Als Frau Schnyder ins Altersheim übersiedelte, nahm sie die Kasperli-Figuren mit. Ihr Mann, ein Grafiker, hatte diese als frischgebackener Vater modelliert und Frau Schnyder hatte die Kostüme genäht. Eigentlich wollten die erwachsenen Kinder die Figuren schon lange entsorgen und verstanden nicht, dass ihre Mutter solch unnötigen Kram ins Heim mitnahm. Wenn ich der alten Frau eine Auswahl Bibliotheksbücher vorbei brachte, kochte sie mir Tee, nahm dann den Kasper, das Grittli, den Polizisten hervor und erzählte von früher. Als Frau Schnyder gestorben war, erhielt ich Bescheid, dass sie mir die Kasperlifiguren hinterlassen hatte. Aber aus dem Erbe wurde nichts. Die Söhne wollten die Puppen nun unbedingt haben, riefen mich ständig an, versuchten mir auf die Tränendrüsen zu drücken. Schliesslich seien die Handpuppen von Papa, einem Künstler, gemacht, ein wichtiges Andenken und wertvoll. Es sei doch seltsam, dass Mama sie nun einer wildfremden Person … Ganz klar, dass ich nicht auf meinem verbrieften Recht beharrte.

Noch einmal sollte ich etwas erben.

Meine Freundin Rosmarin, Lektorin in einem grossen Verlag, vermachte mir ihre Bibliothek. Sie lag bereits auf dem Sterbebett, als ihre Brüder ihr mitteilten, dass sie für die Bücher eine Abfallmulde bestellen würden, da niemand in der Familie ein Interesse an diesem Altpapier hätte. Verzweifelt liess Rosmarin vor Zeugen ein Testament für die Bücher schreiben. Nach dem Tod von Rosmarin organisierten wir einen Lieferwagen, Kisten, Helferinnen und Helfer. Aber Rosmarins Brüder waren schon vorbeigekommen. Mit einem Antiquar hatten sie alles, was wertvoll und selten war, aus der Bibliothek abtransportiert.

Ich höre viele Erb-Geschichten, selten gute. Eine Freundin von mir z.B. besucht regelmässig ihre alte Mutter, kauft ein, macht einen Spaziergang, schaufelt im Winter den Schnee weg. Das wird von den Geschwistern, sie haben ihre eigenen Geschäfte und sind oft im Ausland, nicht goutiert: die Schwester sei eine Erbschleicherin und man wisse nicht, was sie während ihren Besuchen der Mutter alles abluchse.

Und alle, bei denen es nicht nur um Puppen oder Bücher geht, können aufatmen. Denn ein möglicher Kollaps des europäischen Bankensystems wird vorausgesagt, nicht von einer Astrologin, sondern vom ehemaligen Chefökonomen der UBS. Das würde dann sicher einige Erbstreitereien lösen.

Eine schöne Erb-Geschichte kenne ich doch. Meine Freundin Caroline, erbte von einem pensionierten alleinstehenden Arbeitskollegen etwas Geld. (Ganz klar, erledigte Caroline alle Läufe und Gänge, die es bei einem Verstorbenen ohne Verwandtschaft gibt.) Caroline also schenkte mir von diesem Erbe dreitausend Franken. Meine Arbeitgeberin, eine Kämpferin für Frauenrechte, hatte mir gerade gekündigt und ich wusste nicht, ob ich je wieder eine neue Arbeit finden würde. Das Geld von Caroline gab mir Mut und linderte die Existenzangst. Ich fand dann zum Glück wieder eine Stelle und musste das Geld nicht aufbrauchen. Der „Notgroschen“ liegt noch auf der Bank. Caroline will es nicht zurück haben. Es muss aber unbedingt vor dem Kollaps unter die Matratze!