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Im aktuellen SPIEGEL (ab S. 66) ist ein ausführlicher Bericht über Libeskind, den Daniel, den Architekten, den „Prediger, der baut“.

Er rennt, er hüpft, er hat von allem den finalen Entwurf im Kopf, er sieht ganz genau wie es zusammenhängt, er ist stolz, gespannt, polnischer Jude in New York, nie ein Berliner geworden, obwohl Berlin das spezielle Licht hat.

Es ist leicht zu sagen: Ach, das ist grau. Aber es gibt etwas Schönes in diesem Licht, ein östliches Licht. Es gibt mehr Helligkeit in dem dunklen Berliner Himmel, als man mit blossem Auge sehen kann. Es ist das Licht der Geschichte, der Ideen der Menschen. Architektur hat unter anderem die Aufgabe, diese Licht erkennbar zu machen.

Auch wenn eine Shopping-Mall nicht geade das jüdische Museum oder das neue World Trade Center ist: Wer weiss, vielleicht lässt sich auch hier das Licht der Erkenntnis nutzen, vielleicht verschwinden auch hier die Mauern:

Ich zeichnete einfach durch sie [die Mauer] hindurch, als wäre sie gar nicht da. Die Mauer war nichts gegen meine Ideen, gegen die jüdische Kultur. Bis heute habe ich das Gefühl nicht vergessen. Und als die Mauer dann tatsächlich fiel, dachte ich, ich habe etwas damit zu tun. Was wir glauben, was wir denken, jeder von uns, trägt dazu bei, was in der Welt passiert.

Während des Jahres bleibt mein Quartier pressemässig ziemlich vergessen. Es kann sein, dass wir in einer Statistik zu Jugendarbeitslosigkeit/Sozialhilfe auftauchen oder die Webcam von Westside erfasst uns in ihrem Auge am Rande. Auch wenn Mister Libeskind einfliegt, um bei der Geburt seines ersten Einkaufszentrums kurz dabei zu sein, kommt der Block meistens mit aufs Bild.
Meine Arbeitskolleginnen und -kollegen nehmen in der Kaffeepause die Zeitung zur Hand und sagen: „Merci schön, da möchte ich nicht wohnen.“
Wenn ich dann mit der Bleistiftspitze auf den 13. Stock zeige, schauen sie mich ungläubig an.
Alles wird schlagartig anders in der Adventszeit. Man möchte in der Zeitung etwas Weihnächtliches bringen, das einem kurz das Herz erwärmt, etwas über Leute, die sich vertragen und welche trotz ihrer „fremden Kulturen“ die christlichen Feiertage so gestalten, dass eben das „Fremdeandere“ darin Platz hat. Beliebt bei den Zeitungsleuten sind Muslime, die Weihnachten feiern, sogar bei den Vorbereitungen zum Fest tatkräftig mithelfen wie den Stern über der Bäckerei aufzuhängen, den besten Weihnachtsbaum in der ganzen Stadt zu suchen, am Morgen früh aufzustehen, weil das Kind ungeduldig vor dem Adventstörchen wartet.
Der kluge Journalist macht sich früh im Dezember auf die Socken, um mit den Bewohnerinnen und Bewohnern im Quartier Kontakt aufzunehmen. Er zeigt nicht, dass er in Eile ist, hört sich auch Geschichten an, die er im Moment nicht braucht und schreibt dann etwas, das für alle verständlich ist.
Es gibt aber auch solche, die versuchen, kurz vor dem Fest „passende“ Familien zu finden, die sich zur persönlichen Gestaltung des Christfestes interviewen lassen (mit Foto). Der Erfolg ist gleich null, niemand will etwas sagen, auch die freundlichen Tamilien nicht.
Als mein Handy mit einer unbekannten Nummer klingelt und sich eine Frau in Hochdeutsch vorstellt, denke ich an eine Lotto-Gesellschft in Frankfurt. Zuerst frage ich nach, wie die Anruferin zu meiner Nummer kommt. Aha, das ist die Journalistin, welche mich besuchen möchte. Ich bin ihre letzte Hoffnung. Ja, sie darf kommen. Allerdings wird meine Familie um diese Tageszeit nur klein sein, da alle berufstätig sind, aber zur grossen Erleichterung der Zeitungsfrau sind wir ein bisschen gemischt, dank meinem Schwiegersohn mit den kosovarischen Wurzeln.

Nach den letzten beiden ländlichen Beiträgen wieder zurück auf den städtischen Boden von heute. Durch ihn wühlt sich der Baggerzahn wie nie zuvor in der Geschichte. Tiefe Gräben reisst er auf, manchmal auch Wasserohre und elektrische Leitungen, stösst Erdhügel in Form einer Vor-Voralpenkette zusammen, frisst sich in Mauern und Dächer und reisst sie nieder.
Wie Schiffe auf dem ausgetrockneten Aralsee ragen die drei Wohnblöcke des Quartiers aus der Bauwüste. Überall trifft das Auge auf schmerzende Hässlichkeit. Blumen und Sträucher werden abrasiert. Ihre Wurzeln ragen aus der nackten Erde. Wer das Haus täglich zu Fuss verlassen muss, hat sich mit den unsinnigsten Umleitungen abzufinden, wie Wege über glitschige Bretter, durch Autotunnel und über Treppen. Zum Bus kommt man über einen steilen, notdürftig geteerten Erdwall – oder eben nicht.
Nun sind auch die Bäume auf der Ostseite meines Blocks abgeholzt – es soll in den nächsten Jahren ein „übersichtlicher Platz“ entstehen.
In ganz Bern scheint eine Bauwut ausgebrochen zu sein, denn auch im Innern von Waren- und Bürohäusern, Schulen und Spitälern wird umgebaut – immer bei vollem Betrieb und auf Kosten der Gesundheit von Angestellten und PatienInnen.
Der neue Stadtteil „Westside“ wird sicher einmal eine Seite in einem prächtigen Bildband zur Architektur von Daniel Libeskind einnehmen.
Aber bis dahin hat mich der Baggerzahn längst aufgefressen.

Die Hausverwaltung hat mir in diesem Jahr eine neue Dusche und einen neuen Schlafzimmerboden zugesprochen. Ein Anruf von mir genügt und ein kleines Handbäggerchen kommt, um mit seinen kleinen scharfen Zähnchen den Boden in meiner Wohnung aufzureissen.

Im Westen ein Hauch von Süden

Hoch oben auf dem Dach zu wohnen, ist meistens ein Vorteil. Gibt es doch kaum einen besseren und Platz, aufziehende Gewitter über dem Jura zu beobachten, einen Regenbogen, der sich im Osten über die Stadt wölbt, ein Rudel Heissluftballone, welches vom Wind über den Block dem Emmental zu geschoben wird oder die Schneeberge, beschienen von der aufgehenden Sonne. Nicht zu vergessen der riesige libeskindsche Bauplatz Bern-West.
Ein solcher Hochsitz braucht Pflege, besonders nach einem langen und strengen Winter. Die Mauern erhalten eine neue Farbe, der Boden muss von Moos und Unkraut gesäubert werden, damit das Wasser richtig abfliessen kann und nicht in die darunter liegenden Wohnungen eindringt. Alle Pflanzen werden umgetopft und vorsichtig gegossen.
Sonnenblumen-, Glockenreben- und Kürbiskerne (für Vaters Hochbeet) werden in Aussaattöpfen angezogen. Erst nach „den Eisheiligen“ bekommen die Pflanzen und somit auch die Menschen ihren Sommerplatz auf dem Balkon.
Kein Wunder, dass zum Bloggen nur wenig Zeit bleibt..
Heute doch noch ein Buch gelesen, empfohlen von meinem Enkel.

Frau K. kommt mit schmerzenden Beinen an die Bushaltestelle. Obwohl sie Gesundheitssandalen trägt, sind die Füsse aufgeschwollen. Seit einigen Monaten arbeitet sie in einer mit Taschen und Schirmen vollgestopften Lederboutique in der Altstadt. Das Schlimme ist, dass man sich darin die Beine nicht vertreten kann. Alle Arbeiten muss Frau K. im Nachstellschritt erledigen. Dazu kommt noch, dass sie den Detailhandel in Leder nicht gelernt hat. Die KundInnen stellen oft Fragen, die sie nicht beantworten kann. Sie gibt es offen zu, wenn sie etwas nicht weiss. Ist der Chef telefonisch zu erreichen, fragt sie ihn.
Eigentlich kommt sie aus der Textilbranche „Schweizer Spitzen“, aber seitdem die Leute keine Blusen mit Spitzeneinsätzen mehr tragen und der Handel mit Spitzentaschentüchern rasant zurück gegangen ist, braucht man keine Spitzenverkäuferinnen mehr. Eine königliche Hochzeit gibt es ja auch nicht jeden Tag, an der Sankt Galler Stickerei gefragt ist. Die sexy Unterwäsche wird übers Internet verkauft.
Heute hatte Frau K. den ganzen Nachmittag nur eine Kundin, eine Schwedin, die in den Laden kam, um ihr ein bisschen von ihren schweizer Verwandten zu erzählen.
„Eigentlich arbeite ich nicht, es ist mehr ein Ladenhüten,“ meint Frau K. Sie geht gerne nach Hause. Der Bauplatz vor der Wohnung stört sie nicht.
Ihr „Bub“ ist dort Bauführer. So einen ordentlichen Bauplatz findet man kaum, da hat alles seinen Platz und die Erdwälle sind akkurat aufgeschüttet.
„Der Bub baut nicht für heute, er baut für die kommende Generation.“
Eins ist sicher: Libeskind ist als Architekt kein Mann des Nachstellschritts.

In der Schweiz gibt es davon unzählige, seis in den Bergen, im Emmental, im Gantrischgebiet, in der Stadt, die zeitweise eine einzige Baustelle ist, vor meinem Block, wo das erste Libeskind-Einkaufszentrum der Welt entsteht.
Der Röstigraben, Abgrund zwischen DeutschweizerInnen und Welschen, ist sogar im Ausland bekannt.
Es gibt auch den Graben zwischen Stadt und Land. Diesen überquere ich jede Woche einmal im Postauto um meinen betagten Eltern im Haushalt zu helfen. Obwohl ich viele Jahre in diesem Bilderbuchdorf am Jakobsweg verbracht habe, ist es für mich noch heute beinahe unmöglich, einer Unterhaltung zu folgen, bei der es um alt eingesessene Familien geht. Sie werden nach ihrem Hof, dem Vornamen oder dem Amt eines Vorfahren benannt und jeder neuen Generation angepasst: Chorrichters Fritzus Fritzes Fritz, Franzes Öttus Fridu, Chaschpers Brächts Käthi, verwandt mit Chaschpers Peter, Postautochauffeur, auch Kloster-Peter oder Pöschtli-Peter genannt, nicht verwandt mit Klosters Käru, glaube ich. Hublers Fridu und Statthalters Housi waren in den frühen Zwanzigern die Bösen Buben, die den Pfarrer im Pfarrhaus einschlossen, die Tür mit einer Kette verrammten, einen Nachthafen dran hängten. Der Pfarrer entkam durchs Fenster. 90jährige Einheimische erinnern sich noch heute an den verspäteten Predigtbeginn. Dieser Hubler Fridu war überhaupt ein Grossartiger (Prahlhans), fuhr er doch sogar mit dem Jauchefass zweispännig durchs Dorf. Zbindens Bärtu, verwandt mit Z’Ammens, kennt man unter dem Familiennamen der Mutter, da diese aus einer reicheren Familie stammte als sein Vater. Brüggmatters Dölfu und Rüedu waren zugezogen aus einem Hof über einem schattigen Graben …
Die neue Zeit hält aber stetig Einzug ins Dorf und mit ihr auch Familiennamen, die man im Telefonbuch findet. Am Dorfeingang wird emsig gebaut, von der Landwirtschaft allein leben nur noch wenige. Die Sauberkeit hinter dem Haus habe nachgelassen und einen „gezöpfelten“ Miststock finde man auch nicht mehr. Wie ich im einzigen Dorfladen höre, sind die EFH-Mütter froh, dass ihre Kinder nicht den Gefahren der Stadt ausgesetzt sind. Die Gemeinde hat sich bis jetzt auch erfolgreich dagegen gewehrt, den gesetzlich reglementierten regionalen Kulturbeitrag an die Stadt zu bezahlen.

… du hast wunderbare Zukunftsaussichten, denn ab 2007 wirst du zusammen mit allen anderen an 365 Tagen im Jahr genau das tun können, worauf du gerade Lust hast. Wo? In dem für Europa einzigartigen Zentrum, dem Ort des 21. Jahrhunderts, wo Freizeit, Unterhaltung, Gastronomie und Einkauf verschmelzen.
Libes Kind, du wirst über die lichtdurchflutete Mall schlendern. Das öffentliche Leben wird völlig neu definiert werden. Dieses zeitgenössische Paradies, geschaffen von einer internationalen Persönlichkeit der Architektur wird den ramponierten Ruf unseres Stadtteils, von den Medien oft als „Unort“ beschrieben, aufwerten! Bis dahin müssen aber noch Berge von Erde versetzt werden. Zum Glück gibts aus dem Oberland einen Haufen Schutt, mit dem der Röstigraben vor meinem blogk aufgefüllt werden kann. Wir werden das Tor des Westens sein, „durch das die modernen Verkehrswege entlang jahrhundertealter Pfade in Richtung Westschweiz führen“. Wir gedenken der eingewanderten Burgunder und Alemannen. Damit wir der Romandie im täglichen Leben näher rücken, sind entsprechende Strassennamen geplant. Libeskind, auch 2007 wird es noch keine Gleichberechtigung der Geschlechter geben: Die gewählten Namen bezeichnen zehn verdiente Männer und fünf Frauen! Eine mögliche Postadresse könnte dann so aussehen: Herr Aston George Swampillai-Sturzenegger und Frau Tabea Sturzenegger Swampillai, Gilberte-de-Courgenay-Strasse 453 / 4 B, 3028 CH-Bern. Wir beide haben natürlich jeder Zeit einen umfassenden Rundblick auf die Baumaschinen und ihre frisch angelegten Pisten, die Rohre, durch welche die Erde über die Autobahn transportiert wird, die Betonmischtürme, die nachts beleuchtet sind und das Bauarbeitercamp. Alles sieht proper aus. Sauberer als der Waisenhausplatz oder die Münsterplattform. Nachdem wir, du, Kind und ich viele Jahre lang zugeschaut haben, wie diese Felder gepflügt wurden, wie die Kartoffeln, der Mais, der Weizen und die Sonnenblumen gediehen, wie die Krähen hinter dem Pflug her flatterten und die beiden Bussardpärchen ihre Kreise zogen, befinden wir uns auch hier in einer Zeit des Umbruchs.