Seit ich denken kann kommen Leute hierher, um unser Quartier zu besichtigen. Mal Wohlwollende, die die corbusier’sche Tradition zu erkennen glauben, mal Nasenrümpfer, die sich einfach einen Loop genehmigen, bevor sie den Wanderweg unter die Füsse nehmen, mal Kunststudenten, die Wohnbeton anfassen und artgerecht verwursten wollen und mal Gelangweilte, die von irgendwem zur Schnuppertour verdammt wurden.

Heute waren’s Jugendliche aus einem Gymnasium, die die Aussenquartiere kennenlernen sollten. Schon auf dem Bus sind sie mir als zu sauber und teuer gekleidet ins Auge gesprungen, auch weil sie über dies und das geschnödet haben, das Eingeborene längst nicht mehr wahrnehmen. Aber ich dachte halt, die kommen jemanden besuchen, immerhin schaffen es von unserem Schulkreis auch 14% aufs Gymnasium.

Ich spreche also gerade mit einem, der eine Lehre bei der Bank macht und sehr zufrieden ist, wechsel im Laufen zu einer Gesprächspartnerin mit vier Kindern, die mit mir etwas in Sachen Quartierverein besprechen will und höre dann mit einem Ohr, wie einer der sauberen und teuer gekleideten Jungs aufschreit: „Hei, sogar die hie hei e Schuel!“ während er auf unsere verspucktes Schild zeigt, auf dem „Schule“ und ein Pfeil nach unten steht, weil die Schule eben unten ist.

Ich habe ihn lächelnd aber ohne ein Fünkchen Humor bestätigt, „Jawohl. Dieses Land hat einmal beschlossen, dass jeder eine Schule besuchen darf, sogar wir hier. Leider hat das Land dann lange Zeit vergessen, dass Schulen wie Quartiere auch gepflegt werden müssen, vor allem wenn die Leute zu arm dran sind, um es selbst zu tun. Lassen Sie mich drei Mal raten, aus welchem Stadtteil so viel Hochnäsigkeit herkommt?“ Das Jüngelchen guckt ein wenig erstaunt, bleibt aber cool und meint „Also, ja, klar.“ „Spiegel?“ „Nein.“ „Kirchenfeld?“ „Ja.“

Ich gehe zufrieden nickend von dannen und erheitere mich an der Frage, wie er diese Begegnung mit der autochthonen Bevölkerung in die Gruppenarbeit einbringen wird.