Juni 2005


Meine Grossmutter ist im Spital, den „Gummäng“ (Berndeutsch für „Benehmen“, abgeleitet von „comment“, französich „wie“) hat sie längst hinter sich gelassen. Seit zwei Tagen tobt sie laut oder flucht leise im Spitalbett. Sie weiss nicht recht, wo sie ist, aber sie weiss, dass sie dort nicht bleiben will, entsprechend schwer haben es die Kanülen in und an ihrem Körper.

Zum Ausgleich habe ich ihr gestern ein paar moralische Sätze und heroische Lieder zum fertig machen gegeben, die sie mir als Kind beigebracht hat.

Du sollst den Namen [Gottes nicht verunehren] (macht sie immer noch nicht, sie flucht anders.)
Geben ist [seliger denn Nehmen]
Hartes Brot ist [nicht hart, kein Brot ist hart]
Lass nie die Sonne [untergehn über deinem Zorn]

Unser Leben [gleicht der Reise…] (Sie war überrascht und glücklich, dass wir zusammen alle Strophe hinbekommen haben)

Lueget vo Bärge u Tal [flieht scho der Sunnestrahl]
Lueget vo Oue u Matte [wachse die dunkele Schatte]
D’Sunn‘ [ade Bärge no stooht]
O, wie sie [d’Gletscher so rooot]

(Von da weg hatte ich meine liebe Mühe und hab mich auf das Summen verlegt.)

Nachher

Unsere Zuversicht war Naivität in Reinkultur. Bereits wenige Stunden nach der Installation der Blumenkübel nach allen Regeln der Partizipation, wurde einer davon nicht nur gekippt, sondern in hohem Bogen über eine Terrassen hinausgeworfen.

Was ist das für ein Quartier, in dem wir leben?
Wer macht so etwas Destruktives, Unsinniges, Hirnloses?
Da waren sie, unsere dummen, dummen Fragen.

„Die Nachtbuben,“ sagte ein alter Mann. „Die Nachtbuben, die gab es schon immer.“

Zuoberst die Unterhosen, dann Socken, Hemd, Hosen, Jacke und die Schuhe griffbereit, so mussten wir als Kinder die Kleider ablegen, wenn ein Gewitter im Anzug war. Donner-Bigeli nannte meine Schwester diese Kleiderhäufchen bei ihren eigenen Kindern. Das gab Sicherheit und nahm ein wenig die Angst.

Albert und Vater sitzen in der kühlen Küche während über dem Thunersee „ein Wetter“ aufkommt. Sie haben in ihrem Leben unzählige „Wetter“ erlebt. Eine heikle Sache war es mit den Sensen. Diese durften dann nicht auf der Schulter getragen werden. Die Spitze nach unten zog man d’Sägesse über die Erde nach Hause, hängte sie keinesfalls an die Hauswand, bis das Gewitter vorüber war. Ungern denkt Albert daran, wie ihm das Pferd Lotti mit dem Graswagen durchbrannte, weil es das aufkommende Gewitter durch die Hufeisen spürte. Manchmal sprangen blaue Funken aus den Steckdosen, Zaunpfähle wurden gespalten und blaue Flämmchen leckten dem Viehdraht entlang. Einmal wurden zwei Rinder, die unter einer Linde Schutz gesucht hatten, vom Blitz erschlagen. Alberts Vater stach sie, damit man das Fleisch noch „auswägen“, den Bauern verkaufen konnte.
In schwülen Sommernächten tat man oft kein Auge zu, wachte im Stall, war bereit, im Notfall Mensch und Tier zu retten und das Haus den Flammen zu überlassen. Alte Berner Bauernhäuser brennen wie Zunder.
Wie wohl die verschiedenen Blitze und der Donner entstehen? Bis jetzt hatte man gar keine Zeit, sich mit diesen Naturereignissen gründlich zu befassen. Weiss Albert als ehemaliger Feuerwehrmann Genaueres? Leider nicht, obwohl der Kommandant bei einer der Feuerwehrübungen mit einem Gerät ankam, mit dem er den Mannen die Entstehung eines Blitzes demonstrieren wollte. Der Versuch misslang. „Zu feucht,“ meinte der Kommandant, der lange an einem Blechrad gedreht hatte. Als junger Mann stand Vater einmal auf der Grossen Scheidegg, hatte über sich einen strahlend blauen Himmel und zu seinen Füssen ein Gewitterwolkenmeer, aus dem unzählige Blitze aufstiegen: „Wie eine Bürste – unvergesslich“.
Nächsten Samstag bringe ich ein Buch mit, damit wenigstens diese Frage den beiden Neuzigjährigen beantwortet werden kann.

Eigentlich war das „Bössli“ mit der Nummer 27 nur ein Versuch, den der damalige Direktor der Städtischen Verkehrsbetriebe gleich abzubrechen versprach, falls er nicht rentiere. Es galt, die Quartiere Bethlehem und Bümpliz in Berns Westen mit einer Buslinie zu verbinden. Natürlich wurde die Bevölkerung aufgefordert, diese rege zu benutzen. Wie so oft dachte man aber nicht daran, dass hier fast nichts durch Lesen von Infos statt findet, sondern durch Nachahmung. So fuhr der kleine Bus mit Namen „Alfred“ zuerst beinahe leer durch die Gegend. Der Chauffeur hörte seine Musikkassetten, meist Volksmusik oder deutsche Schlager. Jeder Fahrgast wurde begrüsst und verabschiedet. Von „Rentieren“ konnte lange nicht gesprochen werden, und es brauchte einiges an Überredungskunst, wir nennen es „Weibeln“, dass Bernmobil das Projekt nicht abbrach.
Heute ist der Bus meist gedrängt voll. Gegrüsst und verabschiedet wird noch immer. Manchmal gibts auch arabische oder kurdische Musik. Der Platz rechts hinter dem Chauffeur ist meist besetzt. Er ist für die Stammgäste, die so zum Vergnügen ein paar Runden drehen. Die Frau mit der brauen und der gestreiften Tasche ist arbeitslos. Nach einigen Schwierigkeiten mit ihrem Betreuer auf dem RAV hat sie jetzt ihre Ruhe, trägt grosse Birkenstocksandalen wegen dem Wasser in den Beinen. In einem kleinen Notizblock führt sie Buch darüber, welcher Fahrer welche Tour hat. Sie kennt die Strecke und deren Tücken bestens. Beim Bahnhof Nord ist die Einfahrt eng. Gestern wurde diese von einem vordrängelden PW gefährlich blockiert. Ich: „Geit’s däm no?“ Frau: „Es isch Eini, nid Eine, u de ersch no us Friburg, hi, hi, hi.“
Auch die Umstehenden lachten über die Autolenkerin aus Freiburg, der man natürlich den Vortritt gab.
Trotz der Hitze und dem Gedränge blieben alle lustig.
Die beiden Fahrkartenkontrolleure hörten sich die Ausreden von zwei älteren Damen ohne gültigen Fahrausweise an. Bei so vielen Leuten sei es nicht möglich gewesen, zum Billettautomaten „vorzustossen.“ (Tarif: Fr. 1.90)
Sie dürfen sich heute auf einem Büro melden, wo ihr Fall entschieden wird.

Seit zehn Jahren ungefähr bearbeite ich autodidaktisch meine Spinnenphobie. Das sieht so aus, dass ich kleine Spinnen bei mir wohnen lasse. Frau Nachbarin hat mir gesagt, ein Haus mit Spinnen sei ein gutes Haus und ausserdem hasse ich Mücken noch viel mehr. Ich versuche auch Leute, die mir gegenüber stehen, von Ungeziefer zu befreien -mit blossen Händen oder mit einem Tüchlein. Alles eine Frage der Einstellung.

Zum Glück war meine Schwester gestern Abend noch da. Sie entfernte mit einem Mop einen eckligen harmlosen Weberknecht über dem Telefon, schüttelt ihn den Balkon runter, versichert mir, dass er nicht mehr zurück kommen werde und dennoch, erschreckt mich mitten in der Nacht wieder so ein hartnäckiger Langbeiner. Er liess sich ganz ruhig an einem durchsichtigen Faden mit etwa 24 km/h von der Decke runter genau in mein Blickfeld. Ich hab ihn mit dem mini-Staubsauger von 1st eingesaugt und diesen dann auf dem Balkon deponiert. Am Morgen früh schilderte ich meinen Mut mit den flinken Spinnen meinem müden Freund und zeigte ihm den Tatort. Uuh plötzlich, mein Freund hat gemeint, ich stelle eine Szene nach, taucht wieder so ein gstabiges Wesen vor meiner Nase auf, da betrachtete ich unter Tränen meine Therapie als sinnlos. Mein Freund tötete die fette Spinne und meinte
1. „Ups, dazu hätte ich jetzt dich coachen sollen.“ und
2. „Zum Glück wohnen wir nicht in einem Häuschen mit Garten.“

Den Link habe ich an einem „hennen“-kalten Tag gefunden. Heute möchte ich euch diese besondere Bibliothek vorstellen. Wer weiss, vielleicht sucht jemand, der/die gerne liest, noch eine kühle Feriendestination?
(Ich nicht, denn ich gehöre zu den wenigen Bernerinnen, die ferienmässig in den 68gern stehen geblieben sind und in deren Bücher jedes Jahr Sand vom gleichen Strand zwischen den Seiten klebt.)
Ums Haus weht heute ein warmer Wind, trägt trockene Erde von den Rosenbeeten mit sich – erinnert mich an den Chamsin in den Hügeln von Ephraim und Menashe, einer ähnlichen Gegend wie dieser.
Entsch … ich habe heute anscheinend nur Ferien im Kopf – muss mich unbedingt auch um die Ferienlektüre kümmern …

Sie hat bei der alten Hasler am Buffet gearbeitet, ein Leben lang, bis Siebzig. Jetzt mit Sechsundachzig hat sie eine Kunststoffkugel in der Schulter und verträgt die Bise nicht mehr. Wie die Erde, die Erde verträgt die Bise auch nicht. So viel Bise dieses Jahr, alles wird gelb werden, „lueget de nume“. Und der Himmel, der Himmel ist wieder so schwarz über dem Trolleybus. Und der Nachbar ohne Arbeit, erst Sechsundfünfzig, das ist schlimm. Manchmal holt er etwas Pulverkaffee oder eine Tasse Zucker und sagt „Dank, sie wie Mutter“. Wenn sie das Geld nicht anderes braucht, legt sie ihm ein Päckchen Zigaretten auf das Tischchen im Treppenhaus. Es ist das Mindeste, nach sechzehn Jahren Tür an Tür.

Vorher

Quartierbewohner beerschaffen selber Blumenkübel und pflanzen dieses Jahr auch selber an. Die Stadtgärtnerei übernimmt diese Aufgabe an dieser Stelle des Quartiers seit ein paar Jahren nicht mehr. Wegen Vandalismus? Geldmangel? Weil sie hauptsächlich mit Reinigungsarbeiten beschäftigt ist? Ich weiss es nicht.

Eine gute Idee, denn die Erfahrung und vor allem die Fachliteratur sagen uns, dass Partizipation durch die Quartierbewohner das beste Mittel ist gegen Zerstörung durch die Quartierbewohner.

Fortsetzung folgt.

Eine stattliche Graugans, wahrscheinlich aus einer Zucht entflogen, landete vor einiger Zeit auf dem Wohlensee. Die Schwäne freuten sich keineswegs über die Neue, zogen sich genervt in ihre schilfigen Buchten zurück und übten Ignorieren. Frau Graugans gab nicht auf, suchte immer wieder den Kontakt. Und siehe da: sie fand Beachtung bei einem schneeweissen Schwan. Die beiden wurden ein unzertrennliches Paar, haben nun ein gemeinsames Schwanenganskind mit elegant geschwungenem Hals, gesprenkeltem Schnabel und kräftigen grauen Gänseflügeln auf einem weissen Schwanenkörper.
In Berns Westen wird ab und zu auch erfolgreich integriert!

Ich notiere mir das hier schnell, weil ich gerade nur Internet und keinen Drucker habe. Dann kann ich es an einem anderen Ort ausdrucken. Papa darf bis morgen nicht hier draufschauen, sonst sieht er mein Deck und kann sich auf meine Schwächen einstellen. Mit ihm mache ich dann den Kampf.

Pitiless von: Horst Oehme

Energie
13 Energie: Kampf
12 Energie: Pflanze
Pokemon
1x Panphy
1x Rizeross
1x Georok
2x Onix (Altes Onix)
3x Tragosso (Dschungel)
1x Onix (Neo Genesis)
1x Maschock
1x Rasaff (Dschungel)
1x Knogga (Dschungel)
3x Menki (Dschungel)
3x Bluzuk (Dschungel)
1x Smettbo
2x Bisaknosp
2x Kokowei (Dschungel)
1x Nidorino
1x Ultrigaria (Dschungel)
1x Parasek (Dschungel)
1x Lorblatt (Neo Genesis)
1x Togetic (Neo Genesis)

Trainer
4x Trank
1x Plus Power
1x Mr.Fuji
1x Wartung

Wappe-Spruch
Hans Zulliger

Wär chunnt der stotzig Wäg z’düruuf
A Rosefälder düre,
Im glyche Trapp,
im glyche Schnuuf,
U streckt sy Zunge vüre?
Säg hurti, wär so gsatzlig geit
U fescht uf breite Talpe steit?
Wär isch es, wär?
Es isch der Bär, der Bärner Bär!

Mi het ihm vür, er trappi schwär,
Er chöm es bitzli gnietig,
Er sprängi nid, der Bärner Bär,
U syg nid übermüetig,
Er tanzi nid grad uf der Stell
U bsinn si zwuri, was er wöll –
So syg’s eso! …

Das ist ein Gedicht auf den alten Bären.
Der moderne, der keucht nicht mehr mit hängender Zunge und schwerem Schritt den Aargauerstalden hinauf. Er tänzelt auf dem Drahtseil hoch über dem Bahnhofplatz, hat auch als Wappen auf den öffentlichen Verkehrsmitteln und amtlichen Briefköpfen abgespeckt. Denn alles bewegt sich in der Mutzenstadt. Da muss man auch als Bär umdenken und mobil sein. Für die erwarteten Gäste gibt es einen Gratis-Fitness-Parcour durch den öffentlichen Raum. In diesem Sommer hat man besonders viele Gräben aufgerissen, Baustellen abgesperrt, Verkehr umgeleitet, Kleiderständer, Reklametafeln, Tische und Stühle, Topfpalmen und Marktstände in die Lauben gestellt. Eben in allem Bern³!

3rd: Mam, D. hat heute Bilder gezeigt.
Ich: Was war drauf?
3rd: Saddam, BinLaden und ein anderer Iraker.
Ich: Und was noch?
3rd: BinLaden einfach so.
Ich: Und Saddam?
3rd: Schrecklich, an den Hoden aufgehängt.
Ich: Und der andere Iraker?
3rd: F* einen Esel.
Ich: Sah es echt aus oder eher wie ein Comic?
3rd: Nein, wie Fotos. Aber gefälscht, das würde ja nie jemand in Echt tun.
Ich: Doch. Aber sie waren dennoch gefälscht.
3rd: Warum zeigt mir D. das?
Ich: Woher kommt er?
3rd: Er ist ein normaler Schweizer. Er hat nicht einmal im Wald gelebt und kein Onkel ist in einem Massengrab.
Ich: Keine Ahnung, vielleicht weil er deine Meinung dazu wissen will.
3rd: Ich habe nur wääh gesagt.
Ich: Immerhin. Kind, diese Schule braucht einen Ethikrat. Und wenn Kinder wählen könnten, würden sie vielleicht dich da hineinwählen. Aber zu spät. Ab Sommer gehst du auf eine Gutmenschenschule.

2 Schreibtische (Normgrösse, grau)
1 PC mit Bildschirm und Tastatur schwarz-grau
1 Drucker schwarz-grau
1 Wandkarte der Stadt Bern (ca. Jahrgang 1950)
1 Wandbild (verbleichter Druck eines Miró)
1 A4-Blatt mit der Rechtsbelehrung in Sachen Fundgegenstände (ca. Jahrgang 1980)
1 A4-Blatt mit „TV via Natel“ und einer Handynummer
3 Gesetzbücher (zerfleddert)
1 Block mit Hüselipapier
1 Kulli
1 Tupperware
1 Bürostuhl
2 Besucherstühle
1 klitzekleines rundes Tischchen
1 Broschüre über Berufe bei der Polizei

Vernehmungsraum auf Berner Polizeiposten, heute, d.h. gestern, von Innen gesehen.

Obowohl die Mobbing-Sache vom bedauernswerten 3rd nun eskaliert und der Konflikt eiskalt ist, gibt es aus logistischen Gründen noch ein kurzes Telefonat mit der Sozialarbeiterin.

„Es wurde viel Geschirr zerschlagen, auf beiden Seiten,“ sagt sie.
„Besser Geschirr als Kinder,“ aber das denke ich nur.

Weisse und gelbe Bänder zerteilen den Acker in Quadrate und Dreiecke. Die Sonne scheint auf die Erde in welche am Vortag eingesät wurde. Ein Kirschbaum wirft seinen Schatten auf das Quadrat am östlichen Rande des Feldes. Auf dem gemütlichsten Plätzchen am ganzen Rain sitzt eine Schar Krähen. Sie lassen sich nicht stören durch die flatternden, sirrenden Bändern um sie herum. Die Vögel haben die Giftkampagne vom Januar dieses Jahres überlebt und geniessen den Sommermorgen. Am Montag wird der Bauer sich eine andere Vogelscheuche ausdenken müssen.

Mir kommt das gelehrige Rattenpärchen von der Calangute Beach in den Sinn. In einem Kokospalmenhain in der Nähe des Strandes hatten wir für wenig Geld ein Häuschen gemietet. Neben den schwarzen Skorpionen, die ums Loch des Stehklos hausten, gab es auf dem Dachbalken des Einraumhauses ein Rattenpaar. Flink trippelten die beiden Tiere hoch über unseren Schlaftstellen auf den Balken, liessen die schuppigen Schwänze in den Raum hinunter hängen, beäugten uns Neulinge. Gruusig, fand ich und nahm eine lange Bambusflöte zur Hand, mit der ich schon erfolgreich den Skopionen den Garaus gemacht hatte. Ich versuchte die Nager zu erschlagen (Entsch …!), obwohl die Ratten in Indien zu den heiligen Tieren mit eigenen Tempeln gehören. Aber sie schienen mich auszulachen, denn ich traf nie. Vom Markt schleppte ich ein amphorenartiges Tongefäss mit rundem Boden heim, um die Esswaren darin sicher aufzubewahren. Zudecken wollte ich diesen Behälter mit einem passenden Blechteller. In unserer Abwesenheit gelang es den Ratten, das schaukelde Gefäss umzukippen, indem sie danach sprangen. Nun liess ich mich von einer Fachfrau beraten und hängte ein festes Plastikbecken an einem glatten Draht mitten in den Raum. Das pelzige Pärchen verfolgte meine Bemühungen mit glänzenden Knopfaugen und bebendem Schnauzhaar. Diesen Draht schafft ihr nicht!
Als ich am Abend nach Hause kam, hatten die Ratten unter dem Deckel ein Loch in das Becken genagt und sich am Vorrat gütlich getan. Ich fuchtelte zornig mit der Bambusflöte in Richtung Balken, wo die beiden gerade erst so richtig munter wurden. Nach und nach begann ich, die Bewohner unter dem Dach zu bewundern und zu akzeptieren. Dank ihnen hatten wir keine anderen unliebsamen Gäste im Haus. Ich gewöhnte mich an einen höflichen Ton, wenn ich mit ihnen sprach. Berndeutsch war für sie kein Problem. Ich schnitt Tomaten, während meine neuen Freunde am Tischrand sassen und interessiert zusahen. Von Zeit zu Zeit legte ich ein Stücklein vor sie hin, welches ohne Hast verzehrt wurde.
Ich erinnere mich nicht, dass die Amphore noch einmal zu Fall gebracht wurde.

Dieses heitere Bild von lauter jungen schönen Menschen wurde natürlich nicht auf einem der 140 Regionalen Arbeitsvermittlungszentren aufgenommen. Den Leuten, welche die Dienste der 1800 Beraterinnen und Berater in Anspruch nehmen müssen, ist das Lachen vergangen. Sie sind arbeitslos. Das ist zwar bitter, aber immerhin können so 1800 andere ihren Job behalten.
Das freundliche Ehepaar um die Sechzig, seit Monaten in einen schleppenden Versicherungsfall verstrickt, deshalb ohne Einkommen und ein bisschen am Boden zerstört, trifft auf einen netten Berater. Er versucht, den beiden zu vermitteln, dass sie sich nicht schämen müssten, auf dem RAV (in Berndeutsch „Raff“) gelandet zu sein. Die arbeitslose Konditorin etwas über Vierzig dagegen ist überzeugt, dass ihre Beraterin sie hasst und sie mit Absicht ins abgelegene Olten, zusammen mit Behinderten in einen Weiterbildungskurs schickt. Dagegen konnte der junge Familienvater, erst seit kurzer Zeit in der Schweiz, einen Kurs in Hausreinigung besuchen. Gratis. Er hat nun eine Arbeitsstelle in einem Schulhaus gefunden.
Im Mai 2005 gab es in der Schweiz 145370 registrierte Arbeitslose. Ihr Job ist es, sich mit den unzähligen oft wechselnden Bestimmungen herum zu schlagen und dazu die vorgeschriebene Anzahl Bewerbungsschreiben zu verschicken, irgendwo hin. Ich muss mich damit auseinander setzten, auch bald dazu zu gehören. Denn meine vornehme Vorgesetzte, Frauenrechtlerin der ersten Stunde ist daran, ihren Betrieb zu reorganisieren – mit neuen Männern.
Im Laufe meines schon ziemlich langen Lebens habe ich vielen Mitmenschen geraten, durchzuhalten, die Hoffnung nicht zu verlieren, in der „verschütten“ Situation eine Chance zu sehen, keinesfalls aufzugeben.
Sich selber solches zu Herzen zu nehmen, neugierig in die Zukunft sehen, mit dem halbvollen Glas in der Hand … ja, das erfordert Stärke.
Nur, wie sage ich das meinem Magen?

Vielleicht hat jemand gemerkt, dass ich schon laaange keinen Beitrag mehr verfasst habe. Ich weiss gar nicht, was ich im www im Moment zu sagen habe. Mein Alltag verläuft ausnahmsweise gerade überdurchschnittlich bürgerlich. Kann frau das so sagen, wenn ich mich jeden Morgen in unserer neuen Wohnung darüber freue, wie schnell die Bohnen wachsen, dann in die Schule gehe und jeden Abend meinem Freund ein SMS-Kränzchen winde, dass er die Wäsche erledigt und geputzt hat? Jetzt macht sich auch schon wieder meine Blogkade bemerkbar. Ich bin heute viel zu normal, um einen kurzweiligen Bericht zu schreiben und setz mich lieber noch eine Stunde vor den Fernseher, strickend, versteht sich…

nicht nur vom Wetter her, fanden A.s Eltern die Schweiz, erzählt sie mir. Sie zogen in ein Quartier, in dem sich schon viele ihrer Landsleute eingerichtet hatten. A. spricht ein ausgezeichnetes Berndeutsch – akzentfrei. Sie erzählt mir, dass sie es letzte Woche beinahe versäumt hätte, ihren C-Ausweis erneuern zu lassen. Eine schreckliche Vorstellung, wieder in ihr Herkunftsland zurück geschickt zu werden – nur wegen der eigenen blöden Nachlässigkeit. Eigentlich hätte sie eine Bundesstelle bekommen können, aber da nähmen sie nur Schweizer. Sie hätte in den vergangenen 25 Jahren schon einige Male die Gelegenheit gehabt, sich erleichtert einbürgern zu lassen, sei aber dazu noch nicht bereit gewesen:
„Aber i bi eifach nid bereit gsy drzue.“

„Isch es schwiriger zum Fahre bi däm Rägewätter?“ fragt eine alte Frau den Zugführer der Regionalbahn. „Nenei, mi muess nume es Bitzeli früecher afa brämse,“ beruhigt sie der Mann.
Bern bekommt den Bahnhofplatz mit Baldachin! Im sog. Vorfeld der Abstimmung haben sich Bürgerinnen und (zahlreiche!) Bürger Sorgen darüber gemacht, wie eine Welle aus Glas denn sauber zu halten sei.
Im Bernerland liebt man einfach kein Genusch und sucht ständig nach Lösungen, solches zu verhindern. (Freiburger sind da etwas anders.)
Die Stieregghütte, durch einen Erdrutsch vor einigen Tagen beinahe in den Abgrund gerissen, wurde gestern abgebrannt. Man wolle keine Unordnung in der Schlucht unten.

Item – ein solches Abstimmungswochenende muss überschlafen werden. Diese weltoffene moderne Schweiz kann schon ein bisschen beunruhigen. Auch Bremsen will eben gelernt sein.

Um einen moderen und perfekten Haushalt zu führen fehlen mir neben der Zeit z. B. ein Aushöhler, ein Dekoschneider für Gemüse-Krönchen und -röschen, eine Kombiraffel „ruck-zuck“, eine Fleckenmaus und auch die Honigspirale.
Dank lieber Freundinnen bin ich im Besitze einiger bunter Reinigungstücher, mit denen ich nur mit lauwarmen Wasser Fester, Lavabos, Herdplatten, Möbel vor blitzblanker Sauberkeit erstrahlen lassen könnte.
Seit gestern kenne ich Oxi-Speed. Die Zeit der angeklebten, nicht aufgelösten Tabs in der Geschirrspülmaschine ist vorbei. Nachdem ich an der Migros-Kasse ein Warenmuster in einem grünen Briefchen erhalten hatte, machte ich mich auf zum „Kundendienst“. Die beiden Verkäuferinnen wussten noch nichts über das neue Produkt, denn sie kaufen ihr Abwaschmittel im Pick Pay und bei Denner, nicht „im Migro“. Frau B. telefonierte aber gerne für mich: „Ja, hier ist eine Kundin, die möchte wissen, wann der Oxi-Schpliin in den Laden kommt.“
Ich verliess das Geschäft mit einer Packung, die 27 Portionen Pulver in „100% biologisch abbaubaren“ Säcklein enthält. Der Probelauf ergab ein Superresultat: Teller und Gläser, auch das Besteck waren fleckenlos und strahlten wie in der Reklame.
Ein bisschen unheimlich ist mir dieser samtene Glanz schon, denn eben habe ich die klein gedruckte „Inhaltsstoffangabe nach Empfehlung der EU-Kommission“ gelesen: … enthält Enzyme, gentechnologisch hergestellt. Ich habe gelesen, dass solche Produkte vom Umweltschutz her nicht eben lupenrein sind:

Die Gentech-Organismen gelangen in die Natur und schädigen dort möglicherweise andere Lebewesen oder übertragen ihre manipulierten Gene auf diese.

(Begeistert von der apfelgrünen Musterpackung waren besonders die Bewohnerinnen des nahegelegenen Betagtenheimes. Wer noch kein Briefchen erhalten hatte, kam an der Kasse vorbei, um eines zu verlangen. )

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