ausgestreckt?
Fräulein Schneider geht an mir vorbei, hin zu dem Kind, welches wie ein Faultier an der Stange hängt, hilft ihm, wieder sicheren Tritt zu fassen und gibt ihm das Frigöörli, welches eigentlich mir gehört. „Für dich wars kein Problem, hinauf zu klettern, aber für Hanneli wars eine grosse Leistung, so lange hängen zu bleiben. Deshalb gehört ihr der Preis. Los, die Nächsten!“
Klar habe ich im Laufe der Jahre unzählige rote Schachteln mit quadratischen Schokoladetäfelchen erhalten, auf dass sich meine masslose Enttäuschung endlich verflüchtige. Mit Erfolg, denn ich möchte heute keine Frigor-Schoggi mehr, und diese Geschichte habe ich hier zum letzten Mal erzählt.